Bayer:In der Weltapotheke

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Erica Mann ist die erste Frau im Vorstand des Pharmakonzerns Bayer. Sie leitet die Sparte für frei verkäufliche Arzneimittel wie Aspirin. Ihr Rat an aufstiegswillige Frauen? "Zweifle nie, es geht", sagt sie im Gespräch.

Von Helga Einecke, Frankfurt

Sie hat deutsche Wurzeln und trägt einen berühmten Namen. Erica Mann, 57, geht damit ganz unbekümmert um. Noch nie hat sie sich für eine mögliche Verbindung zur Familie des Schriftstellers Thomas Mann und seiner ältesten Tochter interessiert. Nicht die Literatur ist ihre Welt, sondern Tabletten, Salben, Sprays. Im Januar rückt Mann in den Vorstand des Pharmaunternehmens Bayer auf, leitet den Bereich der rezeptfreien Medikamente.

Man sieht es ihr an, dass sie in der Gesundheitssparte zu Hause ist. Sie wirkt elegant, tut sichtbar viel für ihr Äußeres, gilt als ungeduldig und ziemlich erfolgreich. Das passt, denn in ihrer Sparte tut sich gerade eine Menge. "Ich habe immer Interesse an Übernahmen", sagt sie. Das milliardenschweren Tauschgeschäft der Konkurrenten Sanofi und Boehringer Ingelheim beobachtet sie genau, aber unbeeindruckt: "Das ändert nichts an unserer Strategie", stellt sie fest.

Vom Schweizerischen Basel aus steuert Bayer das weltweite Geschäft mit rezeptfreien Arzneien, von Aspirin über Fußpuder bis hin zur Bepanthen-Salbe. Bayer sieht sich als die Nummer zwei in diesem Markt, seit man für zehn Milliarden Euro der amerikanischen Merck diese Sparte abkaufte. Rezeptfrei steht für Stabilität, denn die Menschen kaufen selbst in Zeiten von Krisen solche Mittel, um sich fit zu halten. Die Gewinne sind nicht so hoch wie bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, aber dafür fließen sie regelmäßig.

Ist sie stolz, die erste Frau im Bayer-Vorstand zu sein? Sie spricht von einer großen Ehre und großer Verantwortung. Aber sie habe auch viel Unterstützung durch Männer gehabt. Ihr Rat an aufstiegswillige Frauen? "Zweifle nie, es geht", antwortet sie. Viel Geld fließt in diesem Bereich nicht in die Forschung, nur drei bis fünf Prozent des Umsatzes. Dafür umso mehr in Werbung. Wie viel, sagt Mann nicht. "Ein angemessener Betrag", sagt sie leichthin. Alle Pharmaunternehmen halten diese Zahlen unter Verschluss, es geht auch um Marken und Marktanteile.

Mann versteht etwas von Werbung. Während einer Präsentation greift sie immer wieder zu einem ihrer Produkte und ruft aus: "Das ist mein Favorit, das benutze ich selbst schon seit vielen Jahren." Solche Selbstbekenntnisse mögen deutschen Managern fremd sein, in den USA und anderen Teilen der Welt gehören sie zum guten Ton. Die Managerin wuchs in Südafrika auf, arbeitete im Vertrieb für Eli Lilly, im Marketing von Johnson & Johnson. Bei Wyeth übernahm sie Führungspositionen in Afrika und Australien. Als Pfizer Wyeth übernahm, wechselte Mann in die USA und kam 2011 zu Bayer. Ihre beiden erwachsenen Söhne leben in Sidney und studieren noch. Australien hat sie wegen der Kinder als Heimat gewählt, um wegen ihrer globalen Karriere nicht wurzellos zu werden. Vorerst aber kommt sie nach Europa, bezieht eine Wohnung in Basel, pendelt häufiger nach Leverkusen. Das viele Reisen sei nicht gut für den Körper, leitet sie im lockeren Plauderton auf ihre Produkte und ihr Thema über.

Sie versuche, die Verbraucher mehr in die Entwicklung neuer Produkte oder Anwendungen einzubeziehen. Das neue Aspirin soll doppelt so schnell wirken wie das alte, weil die Menschen weniger Zeit haben, auch um Schmerzen zu ertragen. Scholls Fußeinlagen, die nichts mit der Scholls Fußpflege zu tun haben, werden über Automaten verkauft, die Fehlstellungen diagnostizieren und gleich die passende Sohle liefern. Eine neue Salbenflasche lässt sich mit einer Hand öffnen, um gleichzeitig das Baby auf dem Wickeltisch festhalten zu können. Für ein altes Produkt konnte sie sogar ihre Söhne begeistern, nämlich für den von Bayer gesponserten gleichnamigen Fußballklub.

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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