Baufinanzierungen:Hart, aber machbar

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Falsche Klauseln bei Kreditverträgen: So können sich Bauherren niedrigere Zinsen erkämpfen.

Von Berrit Gräber, München

Unter Bauherrn und Immobilienkäufern hat es sich in den vergangenen zwei Jahren herumgesprochen: Ein Großteil der seit 2. November 2002 abgeschlossenen Baukreditverträge ist gespickt mit fehlerhaften Widerrufsbelehrungen. Wer in seinem Darlehen mit der Bank, der Sparkasse oder mit einem Versicherer formale Schnitzer findet, kann den ganzen Vertrag für nichtig erklären. Selbst Jahre später noch. Eine falsche Belehrung eröffnet somit die einzigartige Chance, eine alte Finanzierung loszuwerden, auf die inzwischen viel niedrigeren Zinsen umzusatteln, bestenfalls viele Tausend Euro zu sparen oder sich Geld zurückzuholen. Was sich am Anfang nur wenige trauten, ist mittlerweile zu einer beispiellosen Widerrufswelle angeschwollen. Zehntausende Kreditnehmer wagten es schon mit Unterstützung von Fachanwälten, vielen Geldinstituten die Stirn zu bieten - meist mit Erfolg.

Doch der Ausstieg ist schwieriger geworden. Wer den Widerrufsjoker zieht, sollte sich auf ein häufig zähes Ringen mit dem Baufinanzierer einstellen, warnt Markus Feck, Jurist der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Der Ausstieg ist kein Selbstläufer." Die Fallzahlen der Widerrufe sind so sprunghaft gestiegen, dass Geldinstitute immer öfter mauern. Waren sie anfangs noch oft bereit, sich außergerichtlich zu einigen und günstigere Zinskonditionen anzubieten, stemmen sich vor allem die Großen der Branche immer stärker dagegen. Die Bereitschaft, sich von Kunden verklagen zu lassen und vor Gericht zu ziehen, sei deutlich gestiegen, berichtet Dirk Scobel, Bankenexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. "Viele Banken und Sparkassen stehen auf dem Standpunkt: Mal gucken, wie weit die Kunden gehen, um mit dem Widerruf durchzukommen."

Für beide Seiten geht es um viel Geld. Die Chancen für betroffene Verbraucher stehen häufig erstaunlich gut. An der rechtlichen Lage gibt es erst einmal nichts zu rütteln: Haben Immobilienfinanzierer bei der Widerrufsbelehrung Fehler gemacht, dürfen Kunden widerrufen. Seit 2. November 2002 steht Kreditnehmern auch bei Immobiliendarlehen ein Widerrufsrecht zu. Und seither haben sich die Juristen der Banken jede Menge formale Schnitzer geleistet, indem sie die gesetzlich vorgeschriebene Musterbelehrung oft eigenständig abwandelten. "In den Verträgen vor 2007 ist die Fehlerwahrscheinlichkeit am größten", hat Verbraucherschützer Scobel festgestellt. Mal ist der Beginn der Widerrufsfrist unklar, mal die Klausel verwirrend formuliert oder nicht fett gedruckt, wie es der Gesetzgeber verlangt.

Wie hoch die Prämie für ein Haus ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab. Wem sie zu hoch ausfällt, dem bleibt nur der Anbieterwechsel. (Foto: Jörg Buschmann)

Die Folge: Selbst bei kleinsten formalen Schieflagen beginnt die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 355 Absatz 2 vorgegebene Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht. Ist das der Fall, kann der Widerruf jederzeit erklärt und ein Darlehen beendet werden wie ein Miet- oder Arbeitsverhältnis. Das Widerrufsrecht verjährt nicht. Genau diesen Trumpf haben immer mehr Verbraucher ausgespielt.

Aber: "Es ist schwieriger geworden als noch vor ein, zwei Jahren, sich mit dem Baufinanzierer zu einigen", sagt Madeleine von Rügen, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht der Kanzlei Gansel aus Berlin, die täglich mit der schwierigen Materie befasst ist und schon 21 000 Verträge geprüft hat. Anders als die Banken, die sich querstellen, gebe es auch viele, die durchaus an einem Vergleich mit den Verbrauchern interessiert seien. "Wir lassen uns nicht abschrecken", betont von Rüden. Es lohne sich nach wie vor, gegen falsche Widerrufsbelehrungen vorzugehen. Die Erfolgsaussichten seien immer abhängig vom Einzelfall.

Von falschen Widerrufsbelehrungen profitieren können unter anderem Bankkunden, die vor ein paar Jahren ihren Baukredit noch zu Zinsen um die fünf Prozent abschlossen. Vorzeitiges "Freikaufen" rechnet sich für sie nicht. Banken verlangen so hohe Vorfälligkeitsentschädigungen, dass jede Zinsersparnis verloren geht. Der formale Fehler kann hier nach wie vor ein guter Hebel sein, um mit der Bank über bessere Zinsen zu verhandeln.

Wer bei seinem Kredit die Reißleine ziehen will, sollte sich einen Fachanwalt suchen

Profitieren können auch all jene, die bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen mussten. Sie haben die Chance, sich das Geld zurückzuholen. Oder Kunden, die so drastisch hohe Ablösesummen zahlen sollen, dass sie sich den Ausstieg aus einem Vertrag bislang nicht leisten konnten. Selbst für Kunden mit Forward-Darlehen, mit dem sie sich für die Anschlussfinanzierung gegen steigende Zinsen absichern wollten, kann eine falsche Widerrufsklausel zum Joker werden. Entgegen aller Prognosen wurde Baugeld seit Juli 2008 nämlich nicht teurer, sondern immer billiger. Wer sein Forward-Darlehen nicht mehr will, muss der Bank aber eine happige Nichtabnahmeentschädigung zahlen. Auch hier könne sich ein Widerruf lohnen, ist Bankrechtsanwalt Mathias Nittel aus München überzeugt.

Wer bei seinem Kredit die Reißleine ziehen will, sollte sich einen guten Fachanwalt suchen rät Verbraucherschützer Scobel. Ist der Widerruf berechtigt, muss die Bank die Anwaltskosten übernehmen. Ist ein Vergleich unmöglich und der Fall landet vor Gericht, könne es für abtrünnige Kunden teuer werden, warnt Feck: "Das Prozessrisiko bewegt sich in meist fünfstelliger Höhe." Allein in der ersten Instanz könnten die Prozesskosten etwa zehn Prozent der Restdarlehenshöhe ausmachen.

"Ohne Rechtschutzversicherung zu klagen, kann riskant sein", gibt von Rüden zu bedenken. Mit einer älteren Police sind Bauherrn meist auf der sicheren Seite. Altverträge decken Streitigkeiten um den Widerruf von Baudarlehen meist noch ab. Neuere schließen eine Deckung inzwischen komplett aus. Streit um die Finanzierung eines Neubaus wird von keiner Versicherung gezahlt. Einen Ausweg aus dem Dilemma der Nichtversicherten will das neu gestartete Berliner Internetportal www.recht-ohne-risiko.de bieten. Es vermittelt neben Spezialanwälten auch gleich einen Prozessfinanzierer, der die Erfolgsaussichten abschätzt und die Kosten bestenfalls vorfinanziert. Die Erfolgsbeteiligung von 33 Prozent fließt nur, wenn die Bank im Widerrufskampf unterliegt.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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