Baufinanzierungen:Geld zurück für Bankkunden

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Zehntausende Bankkunden konnten alte Baukredite wegen Formfehlern widerrufen. Nun zeigt sich: Die Chance lässt sich auch für jüngere Verträge nutzen, die nach 2010 geschlossen wurden.

Von Berrit Gräber, München

Für Baufinanzierer ist es der nächste Schlag, für Millionen Baukreditkunden ein neuer Glücksfall: Wieder einmal ist ein Großteil von Hypothekendarlehen gespickt mit fehlerhaften Widerrufsklauseln. Betroffen sind diesmal jüngere Darlehensverträge, die ab 11. Juni 2010 geschlossen wurden. Finden Kunden darin formale Schnitzer, können sie den Kredit, das Forward-Darlehen oder die Vorfälligkeitsentschädigung für nichtig erklären. Wie schon beim ersten Widerrufsjoker für Altverträge zwischen 2002 und 10. Juni 2010 können Verbraucher auch diesmal wieder auf günstigere Zinsen umsatteln, Tausende Euro sparen oder Geld zurückholen. Aber: "Je jünger der Vertrag, desto weniger Ersparnis ist möglich", sagt Alexander Krolzik, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Hamburg.

Das galt für Altverträge

Seit 2. November 2002 steht Kreditnehmern bei Immobiliendarlehen ein Widerrufsrecht zu. Seither machten die Juristen von Banken und Bausparkassen jede Menge formaler Fehler, weil sie die gesetzliche Musterbelehrung eigenständig abwandelten. Die Folge: Selbst bei kleinsten Umformulierungen startet die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 355 Absatz 2 vorgegebene Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht. Der Vertrag ist nichtig. Zehntausende Verbraucher mit älteren Darlehen bis 10. Juni 2010 nutzten die Bankenfehler, um ihre hochverzinsten Darlehen von teilweise noch vier bis fünf Prozent auf das heutige, billigere Zinsniveau von ein bis zwei Prozent umzuschulden oder sich Geld aus längst abgelösten Verträgen zurückzuholen. Am 22. Juni 2016 erlosch das Widerrufsrecht für die Altverträge. Der Gesetzgeber hatte dem Schlupfloch aus teuren Finanzierungen einen Riegel vorgeschoben.

Viele schätzen den Wert ihres Häuschen zu hoch ein. Experten helfen dabei, realistische Preise zu finden. (Foto: Johannes Simon)

Das gilt heute

Auch in jüngeren Darlehensverträgen, die ab dem 11. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geschlossen wurden, wimmle es wieder vor Vertragsfehlern, erklärt Timo Gansel, Fachanwalt in Berlin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Er geht davon aus, dass mindestens jedes zweite Darlehen hinfällig ist. Diesmal hake es nicht nur bei den Widerrufsinformationen, die wieder häufig nicht eins zu eins den Mustervorlagen des Gesetzgebers entsprächen. Auch bei den sogenannten Pflichtangaben für Verbraucher gebe es viele Lücken. Die Folge: Die Widerrufsfrist beginnt nicht zu laufen. Kunden können dann jederzeit auch aus den jüngeren Darlehen aussteigen und mit der Bank um bessere Zinskonditionen verhandeln. Der neue Widerrufsjoker ist nicht befristet. Auch fehlerhafte Immobiliendarlehen ab 21. März 2016 lassen sich widerrufen. Aber nicht ewig: Für diese Verträge erlischt das Widerrufsrecht nach einem Jahr und 14 Tagen ab Vertragsschluss.

Das ist zu tun

Wer einen jüngeren Vertrag hat, sollte ihn auf mögliche Fehler überprüfen lassen, rät Hartmut Schwarz, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Bremen. Die Mühe kann sich vor allem bei Darlehen bis Mitte 2014 lohnen, als Kunden noch Zinsen von mehr als 2,5 Prozent pro Jahr zahlen mussten. Interessant kann ein Check auch für Kreditnehmer werden, die in den vergangenen sechs Jahren hohe Vorfälligkeitsentschädigungen zahlen mussten - oder noch zahlen sollen. Für Kunden mit Forward-Darlehen können formale Bankenfehler ebenfalls zum Joker werden.

Das sind typische Fehler

Die Chancen stehen gut, wenn beispielsweise in den Widerrufsinformationen die Rede ist von einer "zuständigen Aufsichtsbehörde", die aber im Vertrag gar nicht benannt wird. Oder wenn der Mustertext nur um ein einziges Wörtchen verändert wurde. Zu den Schnitzern zählt oft zudem, dass Banken bei den Pflichtangaben vergaßen, Formalien wie die Höhe des Effektivzinses, die Feuerversicherung und andere Kosten aufzuführen. Juristische Laien können einen Widerruf selbst formulieren (www.test.de/musterbriefe_kreditwiderruf). Weil die Materie aber noch komplexer ist als bei den Altfällen, sollten sie besser die Unterstützung durch Verbraucherzentralen und Anwälte in Anspruch nehmen, empfiehlt Krolzik.

So kann es sich lohnen

Gibt es einen spürbaren Unterschied zwischen dem Zins des Baukredits und dem heutigen Zins, können Kreditnehmer nach wie vor viel Geld sparen. Beispiel: Familie Müller nahm im Juli 2010 exakt 300 000 Euro auf, mit zehn Jahren Laufzeit, zu 4,5 Prozent Zinsen, ein Prozent Tilgung und einer Monatsrate von 1375 Euro. Die Bank kam den Müllers wegen des fehlerhaften Vertrags entgegen und bot eine Umschuldung der Restschuld auf zwei Prozent Nominalzins bei gleicher Ratenhöhe an. Die rechnerische Ersparnis bis 2020: 35 415 Euro. Auch bei Vorfälligkeitsentschädigungen oder Nichtabnahme von Forward-Darlehen lassen sich zum Teil hohe Summen sparen, wenn der Widerrufsjoker sticht. Aber: Je günstiger das Zinsniveau im Vertrag, desto weniger lohnt es sich zu widerrufen, betont Schwarz: Die Anwaltskosten zehren das Sparpotenzial auf.

Das sind die Risiken

Die Mehrzahl der Baufinanzierer scheint inzwischen bereit zu sein, Kunden trotz ihres Widerrufs zu halten und ihnen einen Umstieg auf günstigere Zinsen anzubieten. Allein weil Banken nicht mehr durchgehend blockieren, sei ein Ausstieg aber noch kein Spaziergang, warnt Experte Krolzik. Auch die Kosten der Auseinandersetzung seien nicht zu unterschätzen. Fachanwälte arbeiten nicht umsonst. Wer eine ältere Rechtschutzversicherung hat, ist meist auf der sicheren Seite. Altverträge decken Widerrufs-Streitigkeiten meist noch ab - neuere jedoch nicht mehr.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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