Banker vor Gericht:Die trickreichen Elf

Lesezeit: 3 min

"Es ist schwer zu sehen, wie uns die traditionellen Heilmittel des Liberalismus in der Welt, in der wir jetzt leben, irgendwie eine Hilfe sein sollen." - Londoner Skyline (Foto: imago stock&people/imago/ZUMA Press)

In London beginnt der Prozess gegen Banker, die Zinssätze manipuliert haben sollen. Sechs von ihnen kommen von der Deutschen Bank.

Christian Bittar sitzt in der Glasbox ganz hinten, an der Wand: dunkler Anzug, Krawatte, gepflegter Dreitage-Bart. Die Angeklagten verfolgen das Verfahren in Saal 1 des Westminster Magistrates' Courts in London hinter einer Scheibe. Fünf Männer und eine Frau müssen sich verantworten. Der Franzose Bittar, einst ein Star-Händler der Deutschen Bank, gehört zu den Schlüsselfiguren in diesem Prozess um die Manipulation des Euribor, eines wichtigen Zinssatzes. Als die Richterin seine Personalien wissen will, steht er auf und erklärt mit sanftem französischen Akzent, dass er 12. Januar 1972 geboren sei. An diesem Dienstag wird der Banker also 44. Er sieht älter aus.

Und sein Auftritt vor Gericht am Montag beschert ihm kein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk. Im Gegenteil verlangt die Richterin von ihm die höchste Kaution unter den sechs Angeklagten. Eine Million Pfund muss Bittar bis Freitag, 17 Uhr, überweisen, wenn er seine Freiheit vorerst behalten will. Die Juristin begründet dies mit den "ernsten" Vorwürfen gegen die Banker, die zu einer "beträchtlichen" Strafe führen könnten. Bittar wird das nicht ruinieren. Allein im Krisenjahr 2008 sprach ihm die Deutsche Bank fast 90 Millionen Pfund Bonus zu - als Dank für die fetten Gewinne, die er dem Konzern bescherte.

Doch das ist schöne Vergangenheit. Die Gegenwart ist trister: Das Serious Fraud Office, die Londoner Behörde für Fälle schwerer Wirtschaftskriminalität, wirft Bittar sowie zehn weiteren Bankern Verschwörung zum Betrug vor. Bittar, den die Deutsche Bank 2011 entließ, bestreitet seine Schuld.

Ihn vertritt ein prominenter Anwalt - Alexander Cameron ist der Bruder des britischen Premierministers.

Vier der deutschen Angeklagten bleiben dem Prozess fern

Es ist nicht das erste und nicht das letzte Verfahren gegen Banker, die Zinssätze frisiert haben sollen. Aber es ist ausgesprochen unangenehm für die Deutsche Bank. Denn sechs der Angeklagten waren oder sind für das Dax-Unternehmen tätig. Vier arbeiteten für den britischen Rivalen Barclays und einer für Société Générale aus Frankreich. Am Montag erschienen vor Gericht allerdings nur vier Banker von Barclays sowie Bittar und ein immer noch bei der Deutschen Bank beschäftigter Händler. Die anderen vier Angeklagten, die früher bei dem Konzern angestellt waren, blieben fern. Die vier Deutschen begründeten das damit, dass die Frankfurter Staatsanwaltschaft ebenfalls gegen sie ermittele.

Der Vertreter der Anklage kündigte an, mit den Abwesenden in Kontakt zu treten. Ansonsten sei das ein "vollkommen klarer Fall für den Europäischen Haftbefehl". Sprich: Die Briten wollen zur Not eine Auslieferung der Deutschen erreichen.

Das Serious Fraud Office wirft den trickreichen Elf vor, von 2005 bis 2009 den Euribor manipuliert zu haben. Das ist wie der Libor ein sogenannter Referenz-Zinssatz. An diesen täglich ermittelten Werten orientieren sich Kredite und Wertpapiere im Volumen von 450 Billionen Dollar. Seit 2008 gehen Finanzaufseher weltweit dem Verdacht nach, dass Händler diese Sätze zum eigenen Vorteil gedreht haben. Banken zahlten daraufhin Milliarden-Strafen; im vorigen Frühjahr etwa einigte sich die Deutsche Bank mit Behörden auf 2,5 Milliarden Dollar Buße. Das Desaster war einer der Gründe für den Abtritt der alten Vorstands-Spitze des Instituts.

Im vergangenen Jahr begannen dann die Strafverfahren gegen einzelne Händler. Der Brite Tom Hayes war der erste Banker, der im August für die Manipulationen verurteilt wurde: zu happigen 14 Jahren. Die Berufungsinstanz verringerte das Strafmaß im Dezember allerdings auf elf Jahre.

Das ursprüngliche Urteil fällte der Southwark Crown Court in London - dort werden demnächst auch die Vorwürfe gegen die elf Banker verhandelt. Kein gutes Vorzeichen für den früheren Branchen-Star Bittar und seine zehn Mitangeklagten. Der Termin am Montag vor dem Westminster Magistrates' Court diente nur der Festlegung der Kaution.

Am Southwark Crown Court begann im Herbst zudem ein Verfahren gegen Mitarbeiter von Brokerfirmen, also Wertpapier-Handelshäusern, wegen der Manipulation des Libor-Zinssatzes. Hier wird ein Urteil in den kommenden Wochen erwartet. Vor dem gleichen Gericht müssen sich außerdem in wenigen Wochen weitere Händler der Bank Barclays verantworten. Auch ihnen wird Mauschelei beim Libor vorgeworfen.

In New York bekannte sich bereits im Oktober ein früherer Händler der Deutschen Bank schuldig, den Libor frisiert zu haben. Das Urteil soll kommende Woche verkündet werden. Das amerikanische Justizministerium bereitet offenbar Anklagen gegen weitere ehemalige Mitarbeiter des Geldhauses vor.

Die Prozesse zeigen, wie erschreckend einfach es war, die Zinssätze zu manipulieren. Sie wurden ermittelt auf Grundlage der Angaben von Banken: Die Institute teilten mit, wie viel Zinsen sie untereinander zahlen müssen. Händler wie der verurteilte Hayes verdienten ihr Geld damit, Wetten auf die Entwicklung der Zinssätze abzuschließen. Sie sorgten dafür, dass die Konzerne irreführende Daten schickten, damit sich der Satz in die gewünschte Richtung bewegt. Ein lukrativer Trick - für den manche Banker nun lange einsitzen werden.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: