Bankenrettung:Pläne für den Notfall

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Die Bank Monte dei Paschi di Siena sorgt derzeit in Finanzkreisen wieder für Gesprächsstoff. (Foto: Alessia Pierdomenico/Bloomberg)

Wenn ein Finanzinstitut in Schwierigkeiten gerät, sollen künftig Aktionäre und Gläubiger haften. Doch es gibt Zweifel, ob dies funktioniert. Denn der Praxistest steht noch aus. Was ist, wenn die Mittel für eine Rettungsaktion nicht ausreichen?

Von Norbert Hofmann

Die italienische Bank Monte dei Paschi sucht gerade wieder einmal dringend Geld. Gläubiger, die dem hoch verschuldeten Bankhaus mehr als fünf Milliarden Euro geliehen haben, sollen diese Forderungen freiwillig gegen Beteiligungen an dem Geldhaus eintauschen. Klappt es, könnte die Bank auch eine geplante Kapitalerhöhung zur Stärkung ihrer Finanzkraft durchführen. Kommen die Gläubiger der Bitte nicht nach, droht auch aus der Mobilisierung frischen Kapitals nichts zu werden. Dann allerdings müssen die Gläubiger damit rechnen, zwangsweise für die Schulden der Bank in Haftung genommen zu werden.

So sehen es die seit Jahresbeginn geltenden "Bail-in-Regeln" der EU vor, die im einheitlichen Abwicklungsmechanismus zur Sanierung in Schieflage geratener Banken festgezurrt wurden. Dieser Single Resolution Mechanism (SRM) wurde geschaffen, um der Notwendigkeit eines Bail-out vorzubeugen, bei dem beispielsweise der Staat die Schulden einer zahlungsunfähigen Bank übernimmt. Bei dem Bail-in dagegen werden bei einer Schieflage bestimmte Verbindlichkeiten wie etwa Anleihen, Optionen und spezielle Finanzinstrumente in haftendes Eigenkapital umgewandelt. "Denn Geldgeber, die an den Gewinnen einer Bank teilhaben oder ihr zumindest vertrauen, sollten dann auch für die Risiken haften", sagt Michael Schröder, Wissenschaftler am ZEW Mannheim.

Müsste am Ende doch wieder der Steuerzahler einspringen?

Können also Bundesbürger, die sich für den Fall von Bankenpleiten um ihre Sparanlagen und um Steuergelder sorgen, beruhigt sein? Nicht unbedingt, denn solche Risiken sind mit dem Abwicklungsmechanismus keineswegs ganz aus der Welt geschafft. In einer ZEW-Umfrage vom September bezifferten Finanzmarktexperten die Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten drei Jahren in der Euro-Zone eine Bank mit Steuergeldern gerettet werden muss, auf 45 Prozent. Wie viel der Staat in einem solchen Fall tatsächlich berappen muss, hängt vom Ausmaß der Krise ab. Denn in den neuen EU-Vorgaben für den Abwicklungsmechanismus ist eine sogenannte Haftungskaskade vorgesehen. Das heißt, dass nach den Anteilseignern wie etwa Aktionären auch Gläubiger herangezogen werden. Das sind zunächst einmal Anleger, die Anleihen und Genussrechte der Bank gezeichnet haben oder dieser Darlehen gewährt haben. "Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass am Ende der Haftungskette auch auf die Einlagen privater Sparer zugegriffen wird", sagt Schröder. Betroffen könnten private Spareinlagen sein, sofern sie über eine Summe von 100 000 Euro hinausgehen. Schröder rät deshalb dazu, größere Ersparnisse auf die drei Säulen des deutschen Bankensystems - also auf Privatbanken, Volksbanken und Sparkassen - zu verteilen.

Ob der Abwicklungsmechanismus überhaupt wie geplant funktioniert, ist in der Praxis noch nicht erprobt. Vorgesehen ist beispielsweise, dass auch Mittel aus dem mit Bankenabgaben gefütterten Abwicklungsfonds herangezogen werden, sobald Anleger und Gläubiger zu mindestens acht Prozent der Bilanzsumme an den Verlusten der Bank beteiligt wurden. Doch die Mittel aus diesem Fonds reichen möglicherweise noch nicht aus, da der Geldtopf von den Banken erst peu à peu gefüllt werden muss. Von Seiten der EU-Abwicklungsbehörde in Brüssel heißt es, dass bislang erst zehn Milliarden Euro zusammengekommen sind. Für eine große Rettungsaktion wäre das nicht genug,

Darüber hinaus ist der Abwicklungsmechanismus mit politischen und wirtschaftlichen Risiken verbunden. So droht einerseits der Unmut von Bürgern. "Viele Sparer sind betroffen, die eigentlich kein Geld bei der Bank angelegt haben, um zu investieren, sondern um dort ihre Ersparnisse aufzubewahren", sagt Daniel Stelter, Leiter der Denkfabrik beyond the obvious. Er warnt zudem: Wenn Eigentümer und Gläubiger haften, verschwindet Geld aus der Wirtschaft, was wiederum wie ein deflationärer Schock wirkt mit möglicherweise weitreichenden Folgen bis hin zu einer wirtschaftlichen Depression. Im schlimmsten Fall beschleunigt der Mechanismus die Krise eines angeschlagenen Bankensystems. "Überschuldeten Banken möchte niemand Geld geben - aus Angst, morgen bereits zu einem Bail-in herangezogen zu werden", sagt Stelter.

Auch Wissenschaftler haben so ihre Zweifel. "Der Bankenrettungsmechanismus SRM ist äußerst kompliziert und in der Umsetzung wahrscheinlich gar nicht praktikabel", sagt Hans-Peter Burghof, Professor an der Universität Hohenheim. Er verweist darauf, dass es mit dem Abwicklungsmechanismus allein nicht getan ist und Krisen eigentlich schon im Vorfeld bekämpft werden müssten. Burghof fordert ebenso wie der Bundesfinanzminister eine hoch qualifizierte unabhängige Bankenaufsicht. Tatsächlich aber werden die 129 von der EZB als systemische Risiken eingeschätzten Großbanken in Europa mit einer Bilanzsumme von mindestens 30 Milliarden Euro von der zentralen EZB-Bankenaufsicht überwacht. Umstritten dabei: Die Notenbank verfolgt viele weitere Interessen, zu denen die Währungsstabilität und - in ihrer versteckten Agenda - auch Konjunktur- und Staatsschuldenpolitik gehören. "Hier können massive Interessenkonflikte entstehen, die der Wirksamkeit der Bankenaufsicht schaden können", sagt Burghof. Er würde sich zudem für kleinere Institute wie Volksbanken und Sparkassen nicht die gleiche Regulierungswucht wünschen wie für Großbanken.

Die Deutsche Bundesbank betont zwar, dass die Kernkapitalquote deutscher Banken seit 2008 von durchschnittlich 9,1 auf 15,7 Prozent gestiegen und der Sektor heute deutlich besser gegen gesamtwirtschaftliche Schocks gewappnet ist. Doch für dauerhafte Widerstandsfähigkeit fehlt es an Profitabilität. "Die deutschen Banken leiden unter einer nachhaltigen Ertragsschwäche", warnte Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2016. Hinzukommt, dass die europäischen Banken weiterhin bedenkliche Altlasten an notleidenden Krediten mit sich schleppen. "In der Euro-Zone dürften die von Banken und Versicherungen finanzierten Schulden, für die eine Tilgung unwahrscheinlich ist, bei drei bis fünf Billionen Euro liegen", sagt Ökonom Stelter.

Vielleicht würde zwar bei einer drohenden Bankenkrise wieder die EZB durch den Kauf von Bankanleihen oder durch Bereitstellung zusätzlicher Liquidität gegen schwache Sicherheiten eingreifen. Vielleicht kann auch der Abwicklungsmechanismus zu einer Rettung beitragen. Wenn nicht oder wenn das nicht ausreicht, wird doch der Staat gefordert sein. "Für den Fall einer drohenden Systemkrise ist es ein leeres Versprechen, dass der deutsche Steuerzahler nicht für eine Bankenrettung zur Kasse gebeten wird", sagt Wissenschaftler Burghof.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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