Bahn-Streik:Aufmüpfige Lokführer fahren wieder - vorerst

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Die Lokführergewerkschaft GDL hat am Donnerstag ihren zweiten Streik innerhalb einer Woche beendet. Regional- und S-Bahn-Verkehr in ganz Deutschland sind davon beeinträchtigt. Erst am frühen Abend sollten die Züge bundesweit wieder nach Plan fahren.

Der bundesweite Lokführerstreik hat am Donnerstagmorgen den regionalen Bahnverkehr vor allem in Ostdeutschland stark behindert. Wie angekündigt beendete die Lokführergewerkschaft GDL ihren Ausstand um 11.00 Uhr. Ob sie auch am Freitag zu Streiks aufruft, wollte die Gewerkschaft am Nachmittag mitteilen.

Die Bahn erwartet, dass sie am frühen Abend wieder "das volle Programm" fahren kann. Erhebliche Beeinträchtigungen durch den Streik gab es auch in Frankfurt/Main und in München. Hunderttausende Pendler waren betroffen. Trotz des Streiks seien insgesamt aber rund die Hälfte alles Regional- und S-Bahnen gefahren, teilte die Bahn mit.

Nach GDL-Angaben standen 70 bis 80 Prozent der Züge im Regional- und S-Bahnverkehr still. "Im Interesse der Reisenden hoffen wir auf Gespräche, auf ein vernünftiges, verhandlungsfähiges Angebot", sagte GDL-Vize Günther Kinscher. Die Bahn forderte den Kontrahenten indes erneut auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Einem Sprecher zufolge sollte es am Donnerstag aber kein neues Tarifangebot geben.

Der Ausstand begann in der Nacht um 2.00 Uhr. Viele Pendler stiegen auf das Auto um, was dem ADAC zufolge vor allem im Münchener Raum für erhebliches Verkehrschaos auf den Straßen führte.

Mit der Arbeitskampfmaßnahme will die GDL einen eigenen Tarifvertrag für die Lokführer durchsetzen. Die Bahn hatte am Montag ein neues Angebot vorgelegt. Es orientiert sich wiederum an dem Abschluss, der im Sommer mit den Gewerkschaften Transnet und GDBA erzielt wurde: 4,5 Prozent mehr Geld zum 1. Januar 2008 sowie eine Einmalzahlung von 600 Euro. Ferner schlug die Bahn Mehrarbeit vor, um den Lokführern ein höheres Einkommen zu ermöglichen.

Dienstpläne mitarbeiterfreundlicher

Überdies sollen nach dem Vorschlag rund 100 Überstunden des laufenden Jahres ausbezahlt werden - was 1400 Euro brutto ergibt. Die Bahn sagte außerdem zu, die Dienstpläne mitarbeiterfreundlicher zu gestalten als bisher.

Überdurchschnittlich stark war Ostdeutschland vom Streik betroffen, dort fielen im Schnitt rund 80 Prozent der Regionalzüge aus. Im Fern- oder Güterverkehr gab es Beeinträchtigungen. Der GDL ist es gerichtlich untersagt, in diesen Bereichen zu streiken.

Um die Folgen für die Kunden etwas abzumildern, setzte die Bahn rund 200 Busse sowie rund zusätzliche 1000 Mitarbeiter im Servicebereich ein, die Hotline wurde ausgebaut. Für Ersatzfahrpläne sei der Streik zu kurzfristig anberaumt worden. Bahn-Vorstandsmitglied Karl-Friedrich Rausch sagte: "Es ist unerträglich, dass eine kleine Gruppe von bundesweit rund 1400 Streikenden versucht, Deutschland lahmzulegen."

Bahn und Gewerkschaft machten sich gegenseitig für die Blockade im Tarifstreit verantwortlich. "Wir sind bereit, zu verhandeln. Wir warten nur darauf, dass die GDL wieder an den Verhandlungstisch kommt", sagte Rausch. Ein Sprecher der Bahn verwies erneut auf das vorliegende Angebot, das die GDL zurückgewiesen hat. "Wir haben ein sehr gutes Angebot mit zehn Prozent Lohnsteigerung gemacht", sagte er.

"Wir haben der GDL wiederholt angeboten, Verhandlungen zu führen. Dies wurde jedes Mal vom Tisch gewischt." Umgekehrt wiederholte die GDL ihre Forderung an die Bahn. "Die Bahn soll nun endlich ein Angebot vorlegen, das besser ist als bezahlte Überstunden", sagte eine Sprecherin.

Da die Bahn am Donnerstag kein neues Angebot vorlegen wollte, drohen am Freitag weitere Streiks. Die GDL hatte dies bereits am Mittwoch angedroht und wollte sich dazu im Laufe des Donnerstags äußern. Die Bahn weiß davon nach eigenen Angaben noch nichts. "Das muss die GDL entscheiden", sagte der Sprecher.

Die GDL hat weitere Ausstände auch für kommende Woche angedroht, wenn der Konflikt anhält. Sie fordert weiter einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer und deutliche Lohnsteigerungen. Die Bahn lehnt die Forderung nach einem eigenständigen Vertrag ab und will die Tarifeinheit wahren.

GDL-Vize Weselsky forderte erneut die Bundesregierung zum Eingreifen auf. "Der Bund als Eigentümer steht in der Verantwortung", sagte Weselsky der Neuen Presse. "Wir fordern den Eigentümer auf, seine Verantwortung wahrzunehmen und den Tarifkonflikt zu beenden, indem er auf den Bahnvorstand einwirkt."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, zu welchen Irritationen der Kuraufenthalt von GDL-Chef Manfred Schell führt

Angesichts der erneuten Streiks bei der Bahn wächst der Unmut über den Kuraufenthalt des GDL-Vorsitzenden Manfred Schell. Die Bahngewerkschaft GDBA und der Fahrgastverband ProBahn fordern die Rückkehr Schells an den Verhandlungstisch, wie die Bild-Zeitung schreibt.

"Wenn man kämpfen will, muss man richtig kämpfen und vor Ort sein", sagte der ProBahn-Vorsitzende Karl-Peter Naumann. Der GDBA-Chef Klaus-Dieter Hommel verlangte laut der Zeitung indirekt sogar Schells Rücktritt.

"Augenblicklicher Hickhack"

"Der Fortgang der Verhandlungen kann nicht davon abhängen, ob Herr Schell zur Kur muss oder nicht", wird Hommel zitiert. Wenn der "augenblickliche Hickhack" weitergehe, müsse sich die GDL fragen lassen, ob sie noch den richtigen Vorstand habe, sagte der GDBA-Vorsitzende dem Bericht zufolge. Schell selbst verteidigte seinen Kuraufenthalt am Bodensee.

"Ich habe keine ernsthafte Erkrankung. Aber nach 50 Jahren im Berufsleben, ohne einen Tag gefehlt zu haben, habe ich gedacht: Jetzt ist es auch mal Zeit für eine Kur, quasi zum Abschied aus dem Berufsleben", zitiert die Zeitung den GDL-Vorsitzenden.

Der 64-Jährige will im Frühjahr 2008 seinen Posten als Gewerkschaftschef räumen. Laut GDL verschob Schell die Kur wegen des Tarifstreits bereits drei Mal.

© sueddeutsche.de/dpa/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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