Automobilindustrie:Nicht nur eine Kostenfrage

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Opel leidet, VW ist in der Krise - Managementfehler und flaue Nachfrage verursachen Probleme. Und doch: Der deutschen Autoindustrie geht es so schlecht nicht.

Von Jonas Viering

"Getragen von neuen Modellen übertrafen die Auftragseingänge aus dem In- und Ausland im September das bereits hohe Vorjahresergebnis nochmals um zwei Prozent", erklärte der Branchenverband VDA vor wenigen Tagen.

Die Zafira-Produktion im Opel-Werk Bochum. (Foto: Foto: dpa)

"Wir haben keine Branchenkrise, sondern Probleme bei einzelnen Herstellern", sagt auch der IG-Metall-Experte Nikolaus Schmidt. Opel und VW klagen vor allem über zu hohe Arbeitskosten.

Doch Firmen wie BMW kommen mit den gleichen Kosten am Standort Deutschland erstaunlich gut zurecht. "Die Personalkosten sind nicht das primäre Problem", erklärt Stephan Droxner, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg - eine der Sozialromantik unverdächtige Institution.

"Wichtiger sind die Marktanteilsverluste von Opel und VW." Seit 1999 sei dieser Anteil bei Opel in Westeuropa um fast ein Fünftel auf neun Prozent gesunken.

Aufspaltung des Marktes

Entscheidend ist hier die Aufspaltung des Marktes vor allem in Deutschland, so urteilen übereinstimmend die Experten: Die Käufer entscheiden sich in der aktuell schwierigen Wirtschaftssituation entweder für ein teures Auto mit gutem Image, etwa von BMW, oder sie suchen ein preisgünstiges Gefährt und nehmen einen Koreaner - mit zuletzt plus 26 Prozent Absatz.

Luxus pur versus Geiz ist geil: Verlierer ist die Mittelklasse, und genau auf die haben sich Hersteller wie Opel und VW konzentriert. Grundsätzlich ist auch Ford betroffen; der Konzern hat bereits im vergangenen Jahr mit Kapazitätsabbau in Belgien und Großbritannien reagiert.

Im so genannten Premiumsegment sind die Gewinnspannen deutlich größer als im Massengeschäft. Das ist ein Grund, warum sich BMW so viel besser schlägt als etwa VW. Den Bayern geht es gut: Neun Prozent mehr Absatz haben sie in diesem Jahr in Westeuropa verzeichnen können.

"Managementfehler"

Ein anderer Grund ist aber die Produktpolitik bei Opel und VW - "Managementfehler", wie Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen es in aller Härte nennt.

VW habe in der Vergangenheit "die Brot-und-Butter-Autos" vernachlässigt, so Dudenhöffer. "Die machen einen Golf mit einer ganz tollen neuartigen Hinterachse, von der bloß der normale Fahrer leider nichts merkt", erklärt der Experte.

"Da steigt der Preis und die Nachfrage sinkt." Außerdem seien anderswo sehr erfolgreiche Nischenmodelle wie Cabrios vernachlässigt worden - "aber inzwischen geht VW in die richtige Richtung."

Sogar Mercedes geriet kurzfristig ins Schlingern: Bei der A-Klasse musste nach dem blamablen Elchtest ein teures Stabilisierungssystem eingebaut werden, ohne dass der Preis angehoben werden konnte.

DaimlerChrysler hat aber mit der IG Metall erst kürzlich ein Kostensenkungsprogramm vereinbart. Opel leidet, so Dudenhöffer, unter dem Image "langweiliges Design, Billigprodukt, schlechte Pannenstatistik". Auch hier hat der Konzern reagiert, die neuen Fahrzeuge sind laut Dudenhöffer besser, aber der Wandel kam offenbar zu spät.

"Harte Schnitte nötig"

Eine Altlast sind auch die Überkapazitäten, die im Massengeschäft aufgebaut worden sind. "Die Autoindustrie ist sehr empfindlich durch ihre hohen Fixkosten", erklärt Rolf Woller von der HypoVereinsbank.

Vor allem Opel habe die Absatzchancen falsch eingeschätzt; Premiummarken mit ihren kleineren Produktionszahlen sind da weniger betroffen. "Hier sind harte Schnitte nötig", so Dudenhöffer.

BMW ist aber nicht bloß erfolgreich, weil es eine Premiummarke ist. Der Konzern stimmt sich besonders gut mit seinen Zulieferern ab. "Gewinner am Markt sind nicht diejenigen, die den härtesten Preisdruck auf ihre Teile-Hersteller ausüben", sagt Analyst Woller.

Nach Aussage der Zulieferer könnte etwa VW "richtig sparen", so Woller, wenn die Wolfsburger "mal bei einem Treibstoffschlauch die Standards und das Design vereinheitlichen würden".

Vor dem Hintergrund von Managementfehlern und flauer Inlandsnachfrage werden am Ende dann doch die Arbeitskosten relevant, wie sogar der Gewerkschaftsexperte einräumt.

Haustarif über Flächentarif

Ein spezielles Phänomen ist der Haustarif bei VW, der zwanzig Prozent über dem Flächentarif liegt. Aber auch die übrigen Autokonzerne zahlten im Schnitt zehn Prozent über Tarif, heißt es im Arbeitgeberlager: "Da ist noch Luft".

Dramatisch ist der Vergleich mit dem Ausland: Schon in Frankreich sind laut Verband der Deutschen Autoindustrie die Lohnkosten mit 23 Euro in der Stunde ein Drittel niedriger als in Deutschland mit 33 Euro.

Zwar geht dies nur mit 13 bis 15 Prozent in die Herstellungskosten ein, aber im Massengeschäft kann ein Preisunterschied von tausend Euro kaufentscheidend sein.

© SZ vom 15.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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