Automatenbranche unter Druck:Spiel mit verschärften Regeln

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Jahrelang haben sich Spielhallen im ganzen Land ausgebreitet, zum Entsetzen vieler Stadtoberhäupter. Nun reagiert die Politik mit scharfen Auflagen, die das Ende dieser Geschäfte bedeuten könnten. Der Scheckbuch-Lobbyismus der Branche funktioniert nicht mehr.

Von Klaus Ott

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly hat von den vielen Spielhallen in seiner Stadt und anderswo schon lange die Nase voll. "Es blinkt und surrt und klappert", schimpft der OB über die aufdringliche Leuchtreklame. Und ärgert sich darüber, dass im Umfeld der Automatensäle die Lebensqualität sinke, weil sich dort dann immer mehr Wettbüros, Fastfood-Theken und Billigläden ansiedelten.

Mit diesen Worten hat das fränkische Stadtoberhaupt bereits im Herbst 2011 die Politiker in Land und Bund dazu aufgefordert, endlich etwas zu unternehmen gegen die "Spielhöllen", die sich immer mehr breitmachten. Allein in Nürnberg sei seit 1998 die Zahl der Spielhallen von 55 auf 144 gestiegen, die Zahl der darin aufgestellten Automaten von 488 auf knapp 1400. "Der Wildwuchs muss gebremst werden", verlangte Maly.

Der Ruf des Nürnberger OB und der vieler anderer Stadtoberhäupter ist erhört worden. Die Bundesländer haben ein Gesetz erlassen, das unter anderem längere Sperrzeiten und später die Schließung großer Spielhallen ermöglicht. Viele Regionen wenden das neue Recht inzwischen an. Jetzt zieht die Bundesregierung nach. Wirtschaftsminister Philipp Rösler von der FDP plant zusätzliche Regeln, mit denen die Spielhallen weiter eingeschränkt werden sollen. Die Gäste würden den Spaß am Spiel verlieren, klagt die Automatenbranche und drängt darauf, die vorgesehenen Vorschriften zu entschärfen. Doch dafür dürfte es zu spät sein.

Jetzt hat es Rösler auf einmal eilig

Am vergangenen Freitag hat Röslers Ressort die neue Verordnung den Branchenverbänden, dem Deutschen Städtetag, Fachverbänden zur Bekämpfung der Spielsucht und anderen betroffenen Organisationen mit der Bitte um Stellungnahme geschickt. Schon an diesem Donnerstag sollen die Antworten vorliegen. Bereits 2011 hatte das Wirtschaftsministerium ähnliche Vorschläge präsentiert, bislang aber nicht umgesetzt. Jetzt hat es FDP-Chef Rösler plötzlich ganz eilig. Die ersten Einschränkungen sollen offenbar noch vor der Bundestagswahl im September wirksam werden.

Jahrelang sind die Kritiker der Glücksspielindustrie vergeblich Sturm gelaufen gegen die Spielhallen, die sich ständig ausbreiteten. Die für das Glücksspielwesen verantwortlichen Politiker in Bund und Länder sahen meist tatenlos zu oder erleichterten sogar die Eröffnung neuer Automatensäle, die sich mal Las Vegas und mal Casinothek nennen. Oder Royal, obwohl in ihnen wenig Königliches zu finden ist. Dafür immer neue Spielgeräte, die zum Zocken verlocken und deren Reiz schon viele Menschen erlegen sind, ebenso wie in den meist staatlichen Kasinos.

Die Zahl der Spielsüchtigen in Deutschland soll in die Hunderttausende gehen. Eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums über die Spielhallen führte zu alarmierenden Ergebnissen. Die Hälfte der befragten Besucher gab an, sie hätten "die Kontrolle über das Spielen verloren". Und knapp ein Viertel der Leute erklärte sogar, sie müssten sich in ihrem Leben finanziell "sehr einschränken", weil viel Geld für die Automaten draufgehe.

Seit April 2010 liegen diese Erkenntnisse vor, doch von dem damaligen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hatten die Spielhallenbetreiber nicht viel zu befürchten. Man verstand sich gut. So gut, dass Deutschlands Spielhallen-König Paul Gauselmann und seine Branche vor Jahren sogar eine Veranstaltung zu Ehren von Brüderle im Kurfürstlichen Schloss in Mainz gesponsert hatten.

Brüderle war zu der Zeit noch Chef der FDP in Rheinland-Pfalz gewesen und einer der vielen Ansprechpartner der Automatenindustrie vor allem in der FDP. Gauselmann, einer der letzten Patriarchen in der deutschen Wirtschaft, hat über Jahrzehnte hinweg ein einzigartiges Imperium aufgebaut. Ein Imperium, das vom westfälischen Espelkamp aus Spielhallen im In- und Ausland mit den neuesten Geräten beliefert und zu dem viele eigene Spielotheken der Marke Merkur gehören.

Ein Netzwerk, das seinesgleichen sucht, hat der inzwischen 78-jährige Konzernherr auch noch geschaffen. Viele Jahre lang hat der Patriarch Spendenschecks seiner Familie und seiner Führungskräfte an Bundestagsabgeordnete verschickt. Zufälligerweise mit Beträgen unterhalb der Grenze, ab der die Parteien ihre Geldgeber öffentlich nennen müssen. Lange Zeit hat der Scheckbuch-Lobbyismus funktioniert, doch die Gesellschaft hat sich geändert. Praktiken, die früher als schlitzohrig galten, werden mittlerweile als anstößig empfunden.

Wer sich nicht geändert hat, ist Gauselmann. Er glaubt nach wie vor, seine Branche und seine Art und Weise bestmöglich zu vertreten. Mit seinem Netzwerk. Mit aggressiven Sprüchen gegen alle jene, die dem Automatengewerbe Fesseln anlegen wollen und den Schutz der Bürger vor der Spielsucht als Grund nennen. Das sei oftmals nur vorgeschoben, entrüstet sich der Spielhallen-König. Viele Politiker wollten doch nur das staatliche Glücksspiel, also Lotto und Kasinos, vor kommerzieller Konkurrenz schützen. Von "brutaler Gewalt" gegen die Automatenbranche spricht Gauselmann und nimmt dabei manchmal sogar das Wort "Mafia" in den Mund.

Doch diese Haudrauf-Rhetorik verfängt nicht. Eine Auflage folgt auf die nächste, bis am Ende womöglich kein Geschäft mehr zu machen ist in den Spielhallen. Hersteller, Händler und Betreiber von Automaten fürchten um ihre Existenz. Jetzt, da die Not groß ist, soll ein Dachverband für das bislang in mehrere Organisationen zersplitterte Gewerbe her.

Vergangenen Donnerstags besprachen gut 25 Branchenvertreter in Berlin dieses Vorhaben. Und den Plan, sich einen Externen zu holen, der die Spielhallen nach außen hin gut verkauft. "Polit- und Medienprofi gesucht, der umstrittene Branche überzeugend repräsentiert", könnte die Stellenanzeige laufen. Gauselmanns Zeit als Spielhallen-König, der seinen Kollegen den Weg weist, neigt sich wohl dem Ende zu. Die Glücksspielindustrie will sich offenbar reformieren, um ihren Untergang zu verhindern.

© SZ vom 26.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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