Autobauer ringen um Milliardenhilfen:"Kein VEB Opel"

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Die US-Autoindustrie ersucht die Politik um Hilfe: General Motors, Chrysler und Ford fordern 25 Milliarden Dollar vom Staat. Unterdessen äußert Brüssel Vorbehalte gegenüber dem Rettungspaket für Opel.

C. Gammelin, M. Koch, H. Schwarz u. G. Bohsem

Nach der grundsätzlichen Einigung deutscher Politiker auf Staatshilfen für den angeschlagenen Autobauer Opel werden Forderungen nach einer europäischen Lösung lauter. Vorstand und Betriebsrat von Opel verweisen auf die Probleme des Mutterkonzerns GM. In Amerika ist ein Machtkampf zwischen Demokraten und Republikanern um die Rettung der Autoindustrie ausgebrochen.

GM-Chef Rick Wagoner (rechts) und Chrysler-Chef Robert Nardelli bei der Anhörung vor dem US-Senat: Von der US-Regierung sollen Hilfen kommen, das deutsche Hilfspaket für Opel soll aber nicht in den USA landen. (Foto: Foto: AP)

Ein Bund-Länder-Treffen im Bundesfinanzministerium verständigte sich am Dienstag auf mögliche Hilfen für Opel und folgte damit der Linie, die die Bundesregierung am Vortag eingeschlagen hatte.

Offen blieb, auf welchem Weg Opel Hilfen des Staates erhalten könnte und wie die Kosten aufgeteilt werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung braucht Opel im "schlimmsten Fall" eine Bürgschaft von 1,8 Milliarden Euro. Dabei gehe es um 1,3 Milliarden Euro für 2009 und 500 Millionen für 2010. Bislang war von etwas mehr als einer Milliarde Euro die Rede gewesen, falls Opel sich bei einer möglichen Pleite von GM nicht mehr selbständig finanzieren könnte.

"Opel ist liquide - General Motors ist in der Krise"

GM-Europachef Carl-Peter Forster hat diesen Fall jedoch als äußerst unwahrscheinlich bezeichnet. Die Bundesregierung will bis Weihnachten eine Konstruktion erarbeiten, mit der verhindert wird, dass das Geld deutscher Steuerzahler in die USA abfließen könnte.

Opel ist nach eigenen Angaben unter anderem deshalb in Schwierigkeiten geraten, weil GM sich weigert, zwei Milliarden Euro Schulden bei seiner Tochter zu begleichen. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Klaus Franz sagte der SZ: "Opel ist liquide. General Motors ist in der Krise."

Zur Debatte über eine Herauslösung oder gar Verstaatlichung von Opel sagte Franz: "Ich kann mir einen volkseigenen Betrieb Opel nicht vorstellen." GM werde das Unternehmen auch nicht aus dem Firmenverbund gehen lassen.

Allerdings forderte er von GM, es müsse ein neues europäisches Geschäftsmodell gefunden werden: "Die Region Europa von GM und damit Opel braucht mehr Selbständigkeit und Verantwortung."

Die europäischen Gremien pochen trotz Finanz- und Wirtschaftskrise darauf, bestehende Regeln einzuhalten. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte, sie werde "streng" prüfen, ob mögliche Staatshilfen für Automobilkonzerne die Regeln des fairen Wettbewerbs erfüllten. Dies sei umso wichtiger, weil nach der Automobilwirtschaft weitere Branchen Hilfen beantragen könnten. Kroes plädierte dafür, mögliche nationale Hilfen europaweit abzustimmen.

Europäisches Konjunkturprogramm

Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker hatte sich am Montag in Straßburg ebenfalls dafür ausgesprochen, über ein Rettungskonzept auf europäischer Ebene zu verhandeln.

Die Regierungen der Länder, die Fahrzeuge herstellten, "müssen sich zusammensetzen", sagte Juncker. Kroes und Juncker liegen damit auf dem von den europäischen Staats- und Regierungschefs beschlossenen Kurs. Diese hatten auf ihrem Gipfeltreffen Mitte Oktober in Brüssel vereinbart, die Folgen der Wirtschaftskrise mit "koordinierten Maßnahmen" zu mildern. Sie beauftragten die Europäische Kommission, ein entsprechendes Konjunkturprogramm zu erarbeiten. Es soll am Mittwoch nächster Woche in Brüssel vorgestellt werden.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Staatshilfen für die Autoindustrie Demokraten und Republikaner spaltet.

In den USA ist unterdessen ein Machtkampf zwischen Demokraten und Republikanern um die Autoindustrie ausgebrochen. Die Demokraten brachten ihre Pläne für ein 25 Milliarden Dollar schweres Kreditpaket in den Senat ein. Das Geld für GM, Ford und Chrysler soll aus dem Fonds für den Finanzsektor abgezweigt werden. Die Republikaner lehnen dies ab und verweisen auf ein bestehendes Hilfsprogramm. Lobbyisten versuchen seit Wochen, dem Kongress Nothilfen für die Autoindustrie abzuringen.

Eine Pleite der drei großen US-Hersteller hätte katastrophale Folgen für die gesamte Wirtschaft, behaupten sie. Jeder zehnte Arbeitsplatz in den USA hänge an der Autoindustrie. In der Nacht zum Mittwoch verliehen die Chefs der drei großen US-Autobauer mit Warnungen vor einem Kollaps der Autoindustrie ihrer Bitte um einen neuen Milliarden-Staatskredit Nachdruck.

Ein neuer Kredit in Höhe von 25 Milliarden Dollar (20 Milliarden Euro) sei nötig, "um die Liquiditätskrise zu überleben", sagte Chrysler-Vorstandschef Robert Nardelli am Dienstag vor einem US-Senatsausschuss. "4,5 Millionen Menschen hängen von dieser Industrie ab. Ohne Unterstützung könnten fast drei Millionen von ihnen binnen zwölf Monaten ihren Job verlieren." Neben Nardelli sagten Ford-Chef Alan Mulally und der Vorstandsvorsitzende von General Motors, Rick Wagoner, aus. Die Zeit drängt. Die Konzerne verbrennen ihre Kapitalreserven mit rasanter Geschwindigkeit.

Kredite gegen Optionen

Die Demokraten sind bereit, der Branche unter bestimmten Bedingungen zu helfen. Im Gegenzug für die Kredite fordern sie Aktienoptionen. Außerdem müssen die Unternehmen die Begrenzungen von Managergehältern und einen Stopp von Dividenden akzeptieren. Und schließlich müssen sie darlegen, wie sie angesichts einbrechender Absatzzahlen und Problemen am Kapitalmarkt wettbewerbsfähig und umweltfreundlich werden wollen.

Die noch bis Mitte Januar amtierende Regierung des republikanischen Präsidenten George W. Bush hat erbitterten Widerstand angekündigt. Eine Sprecherin des Weißen Hauses warf den Demokraten vor, die Autohersteller von harten, aber notwendigen Umstrukturierungen verschonen zu wollen. Der künftige Präsident Barack Obama hat der Branche Hilfe in Aussicht gestellt. Unklar ist aber, ob sich die Konzerne noch bis zu seiner Vereidigung am 20. Januar über Wasser halten können.

Um an Geld zu kommen, stieß GM seine Beteiligung an dem japanischen Autohersteller Suzuki ab. Auch Ford verscherbelt letzte wertvolle Besitztümer. Am Dienstag verkaufte das Unternehmen seine Anteile an Mazda für eine halbe Milliarde Dollar.

© SZ vom 19.11.2008/dpa/pak/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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