Auto-Lobbyist:Der Präsident distanziert sich

Lesezeit: 2 min

Matthias Wissmann erinnert die Chefs der Autohersteller an ihre Pflichten.

Von Klaus Ott, München

Solch ein Appell an die eigene Branche ist nicht alltäglich. Die Autoindustrie sei mit ihren technischen Neuerungen und ihrem wirtschaftlichen Erfolg ein "wichtiger Teil des Deutschlandbildes in der ganzen Welt", sagt der Cheflobbyist und Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Matthias Wissmann. "Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, diesen Ruf zu schützen." Überraschend deutliche Worte sind das, und noch viel überraschender ist, wem diese Mahnung gilt. Nämlich den Chefs von BMW und Daimler, von Volkswagen und den VW-Töchtern Audi und Porsche, die allesamt dem VDA-Vorstand angehören. Die fünf Konzernmanager wird es bestimmt nicht gefreut haben, vom eigenen Verbandschef derart und in aller Öffentlichkeit vorgeführt zu werden.

Was der ehemalige Verkehrsminister und CDU-Politiker Wissmann mit seinem Vorstoß bezweckt, ist leicht zu durchschauen. Der VDA, der bislang im politischen Berlin viel Einfluss hat und diesen nicht verlieren möchte, soll auf keinen Fall hineingezogen werden in die Debatte um mögliche Kartellverstöße der fünf großen deutschen Autohersteller. Den Vorwürfen, die fünf Konzerne hätten bei geheimen Treffen den Wettbewerb ausgehebelt, muss aus Sicht des VDA "konsequent nachgegangen werden". So steht es in einer Erklärung des Verbandes, der von den fünf Herstellern uneingeschränkte Kooperation mit den Behörden und "vollständige Aufklärung" verlangt.

So weit, so gut. Doch der Verband geht noch weit darüber hinaus. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dann wäre das "nicht nur justiziabel". Sondern auch Anlass für eine "kulturelle Neudefinition" in den betroffenen Unternehmen, heißt es in der Erklärung. Wissmann fordert also, sofern die Vorwürfe zuträfen, nichts weniger als einen Kulturwandel bei den großen Autoherstellern.

Eine Reaktion der Konzerne auf den Vorstoß gab es nicht. Doch vermutlich wird man bei der nächsten Vorstandssitzung des Automobilverbandes darüber reden.

Anlass für einen umfassenden Kulturwandel hätte es bisher schon zumindest bei Volkswagen gegeben. Der Abgasaffäre wegen, die inzwischen auch auf Daimler übergreifen könnte. Doch der Verdacht, die fünf großen deutschen Hersteller hätten ein Kartell zu Lasten ihrer Kunden und der halben Republik gebildet, trifft Deutschlands wichtigste Branche noch mehr. Die Autokonzerne sollen unter anderem ausgekungelt haben, wie sich beim Umweltschutz sparen ließe, was insbesondere zu Lasten der Anwohner an viel befahrenen Straßen in Großstädten gegangen wäre. Der Diesel-Gipfel bei der Bundesregierung in der kommenden Woche droht zum Fiasko für einen Industriezweig zu werden, dessen Wünschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bislang im Großen und Ganzen immer gefolgt ist. So sehr, dass ihr dies den Ruf der Autokanzlerin eingebracht hat.

Wissmann hat, ebenso wie die Konzernchefs, immer beste Beziehungen zur Regierung gepflegt und so kräftig dazu beigetragen, dass die Branche lange Zeit von strengen Auflagen verschont blieb. Nun, da die Autoindustrie am Pranger steht, rücken Wissmann und der VDA vorsichtshalber von fünf der wichtigsten Mitglieder ab. Für den Verband und die mehr als 600 darin organisierten Firmen aus allen Bereichen der Autobranche seien illegalen Absprachen und ein "Surfen in rechtlichen Grauzonen inakzeptabel". Gleichwohl dürfe es keine Vorverurteilungen geben, und kein Pauschalurteil über die gesamte Branche.

Einige der fünf Autohersteller wollen ihre bisher außerhalb des VDA geführten Arbeitskreise nun in den Verband integrieren. Um aus der Grauzone heraus zu kommen und künftig auf sicherem Terrain zu agieren. Daneben sieht Wissmann noch eine viel größere Aufgabe. Um der gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht zu werden, "müssen wir uns kritischen Fragen offener stellen und mehr Selbstreflexion üben". Das sind ungewohnte Töne. Die Lage ist ernst, sehr ernst.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: