Aussperrung nach Streik:Den Finnen geht das Klopapier aus

Lesezeit: 2 min

Auf finnischen Toiletten könnte das Klopapier knapp werden. Der Grund: ein sechswöchiger Streik mit anschließenden Aussperrungen in der Papierindustrie, der im Lande nahezu jegliche Papierproduktion lahmgelegt hat. Wirtschaftsexperten des nach Kanada zweitgrößten Papierexporteurs malen bereits das "Ende des finnischen Wirtschaftswunders" an die Wand.

Von André Anwar

Etwa 25 Prozent des Exportvolumens Finnlands bestehen aus Zellstoff und Papier. Doch als Folge des Streiks muss das Klopapier im Land teils aus Russland importiert werden, weil die Finnen in Panik die Geschäfte leergekauft haben.

Auch werden Engpässe für das Papier befürchtet, auf dem die landeseigenen Zeitungen drucken. Der für die konsensorientierten, nordeuropäischen Verhältnisse ungewöhnlich lang währende Streik soll bereits zu sinkendem Wirtschaftswachstum und Exportverlusten in dem 5,2-Millionen-Einwohner-Land geführt haben.

Die Gewerkschaft der Papierbranche hat Angebote der Arbeitgeber gegen die Empfehlung des eigenen Dachverbandes abgelehnt. Am Dienstag haben aber beide Seiten die Gespräche wieder aufgenommen.

"Wir sind optimistisch, dass es diesmal zu einer Einigung kommt, aber sicher ist nichts", sagte Papiergewerkschaftler Esa Maisti der Süddeutschen Zeitung. Am Mittwoch vermeldete der finnische Rundfunk, dass der Streik bis zum Wochenende beendet sein könnte.

Nach mehreren Warnstreiks und kurzfristigen Arbeitsniederlegungen von 25.000 Angestellten hatten die Arbeitgeber Mitte Mai eine flächendeckende Aussperrung beschlossen.

Inzwischen sind 38 Papiermühlen für Zeitungs-, Zeitschriften- und Spezialpapier, 19 Zellstofffabriken und 14 Fabriken für Kartons geschlossen.

Auch die schwedischen Papierarbeiter haben sich mit ihren finnischen Kollegen solidarisiert und weigern sich, Überstunden zu machen.

In einem Punkt hat es bereits Annäherungen gegeben: Die finnischen Papierhersteller wollen, dass Teile ihrer Beschäftigten am Midsommer-Wochenende und an Weihnachten arbeiten; künftig müssen sie diese Bereitschaft mit jährlichen Gehalts- und Urlaubszuschlägen belohnen.

32-Stunden-Woche bleibt

Die in der finnischen Papierindustrie übliche 32-Stunden-Woche wurde dagegen nicht in Frage gestellt. Zum Vergleich: In deutschen Werken wird zwischen 35 und 38 Stunden gearbeitet.

Der fortlaufende Streit bezieht sich vor allem auf die Forderung der Arbeitgeber, künftig betriebsexterne Arbeitskräfte anmieten zu dürfen. In der deutschen Papierindustrie habe diese Option dazu geführt, den Einfluss der Gewerkschaften auszuhebeln, so die Arbeitnehmervertreter.

"Wir wollen nicht die Kontrolle über unsere Tarifgebiete verlieren", sagte Gewerkschaftler Maisti. Eine inzwischen angestrebte Lösung könne darin liegen, der Gewerkschaft die Möglichkeit einzuräumen, Outsourcingvorhaben der Arbeitgeber auf lokalem Niveau detailliert prüfen zu können, vermeldete der finnische Rundfunk.

Das bereits durch die Markteinbußen des Mobiltelefonherstellers Nokia strapazierte Wirtschaftswachstum Finnlands soll sich für 2005 durch den Papierstreik um einen Prozentpunkt auf nunmehr zwei Prozent reduzieren, prognostiziert die finnische Zentralbank.

Finnische Gemeinden befürchten bereits Verluste bei Steuereinnahmen. Hannes Manninen, Kommunenvorsitzender, forderte zum Ausgleich zehn Millionen Euro aus der Staatskasse. Die Papierindustrie verliert nach eigenen Angaben täglich etwa 40 Millionen Euro durch die Aussperrungen.

Zudem befürchtet die Branche, dass ihre Position am Weltmarkt gefährdet ist, weil andere Anbieter die weltweiten Kunden übernehmen könnten.

"Panikmache" wehren die Gewerkschaften ab. "In großen Bereichen der Papierherstellung sind Einjahresverträge üblich. Deshalb glaube ich nicht, dass der Streik einen bleibenden Schaden für die Marktanteile Finnlands haben wird, wenn er denn bald gelöst werden kann", sagt auch Andreas Geiger vom deutschen Papierfabrikenverband.

Mit einem Preisanstieg in Deutschland sei nicht zu rechnen. Auch wenn Deutschland jährlich etwa 20 Prozent seines Papier- und Kartonimportes aus Finnland bezieht, seien keine Lieferengpässe auszumachen, so Geiger.

Die großen finnischen Produzenten haben ihre Fabriken in ganz Europa verstreut. "Wir haben unsere Produktion an andere Standorte verlagert, damit im Ausland keine Lieferengpässe entstehen" , sagte auch Sini Paloheimo vom finnischen Papierhersteller UPM.

Alle drei großen finnischen Papierunternehmen, UPM, M-Real und Stora Enso, haben Werke im restlichen Europa, die nicht bestreikt werden.

© SZ vom 30.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: