Außenansicht:Transrapid nach Moskau

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Der Rechtsanwalt, CSU-Bundestagsabgeordnete und Publizist Peter Gauweiler träumt von einer Magnetbahnverbindung Berlin/Moskau in weniger als fünf Stunden.

(SZ vom 8.8. 2003) - Irgendwie haben wir die Sache mit dem Ende der großen Spaltung noch nicht im Kopf.

Die Neue Zürcher Zeitung verglich schon in den neunziger Jahren den Fall des Eisernen Vorhangs zu Recht nicht mehr mit Bismarcks Reichseinheit von 1871 - sondern mit dem Kolumbus-Jahr 1492, der Entdeckung Amerikas.

Neues Amerika

Das ist die Wahrheit!

Vor unserer Haustür im Osten ist ein neues Amerika aufgetaucht und wir haben diesen Vorgang bis heute nicht in unserem Bewusstsein realisiert.

Obwohl durch keinen Ozean getrennt, sind wir sogar kaum in der Lage, diesen wiederaufgetauchten Kontinent zu erfahren. Russland ist zwar das Land mit dem größten Eisenbahnnetz der Welt.

Aber unsere Züge passen nicht einmal auf seine Gleise, sondern müssen "umgespurt" werden. Allein diese tägliche Umspurung auf dem Bahnhof im weißrussischen Brest dauert für jeden einzelnen Zug drei Stunden.

Und die Ukraine und Weißrussland und das riesige Russland wollen sich nicht auf das "kleinspurige" westeuropäische Format reduzieren lassen.

Wie gemacht für den Transrapid

Was ist die Lösung dieses Verbindungsproblems? Wie kann dieses Altneuland und seine Menschen, die auf Europa warten, erschlossen werden?

Erschließen ist etwas anderes als die Punkt-Punkt-Verbindung mit dem Flugzeug.

Eine Zukunftslösung wäre der Bau einer Transrapidlinie für die Strecke zwischen Deutschland und der russischen Metropole.

Heute ist dieser Transrapid nur für innerdeutsche Strecken ab 30 Kilometer im Gespräch. Erfunden und konzipiert wurde der Jahrhundertzug für Strecken ab 400 Kilometer!

Gerade heute bräuchte das europäische Deutschland diesen Zug nicht so sehr als Vorortverbindung, sondern als Brückenbauer zwischen Berlin und Moskau.

Ob aufgeständert wie in Shanghai oder ebenerdig geführt, kann der Transrapid völlig flexibel über Flüsse oder sonstige Hindernisse gebaut werden.

Seine Fortentwickung von der klassischen Eisenbahn kommt gerade bei geografischen Weiten richtig zum Tragen: Eine Fortbewegung wie im Märchen von den Siebenmeilenstiefeln.

Wo der ICE seine Geschwindigkeit drosseln muss, kann der Transrapid seine Fahrt fast unverändert fortführen. Bis Tempo 200 ist er sogar flüsterleise und selbst bei doppelter Geschwindigkeit vom Geräuschpegel unschlagbar.

Deutschland muss eine technische, ideologische und infrastrukturell tragfähige Verbindung zu seinen wiederauferstandenen Nachbarn schaffen, die unser Partner der Zukunft sind. Natürlich verbinden auch die Straßen.

Die Straße taugt nicht

Aber diese Straßen sind als Erschließungsmittel völlig überfordert. Ein Lkw-Transport Berlin-Moskau dauert heute eine Woche (die Prinzessin von Anhalt Zerbst, spätere Zarin Katharina, benötigte für die gleiche Strecke vor 250 Jahren auch nur 14 Tage).

Experten gehen von einem Verkehrswachstum allein aufgrund der EU-Osterweiterung von 100 bis 300 Prozent aus.

Verkehrspolitisch gibt es an den Grenzen zwischen Polen und der Ukraine, Russland und Weißrussland schon jetzt fürchterliche Staus mit endlosen Wartezeiten und die osteuropäischen Länder setzen für die Zukunft mangels Alternative bei sich und mangels Phantasie bei uns ausschließlich auf die Straße.

Über Mittel- und Osteuropa liegt der Bleigestank einer riesigen Warteschlange.

Über Warschau in knapp fünf Stunden

Die neue Transrapid-Technik, die auch noch deutschen Ursprung hat, böte die Möglichkeit, einen - man muss es so nennen - revolutionären Änderungsimpuls einzuleiten: Russland und Weißrussland über Warschau durch den Transrapid mit Deutschland zu verbinden.

Es existiert sogar eine konkrete EU-finanzierte Studie über diese Strecke. Die Folge wäre eine Fahrzeit Berlin-Moskau von 4 Stunden 45 Minuten.

Schon die Strecke Berlin-Warschau wäre mit dem Transrapid in 1 Stunde 50 bewältigt. Auf dem Weg Frankfurt/Oder als zweiten deutschen Halt.

Nach der polnischen Grenze bieten sich dann noch Posen und Lodz als mögliche Stopps vor Warschau an.

Der Transrapid würde weiter gen Osten schweben, um dann nach dem Grenzübergang in den beiden weißrussischen Städten Brest und Minsk Halt zu machen.

Minsk wäre von Berlin aus in drei Stunden erreicht. In knapp vier Stunden würde man dann die erste russische Stadt anschweben, Smolensk, um dann in knapp fünf Stunden an der Moskwa anzukommen.

Kritiker werden die Finanzierbarkeit anzweifeln. Abgesehen davon, dass dieses kontinentale Projekt billiger ist als eine Woche Irak-Krieg:

Der Transrapid zwischen Berlin und Moskau wird sich selbst finanzieren. Man braucht nur die Ärmel hochzukrempeln und den Worten Taten folgen zu lassen, wofür der Bund genauso wie die Wirtschaft gefordert ist.

Als Beispiel kommen in Betracht Anteilspapiere, die dann über den Kapitalmarkt an die privaten Haushalte vergeben werden könnten.

Schließlich wurde schon die viermal längere Transsibirische Eisenbahn zwischen Moskau und Wladiwostok (Baubeginn 1896) zum größten Teil mit deutschem und französischem Kapital finanziert.

Jetzt wäre es Zeit

Es ist richtig, Deutschland steckt in der Baisse. Aber die deutsche Wirtschaft wird den Weg bergauf nicht gehen, wenn Deutschland keine großen Aufgaben mehr durchziehen will. Gerade jetzt wäre Zeit und Gelegenheit, das offensichtlich Zukunftsfähige anzupacken und neue Anreize zu schaffen.

Die Wiederentdeckung Mittel- und Osteuropas ist die Chance des Jahrhunderts.Die Russen bieten uns, was wir brauchen: Rohstoffe, Energie und Arbeit ohne Ende. Was wir sonst noch benötigen ist etwas politischer Mut, uns Pläne und Ziele vorzunehmen, die über Zahnersatz und Dosenpfand hinausgehen.

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