Ausländische Unternehmen in Griechenland:Game over

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Ausländische Unternehmen, deren griechische Kunden online bezahlen, mussten durch die Kapitalverkehrskontrollen plötzlich auf Umsatz verzichten. (Foto: Alexandros Avramidis/Reuters)

Ein deutsches PC-Spiel ist der Hit in Griechenland - bis im Sommer die Kapitalkontrollen kamen. Die Folge für Unternehmen: extreme Umsatzeinbrüche.

Von Christoph Dorner, München

Warum ist ein kleines Superhelden-Computerspiel wie "Hero Zero" gerade in Griechenland so erfolgreich? Das kann Johannes Sevket Gözalan zwar nicht endgültig beantworten, aber ein paar Argumente hat er. Der Unternehmer konnte das Spiel mit seiner Münchner Firma, der European Games Group, dank eines Joint Ventures mit dem griechischen Fernsehsender Antenna auch jenseits des Internets vermarkten. Es liegt wohl auch am Spiel selbst: Das Grafik-Adventure im Comic-Stil der Neunzigerjahre lässt krumme Verliererfiguren mit Klick-Fleiß zu Superhelden aufsteigen. Das macht Spaß - und bietet offenbar gerade in Krisenzeiten Ablenkung. Jedenfalls haben bereits 1,8 Millionen Nutzer in Griechenland das in der Basisversion kostenlose Spiel auf dem PC oder dem Smartphone gespielt.

Im Jahr 2015 läuft "Hero Zero" in keinem Land besser - bis Ende Juni, als die Regierung in Athen die Banken schließt und Kapitalverkehrskontrollen einführt, um die Kapitalflucht zu stoppen. Damit kommt auch das internationale E-Commerce-Geschäft zum Erliegen. Apple, Amazon oder Paypal sperren griechische Kunden. Auch die bis zu drei Prozent an Nutzern von "Hero Zero", die bereit sind, für einen Spielfortschritt zu bezahlen, können dies nicht mehr tun. Es wird drei Monate dauern, bis die Firma eine neue Möglichkeit zur elektronischen Zahlung gefunden hat. Da hat sie auch schon geschätzte 165 000 Euro Umsatz verloren. Gözalan kann es bis heute nicht fassen.

In den Achtzigerjahren verdient der heute 55-jährige Münchner sein erstes Geld damit, Auslandsrechte für türkische Kino-Filme für jeweils ein paar hundert Mark aufzukaufen und sie auf Videokassetten massenweise an Gastarbeiter zu verkaufen. Später arbeitet er in der Musik- und der Verlagsbranche, berät Medienunternehmen und die Grünen. Dass Joschka Fischer im Wahlkampf 2002 bei jedem Termin eine kleine Runde joggt, sei seine Idee gewesen, sagt Gözalan. 2010 gründet er die European Games Group und arbeitet mit unabhängigen Spiele-Entwicklern zusammen. "Ich bin kein Gamer, war ich nie", sagt Gözalan. In die Branche wollte er trotzdem, weil er das Potenzial von Gaming im Zusammenspiel mit Social Media erkannt hatte. Seine Firma kümmert sich um die weltweite Vermarktung der Spiele und den Kundendienst; der Profit wird mit den Entwicklern geteilt. 2015 ist der Umsatz der European Games Group um 80 Prozent gewachsen, aktuell steht eine zweite Finanzierungsrunde an.

Nach Einführung der Kapitalverkehrskontrollen beginnt Gözalans private Mission "Hero Zero". Er will mit dem Computerspiel weiter Geld verdienen. Doch das Zahlungsmittel, mit dem die meisten griechischen Gamer online bezahlen, ist von Juli bis September vom Markt: die Paysafecard, eine Prepaid-Karte, die es im stationären Handel zu kaufen gibt. Durch die Kapitalverkehrskontrollen könne man seitdem nur noch E-Commerce-Erlöse an Webshops mit einem griechischen Konto überweisen, sagt Udo Müller, Geschäftsführer der österreichischen Firma Paysafecard. Also braucht Gözalan ein griechisches Konto. Er fragt bei der Industrie- und Handelskammer nach, bei deutschen und griechischen Banken. Niemand kann helfen. Auch Müller von Paysafecard hat beobachtet, dass eine Kontoeröffnung in Griechenland derart bürokratisch ist, dass ausländische Firmen es gar nicht versuchen. Gözalan schon. Ein befreundeter türkischer Anwalt in Athen eröffnet für die European Games Group ein Treuhandkonto. Dort gehen seit November wieder die Tagesumsätze aus "Hero Zero" ein - mal 7500 Euro, mal weniger. Nach Deutschland kann Gözalan sie jedoch erst transferieren, wenn die Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben sind. Im ersten Halbjahr 2016 soll es soweit sein.

© SZ vom 22.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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