Augsteins Welt:Ceta-Kontrolle für 2000 Euro im Monat

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Wo man es kaum erwartet, sorgt sich die EU um den Bürger. Noch mehr aber um die Unternehmen.

Von Franziska Augstein

Die EU-Kommission, die sich um das Wohl der Bürger immer dann kümmert, wenn niemand es erwartet hätte, hat neulich wieder eine originelle Verordnung erlassen. Wer da denkt, ein heißes Blech unbeschadet aus dem Ofen herauszuziehen, sei eine Frage des Tastsinns - ist das Blech zu heiß, nimmt man zusätzlich zum Handschuh ein Geschirrtuch -, wird vor derlei Selbstermächtigung künftig gerettet: Backhandschuhe sollen nur noch mit Zertifikat verkauft werden dürfen. Ohne nun zu fragen, was die EU-Kommission dagegen aufbieten wird, dass man sich beim Griff in den Ofen nicht an den Händen, sondern viel eher am Unterarm verbrennt, bleibt festzuhalten, dass die Kommission sich sehr gut um alle Bürger kümmert.

Noch besser kümmert sie sich allerdings um Unternehmen. Ihre Politik dient seit Jahr und Tag der Liberalisierung der Wirtschaft. Diesem Zweck dienen auch die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und Ceta mit Kanada.

TTIP ist auf Eis gelegt, wird - durch die Hintertür - in anderen Abkommen aber wohl wieder einschlüpfen. Ceta ist derzeit heiß umstritten. Was sind eigentlich die Unterschiede zwischen TTIP und Ceta? Warum ist Sigmar Gabriel gegen TTIP und für Ceta? Markus Krajewski, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Erlangen, sagt ironisch: "Gegen TTIP kann man nicht sein, weil man gar nicht weiß, was drinsteht." In der Tat: Bekannt sind die Vorschläge der EU-Kommission, mehr nicht. Ist es verwunderlich, dass die Bürger gegen TTIP sind?

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel. (Foto: ipad)

Gegen Ceta, dessen Vertragstext bekannt ist, sind viele Bürger aber auch. Warum denn das? In Ceta ist im Wesentlichen festgehalten, was die EU-Kommission für TTIP vorgeschlagen hat. Ceta gibt den Interessen ausländischer Investoren Vorrang vor einheimischen. Ceta lässt es möglich erscheinen, dass ausländische Investoren viel Geld einklagen, wenn eine Gemeinde im Sinne des Gemeinwohls Versorgungswerke zurückkaufen will. Weil das in TTIP vorgesehene, jenseits der regulären Justiz agierende "Schiedsgericht" so gar keinen Anklang fand, heißt es im Ceta-Vertrag "Investitionsgericht". Es soll mit Richtern bestückt werden, die im Zweifelsfall mit nicht mehr als 2000 Euro pro Monat honoriert werden. Da wäre ein Zubrot aber nötig. Woher könnte das wohl kommen?

Die Autoren des Ceta-Vertrags wollten alles gut machen, im Sinn der Bürger und Unternehmen. Das Ergebnis war, Krajewski zufolge, dass sich in dem Vertrag einige "unbestimmte Rechtsbegriffe" finden, für Juristen völlig waberig. Etliches, was in dem Ceta-Vertrag steht, ist eine Frage der Übersetzung und der Auslegung. Eine Erleichterung der Handelsbeziehungen wird bezweckt. De facto wird jede juristische Auseinandersetzung ein Riesenproblem.

Warum will Sigmar Gabriel Ceta verabschieden, aber nicht TTIP? Die Front gegen TTIP stand, bevor die Bürger bemerkten, dass Ceta längst geplant war. Gabriel muss lavieren. Schließlich ist er Wirtschaftsminister. Da kann er nicht auf Rot-Front machen mit den SPD-Genossen. Ceta scheint harmlos zu sein: Es geht ja "bloß" um Kanada. Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada sind überschaubar. Dass große amerikanische Konzerne via Niederlassungen in Kanada sich Ceta zunutze machen können und dann ihre Interessen mit Macht verfolgen, spielt keine Rolle.

Sigmar Gabriel kämpft. Und man fragt sich: Wo bleiben eigentlich die CDU-Leute vom Arbeitnehmerflügel dieser Partei, die ebenso gegen Ceta und TTIP sein müssten wie andere? Die haben genug damit zu tun, die Hitze auszuhalten, die die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin mit sich bringt. Ganz ohne EU-zertifizierte Topflappen.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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