Aufsichtsrat:Kontrolleure aus der Ferne

Lesezeit: 2 min

Wie Paul Achleitner seine Macht durch neue Mitglieder im Kontrollgremium zementiert.

Von M. Schreiber, J. Willmroth, Frankfurt

Von den vier neuen Mitgliedern des Deutsche-Bank-Aufsichtsrats, die auf der Hauptversammlung am Donnerstag gewählt werden, benötigen gleich drei eine Dolmetscherin. Sie können sich nur auf Englisch vorstellen, die offizielle Sprache der Hauptversammlung aber ist Deutsch. Einer dieser vier neuen Kontrolleure von Deutschlands größtem Geldhaus ist John Thain, Ex-Vorstandschef der US-Investmentbank Merrill Lynch. In einer Hauruck-Aktion hat Paul Achleitner im April nicht nur Vorstandschef John Cryan ausgetauscht, er verliert auch erneut mehrere Kollegen im Kontrollgremium. Mit Thain hat Achleitner nun einen eingefleischten Investmentbanker gefunden. Er ist nicht nur für seine steile Wall-Street-Karriere bekannt, sondern auch für Boni-Exzesse. Als der Amerikaner 2007 als Krisenmanager bei Merrill Lynch anfing, ließ er erst einmal sein Büro für schlappe 1,2 Millionen Dollar neu dekorieren.

Nun steht Thain, 62, auf der Bühne, um zu erklären, welchen Beitrag er zur Gesundung der Bank leisten will. Thain soll Vorsitzender eines neuen Strategieausschusses werden, der, wie Achleitner sagt, "die Maßnahmen des Vorstandes zur Fokussierung der Unternehmens- und Investmentbank fachkundig begleiten kann". Weitere Gründe, warum die Bank einen solchen Ausschuss schafft, nennt Achleitner nicht - sonst betont der Österreicher stets, das Geldhaus habe kein Strategie-, sondern lediglich ein Umsetzungsproblem. Außerdem soll es künftig einen "Innovationsausschuss" geben, den Michele Trogni, eine ehemalige Managerin der Schweizer Großbank UBS, leiten soll. Sie wird ebenfalls neu in das Gremium gewählt.

Von Seiten der Aktionäre kommt prompt beißende Kritik an der neuen Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Hans-Christoph Hirt, Co-Chef des einflussreichen britischen Aktionärsberaters Hermes, bemängelt, Aufsichtsräte bei der Deutschen Bank blieben im Durchschnitt allenfalls zwei Jahre an Bord, weil sie entweder nach nur einer Amtsperiode oder im Streit bereits frühzeitig ausschieden. Angesichts der Komplexität der Aufgabe frage man sich, ob "ein unerfahrener Aufsichtsrat effektiv in der Lage sei, den Vorstand zu beraten". Ebenso bedenklich sei, dass keiner der neuen Kontrolleure geeignet sei, in den Nominierungsausschuss einzuziehen. Dieser Ausschuss aber solle nach den vielen Wechseln im Vorstand nicht nur die "Nominierungsprozesse" überprüfen, sondern sich auch Gedanken über die Nachfolge von Achleitner machen. Ein weiterer Aktionär kritisiert, es fehle nach dem Abgang von SAP-Gründer Henning Kagermann und Eon-Chef Johannes Teyssen an Vertretern der deutschen Industrie - ausgerechnet jetzt, da sich die Bank auf den Heimatmarkt konzentrieren wolle.

In jedem Fall dürfte Achleitner, dessen Vertrag bis 2022 läuft, seine Macht durch die Zusammensetzung des Gremiums weiter zementiert haben. Wirklich anfechten wird es ihn daher nicht, dass ihm die Aktionäre am Abend einen kleinen Denkzettel verpassten. Er erhielt lediglich 84,4 Prozent Ja-Stimmen, normal sind bei solchen Abstimmungen Ergebnisse von mehr als 90 Prozent. Cryan wurde mit 94,78 Prozent entlastet, dem besten Ergebnis aller Vorstände; der neue Vorstandschef Christian Sewing, der schon seit 2015 im Vorstand ist, bekam 94,58 Prozent der Stimmen.

© SZ vom 25.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: