Athen meldete Brüssel falsche Zahlen:"Verheerende Wirkung auf den gesamten Euro-Raum"

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Seit 2000 soll Griechenland das Haushaltsdefizit um durchschnittlich zwei Prozentpunkte nach unten korrigiert haben. Damit hätte das Land jahrelang den EU-Stabilitätspakt gebrochen.

Von Alexander Hagelüken

Die griechische Regierung hat offenbar über Jahre hinweg größere Haushaltslöcher produziert als offiziell gemeldet.

Mehrere EU-Diplomaten bestätigten der Süddeutschen Zeitung, die neue Regierung in Athen gehe heute von weit höheren Defiziten bereits seit dem Jahr 2000 aus.

Damit könnte das Land von seinem Euro-Beitritt an jedes einzelne Jahr den Stabilitätspakt gebrochen haben. EU-Abgeordnete sprachen von einem katastrophalen Signal und befürchten eine Glaubwürdigkeitskrise für die Währungsunion.

Militär- und Sozialausgaben betroffen

Mitgliedsstaaten der Eurozone dürfen laut Stabilitätspakt keine Etatlücken von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung aufweisen. Wenn sich die Informationen präzisieren, hat Griechenland dagegen in beispielloser Weise verstoßen.

Die konservative Regierung soll inzwischen für die Jahre 2000 bis 2002 Defizite nach Brüssel mitgeteilt haben, die im Schnitt zwei Prozentpunkte über dem lagen, was die abgewählte Vorgängerregierung offiziell gemeldet hatte.

Grund sind unterschiedliche Ansätze für Militär- und Sozialausgaben. Durch die Abweichungen hätte Griechenland jedes Jahr die Drei-Prozent-Regel verletzt.

Gegen das Land läuft bereits ein EU-Strafverfahren, nachdem die im Frühjahr gewählte Regierung die Zahlen fürs vergangene Jahr nach oben korrigiert hatte: Sie meldet heute ein Defizit von 4,6 statt ursprünglich 1,7 Prozent.

Griechenland hat mit über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung einen der höchsten Schuldenstände in Europa und durfte dem Euro 2001 erst verspätet beitreten.

Ungenügende Kontrollen

"Solche Tricksereien haben eine verheerende Wirkung auf den gesamten Euro-Raum", befürchtet der EU-Abgeordnete Alexander Radwan (CSU). "So ein Verhalten kommt bei den Menschen schlecht an, die ihre nationalen Währungen wie die Mark für den Euro aufgegeben haben", sekundiert der Parlamentarier Werner Langen (CDU).

Beide warfen der EU-Kommission lasche Kontrollen vor. Der SPD-Parlamentarier Udo Bullmann warnte davor, das Land vorzuverurteilen.

Radwan forderte, jetzt müssten die Haushaltszahlen für die Jahre vor 2000 überprüft werden, die für den griechischen Euro-Beitritt entscheidend waren. Weil das Land damals nur knapp die Kriterien erfüllte, hatten mehrere Europaabgeordnete gegen die Euro-Aufnahme gestimmt.

Die EU-Finanzminister hatten die Entwicklung von Defizit und Schulden in Griechenland kürzlich scharf kritisiert. "Die Minister sind besorgt über das Ausmaß der jüngsten Datenkorrekturen", erklärten sie bei ihrem Treffen in Den Haag. Das EU-Statistikamt, das die Zahlen prüft, wollte sich wie die griechische Regierung auf Anfrage zunächst nicht äußern.

© SZ vom 21.09.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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