Artiminds:Mit Gefühl

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Dank moderner Technologie werden Roboter immer intelligenter und intuitiver. Industriekonzerne profitieren davon. (Foto: Oli Scarff/Getty Images)

Das Karlsruher Start-up Artiminds entwickelt spezielle Software, mit der menschliche Bewegungen elektronisch erfasst und auf Industrieroboter übertragen werden können. Nun expandiert das junge Unternehmen in die USA.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Die Erfolge der jungen Software-Firma sind beachtlich. Vor etwas mehr als vier Jahren haben Sven Schmidt-Rohr, Rainer Jäkel, Gerhard Dirschl und Simon Fischer die Firma Artiminds Robotics gegründet. Heute ist das Spin-off des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), das Software für die intuitive Programmierung komplexer Roboterbewegungen entwickelt und verkauft, Träger zahlreicher Gründerpreise, Entwicklungspartner von Siemens und Objekt der Begierde von unzähligen Investoren. Vor wenigen Wochen hat das Artiminds-Quartett den Marktauftritt in den USA gestartet. Sven Schmidt-Rohr, neben Rainer Jäkel Geschäftsführer von Artiminds, ist jedoch zurückhaltend. "Wir befinden uns noch immer mitten im Aufbau unseres Unternehmens und tauchen ständig in neue Welten ein. Das ist ein tägliches Learning by Doing. Ob wir es wirklich geschafft haben, wissen wir vermutlich erst in zehn Jahren."

Schon in der Abi-Zeitung stand als Berufswunsch IT-Unternehmer

Nach dem Abitur hat sich Sven Schmidt-Rohr, der bereits neben der Schule als Programmierer jobbte, für das Studium der Robotik entschieden. Seinen Berufswunsch, IT-Unternehmer, hatte der heute 35-Jährige in der Abi-Zeitung bereits klar formuliert. Die konkrete Idee für das eigene Produkt reifte schließlich auf dem Weg zur Promotion, als Schmidt-Rohr und seine Studienkollegen, allesamt Informatiker und Ingenieurwissenschaftler, am KIT an der Programmierung von Robotern arbeiteten. "Mit unserer Software können komplexe Industrieroboteranwendungen deutlich schneller und kostengünstiger programmiert werden als bisher. Die Art und Weise, wie wir in Algorithmen die Bewegungsintelligenz von Industrierobotern abbilden, ist einzigartig", sagt Schmidt-Rohr. Menschliche Bewegungen werden dabei elektronisch erfasst und können anschließend direkt auf Roboterarme übertragen werden. Trotz dieses Innovationssprungs sowie der Unterstützung seitens der Hochschule waren für den reibungslosen Start in die Selbständigkeit im August 2013 öffentliche Förderungen enorm wichtig.

"Unternehmen davon zu überzeugen, auf etwas Neues zu setzen, ist schwierig. Dafür muss man vorsorgen und konservativ planen. Als Spin-off des Karlsruher Instituts für Technologie konnten wir unsere Anlaufphase mit dem Exist-Gründungsstipendium und anderen Förderprojekten finanzieren", sagt Schmidt-Rohr. Neben dem Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums für Neugründungen aus dem universitären Bereich sicherten Finanzhilfen der Karlsruher Gesellschaft für Beratungen und Beteiligungen sowie der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg die ersten zwei Jahre der Hightech-Firma.

Die erste Lizenz verkaufte ArtiMinds 22 Monate nach dem Firmenstart in Spanien. "Das Internet öffnet einem Start-up sofort die Welt. Dadurch steht man aber gleichzeitig auch im internationalen Wettbewerb, was den Druck auf das Unternehmen und das Produkt schlagartig erhöht," sagt Schmidt-Rohr. Die Technologie der Firma macht einen Programmiercode in Textform unnötig und funktioniert über eine Drag-and-drop-Bedienung. Übersetzt heißt dies "ziehen und fallen lassen" und funktioniert im Prinzip, wie wenn man am Computer eine Textpassage markiert und dann in einen Ordner verschiebt. Für die simple Bedienung wurde Artiminds 2015 von Experten aus dem Silicon Valley zum besten Start-up Europas gekürt. Um die Marke auf dem Markt zu positionieren, mussten die Spezialisten sehr früh in China, Japan und den USA starten. Fortan ging es rasch bergauf, im zweiten Halbjahr 2016 war Artiminds profitabel. Heute beliefern die 25 Mitarbeiter aus dem Karlsruher Technologiepark Kunden in zehn verschiedenen Industrien und zwölf Ländern mit maßgeschneiderten Programmen.

Auf die Software, die eine fortschreitende Digitalisierung der Produktionsprozesse hin zur Industrie 4.0 ermöglicht, setzen kleine Nischenanbieter ebenso wie Großkonzerne. Neben den führenden Roboterherstellern zählt dazu vor allem die deutsche Automobil- und Elektroindustrie. Bei Siemens ist Artiminds innerhalb kurzer Zeit vom Kunden zum Entwicklungspartner aufgestiegen. Nach einer Präsentation ihrer Programme zur Robotersteuerung im Dezember des Vorjahres bot der Münchner Konzern den Jungunternehmern die Zusammenarbeit an. Aktuell wird bei Siemens unter anderem in der Lokomotiven-fertigung in München-Allach eine Anlage mit Robotern, die Artiminds programmiert hat, getestet. Diese Kooperation bringt nicht nur wichtige Umsätze, sondern auch die notwendige Aufmerksamkeit potenzieller Neukunden. "Persönliche Kontakte sind besonders im Bereich Produktion und Automatisierung das A und O. Deshalb sind Messen für unseren Erfolg enorm wichtig", sagt Schmidt-Rohr.

Neue Interessenten konnte Artiminds eben erst auf der Hannover-Messe gewinnen. Nächster Pflichttermin: die Stuttgarter Weltleitmesse für Produktion und Fertigung im Oktober. In den kommenden Monaten wollen die IT-Spezialisten ihren Expansionskurs fortsetzen. Für das nötige Kapital hat sich Artiminds zu Jahresbeginn zwei Private-Equity-Geldgeber ins Boot geholt. Mit dem Geld der Investoren will Artiminds den Umsatz steigern und das Wachstum beschleunigen. "Wir haben kürzlich eine Tochterfirma in den USA gegründet und bauen gerade eine Vertriebsmannschaft auf", sagt Schmidt-Roth.

Für die Vorbereitungen zum Start der Gesellschaft in der 80 Pine Street, New York 10005, verbrachte der Geschäftsführer zuletzt mehrere Wochen an der Ostküste. Unterstützung dafür gab es für Artiminds vom German-Accelerator-Mentoringprogramm des Bundes, das innovative Unternehmen aus der Digitalwirtschaft beim US-Markteintritt begleitet.

Bis der Firmenchef sein großes Ziel, einen möglichen Börsengang, erreicht hat, sieht Schmidt-Rohr sich und das Team täglich gefordert, die Produkte, Prozesse und den Marktauftritt zu verbessern. Eine Empfehlung, die er auch Gleichgesinnten mitgibt. "Wenn das Boot nicht absolut seefest ist, sollte man nicht starten. In der Praxis kommen einem noch genug Probleme in die Quere", sagt Schmidt-Rohr. Aktuell sind die Mitarbeiter im Karlsruher Büro mit Packen beschäftigt, denn der Umzug der Firma an einen größeren Standort steht an. Dort soll es genug Platz für neue Mitstreiter für die nächsten zehn Jahre geben.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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