Armenhilfe für bedürftige Londoner:Fahrgeld aus Venezuela

Lesezeit: 2 min

Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat einen neuen Coup gelandet: Er gewährt Armenhilfe, was zunächst nichts neues wäre. Doch dieses Mal tut er es nicht in der dritten Welt, sondern in einer der reichsten Städte Europas.

Andreas Oldag

Lächelnd stand Londons Bürgermeister Ken Livingstone vor seinem Amtssitz. Ein roter Doppeldeckerbus fuhr vor. Alles war perfekt arrangiert für die vielen Fernsehkameras. Dann verkündete der 62-Jährige seinen neuesten Coup: Arme Londoner könnten sich freuen, erklärte das populäre Stadtoberhaupt.

Fortan würden verbilligte Bustickets verteilt werden. Der Spender ist Venezuelas staatlicher Ölkonzern Petroleos de Venezuela (PdVSA). Dahinter steckt der venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez.

Er hatte die großzügige Subventionierung des Londoner Nahverkehrs bei seinem Besuch an der Themse im vergangenen Jahr mit Livingstone ausgehandelt. Die Aktion soll zunächst ein Jahr lang laufen. PdVSA liefert verbilligtes Öl für Londons 8000 Busse, sodass die Fahrpreise für bestimmte Kundengruppen gesenkt werden können.

Steuereinnahmen in Milliardenhöhe

24 Millionen Euro lässt sich Chávez seine Armenhilfe für eine der reichsten europäischen Städte kosten, dessen boomendes Finanzviertel Großbritannien Jahr für Jahr einige Milliarden an Steuereinnahmen beschert.

Von der venezolanischen Unterstützung sollen angeblich bis zu 250.000 Londoner profitieren: Sozialhilfeempfänger, mittellose Rentner und alleinstehende Mütter zahlen künftig nur noch die Hälfte des offiziellen Fahrpreises.

"Geld stinkt nicht", nach diesem Motto hat Livingstone, dem ein mindestens ebenso großes Ego wie Chávez nachgesagt wird, die Gabe aus Lateinamerika dankend angenommen. "Wenn zu Ihnen jemand kommt und sagt: Willst du einige Millionen Pfund? Das weckt meine Aufmerksamkeit", meint der Labour-Politiker.

Kritik an Londons Bürgermeister

Für die Boulevardzeitung Sun hat sich allerdings mit der Fahrscheinaktion bestätigt, dass Livingstone eine der "abscheulichsten Personen Großbritanniens" ist. "Red Ken - der rote Ken", so der Spitzname Livingstones, habe sich seinem Diktator-Freund verkauft, meinen Kritiker.

Immerhin versicherte Livingstone, dass London sich für die Großzügigkeit Venezuelas erkenntlich zeige. So sei geplant, dass die städtische Dachgesellschaft Transport for London (TfL) in Caracas ein Büro einrichte, um den von Autoabgasen und Dauerstau entnervten Hauptstädtern bei der Lösung ihrer Verkehrsprobleme zu helfen.

Böse Zungen behaupten jedoch, dass diese Außenstelle vor allem für Reisen aus Livingstones Entourage genutzt werde. Bei einem fünftägigen Sondierungsbesuch einer TfL-Delegation in Caracas seien kürzlich fast 24000 Euro Spesen verbraten worden, heißt es.

Zusammenarbeit mit ausländischen Freunden

Solch kritischen Fragen muss sich Chávez im eigenen Land wohl nicht stellen. Der rote Baron hält von Demokratie nicht viel und konzentriert sich darauf, die Zusammenarbeit mit seinen ausländischen Freunden zu intensivieren.

So versprach er vor kurzem dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko mehr als 340 Millionen Euro, damit dieser Erdgasrechnungen an Russland bezahlen kann.

Dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad sicherte Chávez Finanzhilfen zu, um Produktionsausfälle bei der Treibstoffherstellung auszugleichen. Und beim erklärten Klassenfeind USA lässt Chávez für 100.000 arme amerikanische Haushalte die Heizölrechnung bezuschussen.

Zweifelhafte Öl-Diplomatie

Ob diese Öl-Diplomatie allerdings auch der venezolanischen Wirtschaft nützt, steht auf einem anderen Blatt. Das Land hat zwar die fünftgrößten Erdölreserven der Welt. Doch viele Förderanlagen sind heruntergewirtschaftet. Das Staatsunternehmen PdVSA leidet an chronischer Unterfinanzierung, die Produktionsziele werden nicht erreicht.

© SZ vom 22.08.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: