Arcandor: Middelhoff bleibt:Der Chef geht in die Verlängerung

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Die Mission ist noch nicht erfüllt, wichtige Aufgaben sind noch nicht gelöst: Nachsitzen für Thomas Middelhoff beim Handelskonzern Arcandor. Er bleibt ein Jahr länger als angekündigt.

Hans-Jürgen Jakobs

Marc Sommer hat einen bekannten Schwiegervater. Das ist der langjährige Bertelsmann-Chef Mark Wössner, der den Gütersloher Medienkonzern in besseren Zeiten geleitet hat. Auch Manager Sommer, der selbst bei Bertelsmann gearbeitet hat, würde wie weiland Wössner gerne selbst einmal ein großes Unternehmen leiten.

Wichtige Arcandor-Aufgaben sind nicht gelöst - deshalb "kann ich hier nicht einfach abhauen." (Foto: Foto: AP)

Doch der ausgebildete Dirigent, dessen Familie in Paris lebt, muss sich noch ein wenig gedulden. Den Wechsel auf den Vorstandsvorsitz des Handelskonzerns Arcandor, der früher Karstadt-Quelle hieß, kann Sommer jetzt nicht für den 1. Januar 2009 einplanen. Der für den Versandhandel Verantwortliche muss vielmehr ein Jahr länger warten. Erst dann macht sein Freund Thomas Middelhoff - so die neuste Entwicklung - den Posten frei. Immerhin: Sommer wird sofort offiziell zum Stellvertreter Middelhoffs erklärt.

Die Spitzenpersonalien sind Thema auf einer außerordentlichen Aufsichtsratsitzung an diesem Mittwoch, kurz vor der Hauptversammlung des Essener Handelskonzerns. Die Großgesellschafter, darunter Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, setzen offenbar darauf, dass Vorstandschef Middelhoff die versprochenen Meisterstücke seiner Führungskunst abliefert.

Tatsächlich zeigt schon der aktuelle Börsenkurs von rund zwölf Euro, wie diffizil die Lage ist. Middelhoff hatte von 40 Euro und mehr gesprochen.

Schlimmer als im Sommerschlussverkauf

Wichtige Arcandor-Aufgaben sind nicht gelöst - auch nicht in dem von Sommer gemanagten Versandhandelsgeschäft, das unter dem klingenden Namen Primondo zusammengefasst ist. Hier fallen nach wie vor Verluste an. Sommers Sanierung schlug noch nicht entscheidend in der Bilanz an. Für die Tochter Neckermann wiederum fand sich kein zahlungsfreudiger Käufer, sie musste verscherbelt werden, schlimmer als im Sommerschlussverkauf.

Auch sind die Warenhäuser - alles in allem - noch nicht in jener besseren Verfassung, die Middelhoff angekündigt hat. Den Finanzen von Arcandor half freilich der Ausverkauf der Warenhaus-Immobilien auf. Nun aber gibt es an dieser Stelle keine solchen außerordentlichen Erträge mehr zu erzielen. Jetzt müssen die Karstadt-Häuser wieder mehr Konsumenten locken, jetzt muss das Stammgeschäft greifen. Das Weihnachtsgeschäft 2007 jedoch war miserabel ausgefallen.

"Bei all dem, was wir noch vorhaben, kann ich hier nicht einfach abhauen", zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen angeblichen Middelhoff-Spruch im kleinen Kreis. Der Spiegel kam der Wahrheit schon näher: "Seine Zahlen sind zu schlecht für einen guten Abgang."

Lesen Sie weiter, welche Negativpunkte die Kritiker Middelhoff vorhalten

Tatsächlich klangen bei Middelhoff weniger die Münzen in der Kasse, als vielmehr die schönen Wortschöpfungen aus der Sprache moderner Manager. Schon die neuen Firmennamen "Arcandor" und "Primondo" wirken auf Dauer sphärisch, und gerne auch hören die Aktionäre Vergleiche mit der "Champions League". Dort hat sich Middelhoff, 54, allem Anschein nach selbst stets gesehen. Als Wössners einstiger Nachfolger hatte er einige Jahre lang die Bertelsmann AG geleitet, ehe der Eigentümerin Liz Mohn die Börsenpläne und Manöver des stets wie aufgedreht wirkenden Managers zu viel wurden.

Bei Arcandor ist nicht zu übersehen, dass viele Firmen im Minus verharren und einzig die Tourismussparte (Thomas Cook) ordentlich Geld abliefert. Hier wird mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes von mehr als 20 Milliarden Euro erzielt; zum Bruttogewinn dürfte der Tourismus mehr als 75 Prozent beisteuern. All diese Punkte liefern den Middelhoff-Kritikern reichlich Munition für die Hauptversammlung.

Der Vorstandschef bietet ihnen noch einmal Stoff für Phantasien: Für einen Zukauf im Ausland etwa oder für eine Integration einzelner Kaufhof-Kaufhäuser aus dem Reich der Metro. Bis Middelhoff an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln kann, wird also noch einiges zu tun sein.

So lange muss Marc Sommer warten, bis er es endlich dem Schwiegerpapa nachmacht - und den großen Dirigenten spielen kann.

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