Arcandor:Der Zauber ist verflogen

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Thomas Middelhoff ist ein Meister, wenn es darum geht, Phantasien zu schüren. Beim ehemaligen Karstadt-Konzern scheitert er aber.

Stefan Weber

Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind zwei Eigenschaften, ohne die ein Unternehmen nicht auskommt. Vor allem nicht, wenn es an der Börse notiert ist. Anleger und Investoren geben ihr Geld im Vertrauen oder zumindest in der begründeten Hoffnung darauf, dass das Management Wort hält.

Der Handels- und Touristikkonzern Arcandor ist auf gutem Weg, auch noch den Rest an Kredit, den er an den Kapitalmärkten besitzt, zu verspielen. Noch am Mittwoch ließ Vorstandschef Thomas Middelhoff ausrichten, das Touristikunternehmen Thomas Cook bleibe Bestandteil von Arcandor.

"Alles Unsinn"

Er reagierte damit auf Spekulationen, die Banken verlangten für die Bewilligung eines neuen Kredits Sicherheiten. "Alles Unsinn", wiegelte das Management ab. Um dann am späten Abend doch kleinlaut einzuräumen, der Konzern erwäge, die Beteiligungen sowohl an Thomas Cook als auch an der Warenhaustochter Karstadt zu reduzieren.

Arcandor hatte keine andere Wahl. Zu groß ist inzwischen das Misstrauen der Kreditinstitute gegenüber dem früheren Karstadt-Quelle-Konzern. Und das zu Recht. Denn die Lücke zwischen dem Anspruch, den Middelhoff bei seinem Amtsantritt vor gut drei Jahren für Arcandor formuliert hatte, und der Wirklichkeit wird immer größer. In der "Champions League" werde das Unternehmen schon bald wieder spielen, hatte er den Aktionären damals zugerufen. Wer sich von diesen Worten blenden ließ, hat viel Geld verloren.

In Wahrheit steht der Konzern heute mit dem Rücken zur Wand. Der Immobilienbesitz ist verkauft. Zu einem ordentlichen Preis zwar, aber damit gibt es keine Reserve mehr, die in höchster Not zu verkaufen wäre. Im Gegenzug hat sich der Konzern langlaufende, hohe Mietverpflichtungen in die Bücher geholt. Er kann es sich jetzt nicht einmal mehr leisten, schlechtlaufende Warenhäuser zu schließen. Das würde zu teuer.

Dabei ist es erst wenige Monate her, dass sich Middelhoff gleichsam als natürlicher Partner für den vom Metro-Konzern zum Verkauf gestellten Kaufhof ins Gespräch brachte. Ein Vorhaben, das er nie hätte finanzieren können.

Aber Middelhoff ist nun einmal ein Meister, wenn es darum geht, Phantasien zu schüren. Er sieht seine Rolle ohnehin als Stratege, als derjenige, der die große Linie vorgibt. Um das operative Geschäft kümmern sich andere, zuletzt immer häufiger ausgetauschte Manager.

Der frühere Bertelsmann-Manager konnte er sich lange Zeit auf seine persönliche Strahlkraft verlassen. Das ist vorbei. Zu lang ist inzwischen die Liste nicht eingelöster Versprechungen, Irrtümer oder Fehleinschätzungen: Das beginnt bei der Auswahl des Personals. Mancher von ihm als Topkandidat vorgestellte Vorstand, wie der ehemalige Tchibo-Manager Peter Wolf, musste nach kurzer Zeit wieder gehen.

Auch erledigte Middelhoff viele Vorhaben erst sehr viel später als zugesagt, etwa den Verkauf der Warenhausimmobilien. Oder die Sache mit dem Versandhausunternehmen Neckermann. Lange Zeit von ihm als Unternehmen mit Zukunft und als Börsenkandidat gehandelt, verschenkte er am Ende die Mehrheit an einen Finanzinvestor. Jetzt ist Middelhoffs Zauber verflogen. Er hat kein Ass mehr im Ärmel. Auf Druck der Banken muss er Teile von Thomas Cook, der letzten ertragreichen Sparte, die dem Konzern noch verblieben ist, zur Disposition stellen.

Wenn sich Arcandor dann auch noch wie angekündigt bei Karstadt zurückzieht, ist der Konzern am Ende auf das Versandgeschäft reduziert. Damit verbunden wäre eine Personalie, die - wenn auch unter anderen Vorzeichen - ohnehin geplant ist: Marc Sommer, der Chef des Versandgeschäfts, würde Middelhoff ablösen.

Nach dem jetzigen Zeitplan wird dies erst Ende 2009 der Fall sein, wenn Middelhoff, nach Erfüllung seiner Mission, wie er stets betont, ins Investmentgeschäft nach London zurückkehrt. Dieses Versprechen wird er nach Lage der Dinge nicht einlösen. Zwar hat er den Konzern kurz vor der Zahlungsunfähigkeit übernommen und drei Jahre am Leben erhalten. Aber nun stellt sich die Existenzfrage erneut.

© SZ vom 26.9.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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