Arbeitslosenzahl:Scholz greift in die Trickkiste der Statistik

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Bundesregierung will die mehr als 100.000 Arbeitslosen herausrechnen, die von privaten Vermittlern betreut werden.

Thomas Öchsner

Die Bundesregierung will Arbeitslose, die von einem externen Vermittler betreut werden, künftig aus der Arbeitslosenstatistik herausrechnen. Dies geht aus dem Gesetzesentwurf für eine wirksamere Arbeitsmarktpolitik hervor.

Die Zahl der registrierten Personen ohne Job dürfte dadurch im Wahljahr 2009 um mehr als 100.000 sinken. Die Opposition und die Bundesagentur für Arbeit (BA) kritisierten die Pläne scharf.

Erwerbslose, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, etwa weil sie an einem Weiterbildungskurs teilnehmen, werden ohnehin nicht als Arbeitslose gezählt.

Etwa eine Million Menschen ohne regulären Job tauchten deshalb zum Beispiel im Oktober in der Arbeitslosenstatistik nicht auf. Nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) wird dieser Personenkreis nun erweitert.

"Bruch bei der statistischen Erfassung"

Dabei geht es um zuletzt 149.000 Arbeitslose. So viele Joblose suchten vergangenen Monat mit Hilfe von externen Vermittlern eine Arbeit. Nach Angaben der Bundesagentur handelt es sich bei den Vermittlern um "in der Regel gemeinnützige Träger, die zahlreiche Arbeitslose betreuen und im Prinzip nichts anderes machen als ein Vermittler in einer Arbeitsagentur".

Die Herausnahme dieser Arbeitslosen aus den amtlichen Zahlen bezeichnete eine Sprecherin deshalb als "Bruch bei der statistischen Erfassung".

Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der BA sieht das Vorhaben des Ministeriums mit Skepsis. Setze Scholz die Pläne um, "würde die Arbeitslosigkeit in einem Einmaleffekt sinken" und auch später durch den Transfer von Arbeitslosen an beauftragte Dritte beeinflusst werden.

"Dies kann nicht im Sinne einer sauberen Erfassung der Arbeitslosenzahlen sein", heißt es in einer Stellungnahme des Instituts für eine Anhörung im Bundestag.

Deutliche Kritik kam auch von der Opposition: "Olaf Scholz' ,Frisiersalon‘ muss endlich geschlossen werden", sagte Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, der SZ. Der Weg des Ministers in die Vollbeschäftigung führe nicht über neue Jobs, sondern über Statistikmanipulation.

"Solche Kosmetik hilft nicht gegen Arbeitslosigkeit, sondern verschleiert das Problem", so Pothmer. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sprach von "Vernebelungstaktik, das Ausmaß der Arbeitslosigkeit wird nicht ehrlich wiedergegeben."

In Deutschland Tradition

Seit längerem verstecke die Regierung Menschen in Beschäftigungsmaßnahmen, "aber auf diesem Ohr ist der Bundesarbeitsminister taub", sagte Niebel. Das Ministerium verteidigte die Pläne. "Externe Vermittler machen ja auch Angebote zur Weiterbildung und die Leute fit für einen neuen Job." Insofern müsse man diese Arbeitslosen auch nicht mitzählen, sagte eine Sprecherin.

Tricks bei der Arbeitslosenstatistik haben in Deutschland Tradition. Als 1987 die nächste Bundestagswahl anstand, beschloss die Regierung von Helmut Kohl (CDU) die sogenannte 58er-Regelung: Danach bekamen ältere Arbeitslose Unterstützung, ohne einen zumutbaren Job annehmen zu müssen - und wurden nun wegen fehlender Verfügbarkeit auch nicht mehr als Erwerbslose erfasst.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet wegen der Rezession bis 2010 etwa 700.000 Arbeitslose mehr in Deutschland.

© SZ vom 26.11.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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