Anteilseigner gesucht:Bahn scheut US-Börse

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Die neuen Bahn-Aktionäre sollen überwiegend in Europa und Japan geworben werden. An die US-Börse traut sich Bahnchef Mehdorn nicht - aus Angst vor der rigiden Kontrollbehörde SEC.

Claus Hulverscheidt

Die Deutsche Bahn will für ihre künftig börsennotierte Tochtergesellschaft DB Mobility Logistics (ML) vor allem Aktionäre aus Europa und Asien gewinnen. Investoren aus Nordamerika stehen dagegen nicht im Mittelpunkt des Interesses von Konzernchef Hartmut Mehdorn. Die ML-Aktie soll wegen der rigiden Bestimmungen der US-Aufsichtsbehörde SEC auch nicht an der New Yorker Börse notiert werden. "Kein Problem" hätte Mehdorn dagegen mit einem Einstieg der russischen Staatsbahn bei der deutschen Konkurrenz: "Warum auch? Da hinten ist ein neuer Markt", sagte er mit Blick auf das wachsende Güterverkehrsaufkommen zwischen Deutschland, Russland und China.

Die neuen Aktionäre will die Bahn überwiegend in Europa und Japan begeistern. Amerika steht auf der Prioritätenliste eher unten. (Foto: Foto: AP)

Vorbilder des neuen Teilkonzerns sind Mehdorn zufolge die privaten Personenverkehrsgesellschaften in Japan und Güterverkehrsbetriebe in den USA. Den Investoren will er die Bahn als besonders umweltfreundliches Verkehrsmittel präsentieren, das von den ständig steigenden Energiepreisen - gemessen an Straßen- und Luftverkehr - sogar profitieren könnte.

Im Blick hat Mehdorn institutionelle Anleger, also große Investmentfonds und Versicherungen aus dem In- und Ausland. In Europa und Japan soll es aber auch eine Quote für Privatanleger geben, hinzu kommt das Mitarbeiterprogramm für Beschäftigte in Deutschland. Investoren in den USA könnten sich über Frankfurt oder London mit Aktien versorgen, sagte der Bahn-Chef.

"Solide Anlage"

Für die Aktionäre will ML eine "solide Anlage" sein. "Zum Spekulieren sind wir nicht geeignet", sagte Mehdorn, der sowohl den Gesamtkonzern als auch ML führt. Bei der Festlegung der Dividende will er sich am Vorgehen vergleichbarer Unternehmen orientieren.

Mehdorn präsentierte erstmals Kennzahlen für den neuen Teilkonzern, der in diesem Herbst oder im Frühjahr 2009 zu knapp 25 Prozent an die Börse gehen soll. Mehr hatte die Bundesregierung als Eigentümerin der Bahn nicht gestattet. Sie will auch verhindern, dass die neuen Anteilseigner die Schließung von Strecken und Bahnhöfen durchsetzen können.

ML umfasst die Bereiche Personenverkehr, Güterverkehr und Logistik und erwirtschaftete 2007 rechnerisch einen Umsatz von 29,9 Milliarden Euro. Das sind 96 Prozent der bisherigen Gesamteinnahmen der Bahn. Der neuen Tochter werden auch 6,3 Milliarden Euro der Konzernnettoschulden von 16,5 Milliarden Euro zugerechnet. Vom operativen Gewinn vor Sondereffekten von 2,4 Milliarden Euro entfallen 1,9 Milliarden Euro auf ML. Anders sieht das Verhältnis nur bei den Beschäftigten aus: Zurückgerechnet auf die Zahlen des vergangenen Jahres sind 174.300 der insgesamt 237.000 Bahn-Mitarbeiter für ML tätig.

Aufsichtsrat stimmt zu

Befürchtungen, dass die nicht zur ML gehörenden Konzerntöchter wie etwa Schienennetz und Bahnhöfe künftig noch stärkerem politischen Einfluss ausgesetzt sein könnten, hat Mehdorn nach eigenem Bekunden nicht. Auch die zu 100 Prozent staatlichen Unternehmen seien per Gesetz zu wirtschaftlicher Arbeit verpflichtet. Er habe allerdings in den vergangenen Monaten "verstehen müssen, dass wir politiknah unterwegs sind", sagte der Konzernchef.

Der Aufsichtsrat der Bahn stimmte dem mit der Bundesregierung ausgehandelten Vertrag über den Börsengang am Mittwoch zu. Aufsichtsratschef Werner Müller sagte, damit seien die grundsätzlichen strukturellen und gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für die Teilprivatisierung geschaffen. Das 21-köpfige Kontrollgremium nahm zudem ein neues Mitglied auf: Für den früheren Chef der Gewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, rückt dessen Nachfolger Lothar Krauß nach. Hansen hatte Anfang Juni seine neue Stelle als Personalvorstand der Bahn AG angetreten.

© SZ vom 26.06.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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