Anteilseigner fordern Rücktritt:Pfiffe für Schrempp

Lesezeit: 2 min

DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp steht härter in der Kritik als je zuvor. Erstmals wurde der Konzernlenker auf der Hauptversammlung in Berlin auch von Vertretern der größten deutschen Aktienfondsgesellschaften harsch angegriffen. Pfiffe, Buhrufe und Rücktrittsforderungen waren zu hören.

Von Dagmar Deckstein

Klaus Kaldemorgen von Deutschlands größter Publikumsfondsgesellschaft DWS, einer Tochter der Deutschen Bank, stellte die gesamte Strategie des global agierenden Autokonzerns in Frage. Schrempp hatte zuvor vor den Aktionären klar gemacht, dass er an seinem Kurs festhalte: "Auch wenn etwas schief läuft, soll man nicht davonlaufen", sagte er vor den knapp 10.000 Anteilseignern.

Daimler-Mann, was nun? Doch Jürgen Schrempp ging alles in allem bemerkenswert gelassen mit der Aktionärswut um. Foto: AP (Foto: N/A)

Brennpunkte: Gehälter, Chrysler, Mitsubishi

Im Mittelpunkt der Kritik von Fondsmanagern und Kleinaktionären standen die Bezüge des DaimlerChrysler-Vorstands sowie die Dauerprobleme bei der kriselnden US-Sparte Chrysler und dem schwer angeschlagenen japanischen Partner Mitsubishi, der inzwischen 5,7 Milliarden Euro Schulden angehäuft hat.

Schrempp dagegen verteidigte seine globale Strategie, ließ aber durchblicken, dass er nicht auf Biegen und Brechen an Mitsubishi festhalten wolle: "Wir halten uns alle Optionen offen", sagte er. Für 2005 und 2006 stellte er deutliche Ergebnisverbesserungen in Aussicht.

Erstmals offene Kritik der Fonds-Gesellschaften

Die drei größten Aktienfonds-Gesellschaften Deutschlands haben zum ersten Mal ihre bisherige Zurückhaltung abgelegt und sind mit der Konzernstrategie des DaimlerChrysler-Vorstandsvorsitzenden hart ins Gericht gegangen. "Bei DaimlerChrysler ist festzustellen, dass auf Fehlentwicklungen zu spät reagiert wird. Das zieht sich wie ein roter Faden durch das Unternehmen", empörte sich etwa DWS-Vertreter Kaldemorgen.

Anleger hegten an Schrempps zur Schau getragenem Zweckoptimismus immer größere Zweifel. Es sei zu befürchten, dass die problematischen Entwicklungen bei Chrysler und Mitsubishi Motors den Konzern insgesamt gefährdeten, warnte der DWS-Fondsmanager. Der Vorstand habe das Vertrauenskonto der Anteilseigner deutlich überzogen. Das Investment in DaimlerChrysler habe sich für die DWS mehr als enttäuschend entwickelt. Während die BMW-Aktie in den vergangenen fünf Jahren um 49 Prozent gestiegen sei, habe das DaimlerChrysler-Papier 47 Prozent verloren.

"Massive Wertvernichtung"

In die gleiche Kerbe hieb Fondsmanager Thomas Meier von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volksbanken und Raiffeisenkassen. Die Fusion mit Chrysler habe zu einer "massiven Wertvernichtung" geführt: Riesige Kosten für Umstrukturierungen, operative Verluste und das Engagement bei Mitsubishi belasteten das Ergebnis. Trotz neuer Rekorde bei Mercedes und DaimlerChrysler Services sei die Rendite alles andere als wettbewerbsfähig. Das größte Risiko des Konzerns seien seit Jahren dessen Vorstand und Aufsichtsrat, die an einer acht Jahre alten Strategie festhielten.

Michael Schneider von der Deka-Investment kündigte an, dass seine Fondsgesellschaft Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten wolle. Schrempp habe den Konzern in eine "sehr schwierige Lage" gebracht. Der Vorstand habe 2003 für seine Kapitalvernichtung 40 Millionen Euro kassiert.

Schrempp nur ein Machtpolitiker?

Beim Wettbewerber BMW, der weit besser dastehe, seien es nur elf Millionen Euro gewesen. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) erklärt gar das Projekt der Welt AG für gescheitert. Schrempp stehe für eine "extrem effektive Machtpolitik", darauf ausgerichtet, die eigene Position zu sichern, so SdK-Vertreter Lars Labryga. Die in Aussicht gestellte Vertragsverlängerung Schrempps bis 2008 durch den Aufsichtsrat bezeichnete Labryga als "peinliches Herumgehampel"; daher fordere er den Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper.

Viele Aktionärsvertreter hatten angekündigt, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse wurden Entlastungsergebnisse von 90 und mehr Prozent erwartet. Alle darunter liegenden Werte bedeuten nach allgemeinem Dafürhalten eine symbolische Ohrfeige für die DaimlerChrysler-Spitze. Die Versammlung dauerte bei Redaktionsschluss noch an.

© SZ vom 8.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: