Anleger:Gefährliche Stop-Loss-Order

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Worauf Privatanleger bei stark schwankenden Märkten achten sollten - und warum Langfristdenken geboten ist.

Von Harald Freiberger, München

An diesem Donnerstag wird es für Anleger wieder gefährlich. Die US-Notenbank Fed entscheidet über die Zinsen, und es könnte sein, dass sie den Leitzins erstmals seit zehn Jahren anhebt. Die Finanzmärkte sind extrem nervös. Je nachdem, wie die Entscheidung ausfällt und wie die Fed sie begründet, kann es an den Börsen zu starken Kursausschlägen kommen. Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, bereitet die Investoren schon seit längerer Zeit darauf vor, dass sie sich an volatile, also stark schwankende Märkte gewöhnen müssen.

Das bringt auch Privatanleger in ein Dilemma: Einerseits raten ihnen Experten, in Zeiten des Nullzinses langfristig in den Aktienmarkt zu investieren, andererseits werden sie durch extreme Verluste wie vor drei Wochen abgeschreckt. "Der 24. August war eine Katastrophe für Anleger, die mit Stop-Loss-Aufträgen unterwegs waren", sagt Andreas Beck vom Institut für Vermögensaufbau in München.

Ein solches Instrument ist eigentlich dazu da, Verluste mit Aktien oder börsengehandelten Fonds, sogenannten ETFs (für exchange-traded funds), zu begrenzen. Ein Beispiel: Ein Anleger kauft eine Aktie bei einem Kurs von 100 Euro. Um sich vor hohen Verlusten zu schützen, gibt er eine Stop-Loss-Order über 95 Euro ab. Das bedeutet, dass die Aktie automatisch verkauft wird, wenn sie unter 95 Euro fällt.

Am 24. August konnten solche Orders eine fatale Wirkung entfalten, weil die Aktienmärkte bei der Eröffnung der Wall Street durchdrehten. Vorbörslich hatte es schon so viele Verkaufsaufträge gegeben, dass die Händler nicht mehr in der Lage waren, alle Orders zu verarbeiten. Es kam zu massenhaften Kurseinbrüchen und Handelsunterbrechungen. Minutenlang herrschte Chaos. Als die ersten Kurse gestellt wurden, lagen diese für viele Aktien und ETFs zweistellig im Minus, im Extremfall gar 50 Prozent. Die Lage beruhigte sich manchmal erst nach Stunden. Dann machten viele Papiere ihre Verluste wett, am Tagesende standen sie nicht mehr so stark im Minus.

Für Anleger, die einen Stop-Loss gesetzt hatten, bedeutete dies aber, dass ihr Wertpapier automatisch verkauft wurde, und zwar zum ersten Kurs des Tages. Wenn dieser 20 Prozent unter dem Vortageskurs lag, wurde das Papier losgeschlagen - selbst dann, wenn der Stop-Loss-Auftrag fünf Prozent unter dem Ausgangswert lag. Besonders ärgerlich ist das dann, wenn der Kurs den Verlust gleich anschließend wieder aufholt.

"Ein Stop-Loss-Auftrag kann eine Scheinsicherheit suggerieren, vor allem in stark schwankenden Märkten, in denen Aktien vom Handel ausgesetzt werden", sagt Ali Masarwah von der Fonds-Ratingagentur Morningstar. Privatanleger, die für das Alter vorsorgen wollen, sollten ohnehin eine langfristige Perspektive haben. "Volatilität sollten sie aushalten können, Stop-Loss-Aufträge sind für Privatanleger nicht unbedingt eine gute Idee." Im Übrigen rät er Anlegern, ETFs dann zu ordern, wenn die entsprechenden Börsen geöffnet haben und breiterer Handel stattfindet, also einen US-Indexfonds erst wochentags ab 15.30 Uhr. Sonst könne es sein, dass Händler höhere Kurse stellen, um sich selbst abzusichern.

Auch Experte Beck hält wenig von Stop-Loss-Orders für langfristig orientierte Privatanleger. "Kurzfristige Schocks an der Börse sollten ihnen egal sein", sagt er. Sonst bestehe die Gefahr, dass sie bei einem Crash herausgeworfen werden und nur zu deutlich höheren Kursen wieder in den Markt hineinkommen. Der 24. August, als sich die meisten Kurse bald darauf wieder erholt hatten, ist das beste Beispiel dafür.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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