Angriff auf Myspace:Online-Poesie aus Kreuzberg

Lesezeit: 3 min

Mit Bloomstreet imitieren Christoph Homann und Pascal Zuta das amerikanische Myspace - Die Wagniskapitalgesellschaft von Bertelsmann haben sie bereits überzeugt.

Thorsten Riedl

Die deutsche Antwort auf das amerikanische Phänomen Myspace.com heißt Bloomstreet und residiert in Berlin-Kreuzberg. Im dritten Stock in einem alten Industriehof, direkt über einer Metallschmiede, haben Pascal Zuta und Christoph Homann Quartier bezogen. Mit gut einem Dutzend Mitarbeitern wollen die Betriebswirte an den Erfolg des US- Konkurrenten anschließen.

Die Berliner wollen die Vormachtstellung von Myspace knacken. (Foto: Foto: Screenshot)

"Was Myspace seit 2003 macht, wollen wir auf ein Niveau von heute transportieren", sagt Zuta. Bertelsmann haben die Gründer bereits überzeugt. Über seine Wagniskapitalgesellschaft Bertelsmann Digital Media Investments hat sich der Medienkonzern an der Firma beteiligt. Was noch fehlt, sind die Nutzer - denn ohne die läuft nichts im Web 2.0, der Neuauflage des Internet.

Ohne Nutzer läuft nichts

Anfang März ist der jüngste deutsche Versuch online gegangen, nicht allein den Amerikanern das Internet zu überlassen. Das Ziel: Die Vormachtstellung von Myspace zu knacken. Dabei befindet sich die Konkurrenz in fußläufiger Entfernung. Die deutsche Niederlassung von Myspace hat ihren Sitz nur gut fünf Kilometer Luftlinie entfernt von Bloomstreet aufgeschlagen.

Im Internet gibt es die Seite des US-Rivalen nun schon seit dreieinhalb Jahren. Vorwiegend Teenager klären die Weltöffentlichkeit dort auf ihrer persönlichen Profilseite über ihr Leben, ihre Vorlieben und ihren Musik- und Filmgeschmack auf. Das Online-Poesiealbum hat inzwischen annähernd 140 Millionen Anmeldungen, darunter mehr als 2,5 Millionen Deutsche.

Davon können die Macher von Bloomstreet bislang nur träumen. Sie haben in den vergangenen Tagen erst wenige hundert Nutzer gewinnen können. "Koloss Myspace", wie ihn Zuta und Homann nennen, beherrscht das Gespräch - auch wenn gar nicht die Rede von dem Platzhirschen ist.

"communities" für Deutschland

Ihre Firmenidee hatten der 28-jährige Zuta, Diplom-Kaufmann von der European Business School in Oestrich-Winkel, und der 29-jährige Homann, ebenfalls Betriebswirt von der privaten Hochschule WHU in Koblenz, Ende 2005. Damals seien sie mit den Gemeinschaften von Internetnutzern - im mit Anglizismen durchsetzten Jargon der Branche als "community" bekannt - in Kontakt gekommen. Wie könnte so etwas in Deutschland aussehen, hätten sie sich gefragt, erklärt Homann.

Der Gründer mit dem gescheitelten Haar arbeitete damals bei der Bertelsmann-Tochter RTL und vermarktete das Radiogeschäft. Zuta hatte sich gerade von seiner Filmproduktionsfirma losgesagt und ein Ausbildungsprogramm bei Bertelsmann begonnen. Und bei der Frage nach dem Aussehen der Web-Seite kamen sie auf ähnliche Antworten wie Tom Anderson und Chris DeWolfe, die Macher von Myspace.

Werkzeuge für die weiße Wand

Bloomstreet ähnelt ohne Zweifel Myspace, dabei wirkt die Neugründung moderner. Zuta und Homann betonen die Unterschiede im Detail. "Bei Myspace heißt es: 'Wir sind eine weiße Wand, mache daraus, was du willst.' Wir sagen das auch - aber wir geben den Nutzern die Werkzeuge an die Hand", erklärt Zuta.

Bei Bloomstreet habe der Surfer mehr Gestaltungsfreiheit, ergänzt sein Kollege. Wolle er etwa auf seinem Bloomstreet-Profil einen Kasten zum Abspielen von Videos lieber in der oberen rechten Ecke haben, könne er ihn leicht dort hinbewegen. Und wenn Homann diese Einfachheit beschreibt, schiebt er mit seinen Händen auf einem imaginären Monitor eine ebenso erdachte Videobox von links unten nach rechts oben.

Dennoch bleibt die Frage im Raum: Mangelt es den Deutschen an Ideen im Internet? Bloomstreet ist nicht das einzige Beispiel der Web-2.0-Welle, bei dem ein amerikanisches Vorbild imitiert wird. So ahmt Mister-Wong.de den US-Dienst del.icio.us nach, StudiVZ.de kopiert Facebook.com, Myvideo.de ähnelt Youtube.com.

Der technologische Unterschied

Die beiden Gründer lassen den Vorwurf dennoch nicht gelten. Zuta vergleicht Myspace und Bloomstreet mit zwei Wagen. Das Auto von früher ähnele zwar dem von heute, es sei aber eben nicht das gleiche.

"Wir tun eine Menge Dinge, die uns technologisch unterscheiden", sagt er. "Und wir haben dazu noch einiges im Köcher." Zudem seien viele gute Talente nach dem Platzen der Internetblase aus Deutschland nach Übersee gegangen, ergänzt Homann. "Die Innovationskultur ist in den USA stärker ausgeprägt."

Geld wollen Homann und Zuta vor allem mit Online-Anzeigen auf Bloomstreet verdienen. "Deshalb war uns wichtig, dass wir von Anfang an Werbung auf der Plattform haben", erklärt Homann. Hinzu sollen künftig Einnahmen über den Verkauf von digitalen Liedern kommen. Denn Musikgruppen sind neben Web-Surfern die zweite Zielgruppe von Bloomstreet.

Gewinn in Aussicht?

"Ja, Myspace hat viele, viele Nutzer weltweit - aber die Band aus dem Vorort von Hannover geht da leicht unter", sagt er. Über Kooperationen mit Musikschulen habe Bloomstreet in den wenigen Wochen daher bereits 400 Gruppen auf die Plattform geholt. Richard Sarnoff, Leiter des Wagniskapitalfonds bei Bertelsmann mit Sitz in den Staaten, hat das Konzept der jungen Deutschen überzeugt.

Mit 50 Millionen Euro ist der Fonds ausgestattet. Wie viel davon in Bloomstreet geflossen ist, sagen die Unternehmensgründer nicht. Ebenso schweigen sie zur Frage, wann der Betrieb Gewinn abwerfen wird.

© SZ vom 26.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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