Anfrage im Bundestag:Kritik an Darlehen der Versicherer

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Die Grünen werfen einigen Versicherern vor, sich gegenseitig Nachrangkredite gewährt zu haben, um die Eigenmittel zu erhöhen. Dadurch entstehe ein höheres Risiko für die Branche, falls ein Versicherer ausfällt.

Von H. Fromme, F. Krieger, Köln

Haben sich einige Versicherer kurz vor Inkrafttreten der neuen EU-Eigenkapitalregeln Solvency II Anfang 2016 noch rasch hohe Summen gegenseitig als Darlehen gegeben, um ihre Eigenmittel aufzupumpen? Haben sie dadurch ein höheres Risiko für den Fall, dass ein Versicherer ausfällt? Diesen Verdacht hegen die Verbraucherorganisation Bund der Versicherten (BdV) - und der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick, der dazu eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt hat.

Die Versicherer weisen die Verdächtigung zurück. Die Bundesregierung sieht nach der auf den 6. November 2017 datierten Antwort an Schick keinen akuten Handlungsbedarf, weil die entsprechenden Darlehen ab 2026 nicht mehr als Eigenmittel gelten. Schick findet das nicht akzeptabel: "Gut, dass diese Umgehungsmöglichkeit der Solvenzregeln künftig nicht mehr akzeptiert wird", sagt er. "Aber ich finde den Übergangszeitraum, in dem die bisherigen Tricks akzeptiert werden, viel zu lang."

Eigenkapital ist knapp für viele Versicherer, gerade wenn sie die Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) haben. Ein VVaG hat keine Aktionäre, er gehört seinen Kunden - so wie ein Tennisklub seinen Mitgliedern gehört. Der Verein muss keine Dividende an Aktionäre zahlen, kann sich aber auch nicht durch die Ausgabe von Aktien an der Börse Kapital besorgen. Die VVaGs müssen sich ihr Kapital selbst verdienen und Gewinne in Eigenkapital umwandeln. Bis Ende 2015 akzeptierte die Versicherungsaufsicht auch Nachrangdarlehen als Eigenkapitalersatz, also Kredite, die im Insolvenzfall hinter anderen Forderungen zurückstehen.

Im Juli warf der Bund der Versicherten fünf Versicherungsvereinen vor, sich im Ringverfahren Nachrangdarlehen gegeben zu haben. Der BdV nannte Volkswohl Bund, LV 1871, Continentale, VPV und Debeka. Sie sollen Millionen Versichertengelder als Kapitalanlage in Form eines Nachrangdarlehens bei anderen Versicherern investiert haben. Dadurch entstehe ein erhöhtes Risiko, so der BdV und Versicherungsanalyst Carsten Zielke: Wenn ein Versicherer in eine Schieflage gerät, reißt er andere Versicherer mit. BdV-Chef Axel Kleinlein sprach von einer "fragwürdigen Unternehmenspolitik". Die Versicherer wehren sich: "Dass sich Versicherer über Fremdkapital finanzieren, ist völlig normal", sagte Debeka-Vorstand Roland Weber.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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