Andrang auf die Fitnesstudios:Hanteln, Schwitzen, Preise drücken

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Die Mitgliederzahlen in den Fitnessstudios erreichen mal wieder Rekordniveau. Der große Andrang heizt den Wettbewerb an: Es gibt mehr Dumpingpreise und Partnerangebote.

Von Hanna Maier, München

Niemand macht heute noch Liegestütze. Heutzutage heißt es Push-ups. Und Heimtrainer stehen nur noch in verstaubten Kellern, stattdessen gehen alle zum Spinning. In einem Raum mit Trainer fahren sie in der Gruppe Fahrrad, ohne sich vom Fleck zu rühren. Laute Musik, virtuelle Steigungen und am Ende das gemeinsame Erfolgserlebnis. Viele Deutsche lieben es, in der Gruppe zu schwitzen.

Die Mitgliederzahl in Fitnessstudios hat einen Höchststand erreicht. Bereits vor zwei Jahren waren 8,6 Millionen ein Rekord, für 2014 zählt das Beratungsunternehmen Deloitte 9,1 Millionen Studio-Mitglieder, also eine halbe Million mehr als im Vorjahr. Ander ausgedrückt: 11,2 Prozent aller Deutschen besuchen ein Fitnessstudio.

Was sind die Gründe für diesen Andrang? Als wesentliche Faktoren nennt Deloitte den wachsenden Wohlstand und die Maßnahmen der Unternehmen zur gesundheitliche Prävention. Manche Arbeitnehmer können sich die Gebühren für ihr Fitnessstudio ganz oder teilweise vom Chef bezahlen lassen. Mit Gesundheitswerbung lässt sich mehr Geld verdienen als mit dem Versprechen von Muskelbergen.

Doch die Zahl ist mit Vorsicht zu genießen. Sie bedeutet fürs erste nur, dass über neun Millionen Deutsche Beiträge in einem Fitnessstudio bezahlen. Die Zahl der aktiven Mitglieder dürfte wesentlich kleiner sein. Erhoben ist sie nur für die Onlineangebote. Von 350 000 Registrierten bei Internetangeboten sind nur 65 000 tatsächliche Nutzer. Klar, es ist ja auch schick, eine Fitness-App auf dem Handy zu haben und zu hoffen, dass man sich jeden Morgen zehn Minuten lang startklar machen lässt von einem Speed-Workout - das hieß früher mal Kurzzeit-Training. Doch der größte Feind der Fitnessbranche ist die menschliche Faulheit.

Immer mehr Deutsche wollen etwas für ihre Gesundheit tun. Noch nie erwarben so viele die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. (Foto: Imago Stock&People)

Trotzdem sind die Zahlen Gold wert. Sie sind die beste Werbung für die Studiobranche. In den letzten zehn Jahren gab es einen harten Konkurrenzkampf, vor allem in den Städten. Es geht um ein Riesengeschäft, von allein im vergangenen Jahr 4,7 Milliarden Euro. Eine Branche, die immer neue Mitglieder generiert, ist attraktiv für Unternehmer. Es wurde investiert, gekauft und verdrängt. "Der Markt in den Städten* ist der Sättigung nahe", sagt Niels Gronau. Er ist Gründer von Edelhelfer, einem "Unternehmensdienstleister", der Marktforschung im Fitnessbereich betreibt. Der Konkurrenzkampf wird immer unerbittlicher.

Unter dem Druck entstehen neue Konzepte, wie das des Urban Sport Clubs. Mit einer Mitgliedschaft zwischen 39 und 99 Euro können knapp 100 Fitnessstudios in ganz Berlin besucht werden - markenübergreifend. Für die Kunden ist das ein großer Vorteil: Wenn sie dienstags Lust auf Klettern haben, können sie am Donnerstag beschließen Yoga zu machen. Oder eben zum Spinning zu gehen. Die Idee funktioniert. Der Plan ist, schon bald das Angebot auf andere europäische Städte auszuweiten.

Wrestler-Neuling Tim Wiese testet den Functional Tower im Discount-Sportstudio

Druck ist innerhalb des Marktes, Druck kommt von außen. Deshalb müssen immer neue Konzepte her. An diesem Donnerstag beispielsweise wird sich der Torhüter und Wrestler-Neuling Tim Wiese am Functional Tower ausprobieren. Denn von nun an "grenzt sich McFit im Markt über den Preis ab". Niels Gronau beschreibt so das neue Konzept des größten Fitnessdiscounters in Europa. Seit Jahren führt McFit die Ranglisten der Branche an. Europaweit hat das Unternehmen die meisten Mitglieder: 1,2 Millionen Menschen zahlen zwanzig Euro monatlich, um zumindest die Möglichkeit zu haben, sich regelmäßig auf ein Laufband zu stellen. Doch McFit will mehr. Deshalb eröffnen am Donnerstag vier Studios mit neuem Konzept. High5 nennt sich, was ab 9,99 Euro zu haben ist.

Mit der Beschränkung auf ein Studio und mit der Auflage, nur in bestimmten Abschnitten trainieren zu können, hat sich McFit eine Art Einstiegsdroge in die Welt der Fitnessstudios überlegt. Kernkonzept ist das Functional Training (früher hieß das Muskelaufbau) - dafür braucht es wenige aufwendige Geräte, hauptsächlich eben diesen Geräteturm, an dem bis zu 20 Personen gleichzeitig trainieren können. Und Tim Wiese.

Der Preisdruck ist mittlerweile so groß, dass McFit nicht mehr der günstigste Anbieter auf dem Markt sein konnte. Wer sich nun für knapp 9,99 in die Studios begibt, kann selbstverständlich auch aufbuchen. Für zehn Euro mehr im Monat ist dann überall in Europa das ganze Paket zu haben. Die echte Neuerung besteht darin, dass man zu jedem Training auch noch einen Freund mitbringen kann.

Denn im Gruppensport liegt der wahre Reiz der Fitnessstudios. Die Mitglieder laufen nicht allein durch den Wald, sondern sie können einander gegenseitig motivieren. Deshalb gibt es Partner- und Freundesrabatte. Und deshalb stehen 20 Heimtrainer in einem Raum des Fitnessstudios .

*In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der gesamte Markt sei der Sättigung nahe. Dies trifft nach Einschätzung Herrn Gronaus höchstens für Ballungsräume zu. Außerdem wurde er als "Fitnessmarkt-Experte bei Deloitte" bezeichnet, ist dies aber seit dem vergangenen Jahr nicht mehr.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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