Analyse:Ende einer Rekordjagd

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(Foto: SZ Grafik)

Die Abgasaffäre kommt Volkswagen teuer zu stehen. Der Quartalsverlust ist hoch, die Rückstellungen hauen rein. Die Abgasaffäre bedeutet auch das Ende des "Höher, Schneller, Weiter". Aus dem Konzern sind jetzt neue Töne zu hören.

Von Thomas Fromm

Auf den ersten Blick ist es natürlich eine seltsame Sache. VW fährt einen Verlust von 3,5 Milliarden Euro im Quartal ein und damit rote Zahlen wie seit zwei Jahrzehnten nicht - aber die Aktie steigt erst Mal kräftig an und führt zwischenzeitlich sogar den Dax an. Die Erklärung dafür: VW ist nicht im Minus, weil man keine Autos in den vergangenen Wochen und Monaten verkauft hätte. Wegen der Abgasaffäre haben die Wolfsburger vor einigen Wochen 6,7 Milliarden Euro zurückgelegt, um teure Rückrufe und Umrüstungen zu bezahlen. Immerhin sind weltweit an die elf Millionen Autos von der Affäre betroffen.

6,7 Milliarden Euro also, die jetzt voll reinhauen und das Ergebnis in die Tiefe reißen. Das bedeutet natürlich auch, dass man auf das Gesamtjahr kaum mit einem Gewinn rechnen darf. 2015, das ist bei VW nicht nur das Jahr der manipulierten Dieselmotoren. Es ist auch das Jahr, in dem eine jahrelange Jagd nach immer neuen Rekordgewinnen endet.

Der Umsatz stieg in den vergangenen Monaten um 8,5 Prozent auf 160 Milliarden Euro an, und doch steht VW vor schwierigen wirtschaftlichen Zeiten. Das Problem wird am Ende weniger die Bilanz für 2015 sein, und es sind nicht einmal die 6,7 Milliarden Euro. Das Problem ist, dass dieses Geld auf keinen Fall reichen wird, um all die Schadenersatzforderungen und Strafen zu bezahlen, die in den nächsten Jahren auf VW zukommen werden. Allein in den USA könnte der Fall an die 18 Milliarden Dollar kosten; insgesamt rechnen Experten mit Summen von 30 bis 50 Milliarden Euro und mehr. Was wird erst dann aus den Geschäftszahlen?

Der neue VW-Chef, Mathias Müller, lobt die "starke Substanz des Volkswagen-Konzerns", auch wenn "erste Auswirkungen der derzeitigen Situation klar zutage" treten würden.

Müller weiß, dass die härtesten Zeiten wohl noch erst bevorstehen, und deshalb hat er am Tag der roten Zahlen schon mal vorgesorgt. In den nächsten Monaten soll an einer neuen Strategie der Zeit bis 2025 gefeilt werden, Mitte 2016 soll sie stehen.

Diese neue Strategie bedeutet, kurz zusammengefasst: Bei VW wollen sie künftig nicht mehr um jeden Preis die Größten sein. "Dem 'Höher, Schneller, Weiter' wurde vieles untergeordnet, vor allem die Umsatzrendite", sagte Müller. Jetzt werde es nicht mehr darum gehen, 100 000 Fahrzeuge mehr oder weniger als die Konkurrenz zu verkaufen. "Volkswagen wird aus der aktuellen Situation stärker als zuvor hervorgehen", sagte der Volkswagen-Chef.

Neue Töne also aus einem Unternehmen, das immer Wert darauf legte, größer zu sein als die anderen beiden großen Konzerne, Toyota und General Motors. Vielleicht hat auch diese Ambition mit dazu beigetragen, dass in den USA Dieselmotoren mit Schummel-Software programmiert wurden. Auffällig an diesem Mittwoch: Es gibt viele Begriffe, die das beschreiben, was bei VW jahrelang betrieben wurde. Affäre, Skandal, Diesel-Gate. Der Konzern dagegen spricht nur von der "Dieselthematik".

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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