Altmühltaler:An der Quelle

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Nach einem Skandal um gepanschtes Bier sattelte die fränkische Unternehmerfamilie Schäff auf Mineralwasser um. Der Betrieb agiert so verschwiegen wie seine Eigentümer.

Von Uwe Ritzer

Wie viel Lust der Verleger überhaupt noch auf das Zeitungsgeschäft hatte, ob Georg Schäff tatsächlich bis zum Schluss am Donaukurier hing, darüber gehen die Meinungen auseinander. Manche erzählen, er habe gar vor Rührung und Bedauern geweint, als er Ende November die Mitarbeiter über den überraschenden Verkauf der Ingolstädter Regionalzeitung an den Verlag der Passauer Neuen Presse informierte. Es sei das Beste so, soll er sinngemäß gesagt haben.

Einige vermuten, es könnten auch Tränen der Erleichterung gewesen sein. Georg Schäff sei der Zeitungsarbeit länger schon erkennbar überdrüssig und immer seltener präsent gewesen, konnte sich aber dann plötzlich über nichtige Fehler in Lokalteilen aufregen. Nun ist er den 2009 von seiner Großmutter geerbten Donaukurier am 1. Januar 2017 los und kann sich anderen Geschäften widmen. Jenen womöglich, die seine Familie reich gemacht haben. Und bei denen Zeitungen, Medien überhaupt, keinen Platz haben.

"Wir geben grundsätzlich keine Auskünfte und beantworten auch keine Fragen", sagt Günter Kutschera freundlich am Telefon. "Die Schäff-Gruppe ist ein rein privates Unternehmen." Man könnte auch sagen: Sie ist eine verschachtelte Getränke-Dynastie, ein undurchsichtiges Konglomerat von Firmen im In- und Ausland, bei dem Kutschera der wichtigste familienfremde Manager ist. Geschäftliche Schäff-Spuren weisen kreuz und quer in alle Richtungen und einige versanden am Ende in der steuergünstigen Schweiz, bei Treuhändern im Kanton Appenzell.

Die Familie gehört zu den verschwiegensten und erfolgreichen Unternehmer-Clans dieses Landes: Patron Fritz Schäff, 78, wenig zimperlich im Umgang und leidenschaftlicher Jäger, von dem unklar ist, ob er im Tagesgeschäft noch mitmischt. Und seine Söhne Georg, 47, und Michael, 49, Noch-Herausgeber des Donaukurier der eine, Chef des familiären Getränkeimperiums der andere.

Das Prinzip: Große Mengen möglichst schnell umsetzen

Die Schäffs sind extrem öffentlichkeitsscheu, selbst in ihrer fränkischen Heimat treten sie nie auf, Pressefotos neueren Datums gibt es nicht. Der Clan lässt nichts Privates nach außen dringen und nur selten sickert etwas über seine Geschäfte durch. Mit der Heimlichtuerei ist die Schäff-Gruppe in den vergangenen Jahren gleichwohl zu einem Riesen in der deutschen Getränkeindustrie herangewachsen. Wenn dann doch ab und zu etwas über das Unternehmen in der Zeitung stand, war das aber selten schmeichelhaft. Dann ging es um Ärger mit der Justiz, Kritik am Umgang mit Personal oder das Ausbeuten von wertvollem, 10 000 Jahre altem Tiefenwasser.

Die Schäffs sind die Billigheimer der Branche. Sie setzen auf Masse. Etwa die Hälfte des Mineralwassers hierzulande wird von Discountern verkauft und Schäff beliefert sie fast alle. Anderthalb Liter für 20 Cent - bei solchen Ladenpreisen wird in Cent-Bruchteilen kalkuliert. Die Schäff-Gruppe sei ein "chronisch an der Selbstkostengrenze operierender Billigwasserspezialist", schrieb das Getränke-Fachblatt Inside. Das statistische Bundesamt listete sie 2015 als drittgrößten Mineralwasserverkäufer nach der Schwarz/Lidl-Tochter MEG und der Hansa-Heemann AG auf. Zusätzlich zum Mineralwasser rühren die Schäffs auch Fruchtschorlen und andere Mischgetränke zusammen. Ihre Firmengruppe wächst stetig und ihre Wasserwerke sind logistisch geschickt über die Republik verteilt: Altmühltaler im bayerischen Treuchtlingen (wo eine Zeit lang auch der Energy-Drink Flying Horse gemixt wurde), Brandenburger Urstromquelle südlich von Berlin und Vitaqua im nordhessischen Breuna sind die wichtigsten Standorte.

Schätzungsweise weit mehr als 1000 Mitarbeiter (die genaue Zahl ist natürlich geheim) pumpen jedes Jahr zig Milliarden Liter Wasser aus Quellen und füllen sie in hochautomatisierten Fabriken ab. Große Mengen in rasender Geschwindigkeit rentabel auf den Markt zu schütten ist neben Verschwiegenheit das Geschäftsprinzip.

Dabei läuft nicht alles glatt und manches ist sogar rätselhaft. 2015 etwa kaufte sich Schäff beim rheinischen Mineralbrunnen Rhenser ein, der nun Anfang Dezember Antrag auf ein Insolvenzverfahren stellte. Bei Neuselters, ebenfalls eine Neuerwerbung des Jahres 2015, kündigte man zunächst hohe Investitionen an, um die Firma nach wenigen Monaten ganz zu schließen. Erfolgreicher scheint ein anderer Deal. Im Privathubschrauber soll Michael Schäff bei der westfälischen Heil- und Mineralquellen Germete eingeschwebt sein, "mit einem prall gefüllten Geldkoffer", wie Inside schrieb, um mit einem "unablehnbaren Angebot" den Eigentümern die Firma abzukaufen. Für 100 Millionen Euro, so wird kolportiert.

Doch so breitbeinig das Familienunternehmen heute daherkommt - der Aufstieg begann vor 30 Jahren mit einem Skandal.

Ein Besuch in Treuchtlingen im Altmühltal. Mitten in der Kleinstadt, zwischen dem hübsch herausgeputzten Renaissance-Schloss und dem Rathaus von 1893, ragen riesige, hässlich-graue Stahlkessel in die Höhe. Auf der Straße stauen sich die Sattelschlepper. Jahrhunderte lang wurde hier Bier gebraut, etwa ab 1900 von der Familie Schäff. Bis in den Achtzigerjahren aufflog, dass deren Bier schon mal gepanscht und mit Monobromessigsäure versetzt worden war. Es setzte rechtskräftige Urteile mit saftigen Geldstrafen, vor allem aber war der Ruf dahin. Die Brauerei gibt es nicht mehr; stattdessen schöpft und verarbeitet die Firma Altmühltaler Mineralbrunnen auf dem Areal Wasser.

Unter derselben Adresse firmiert auch die BUQ Personal, eine Zeitarbeitsfirma. Georg Schäff, der Donaukurier-Verleger, hatte dort jahrelang einen Zweitjob, als Geschäftsführer. BUQ verleiht Personal ausschließlich an die Firmen der Schäff-Gruppe. Laut Bundesanzeiger waren bei BUQ 2015 durchschnittlich etwa 300 Leiharbeiter angestellt. Zu Niedriglöhnen, sagen Gewerkschafter.

Mit Arbeitnehmerrechten sei es im Schäff'schen Getränkeparadies angeblich nicht weit her. "Es wird mit Angst regiert", sagt Andreas Kampmann von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Firmengruppe ist nicht tarifgebunden, Betriebsräte sind eher ungern gesehen, gewerkschaftliche Arbeit werde "im Keim erstickt". Der Gabelstaplerfahrer Hans Jochem (Name geändert) hat es am eigenen Leib erlebt.

Als er vor einigen Jahren bei Vitaqua während der Arbeitszeit einem Kollegen eine Beitrittserklärung zur NGG in die Hand drückte, flog er hochkant raus und erhielt Hausverbot. "Wegen rechtswidriger Gewerkschaftsagitation", so der BUQ-Anwalt. Ein Präzedenzfall, der Eindruck machte. Bis heute bringen Gewerkschafter in der Schäff-Gruppe keinen Fuß auf den Boden. Auch das Geschäftsgebaren nach außen ist bisweilen ruppig. Wegen Subventionsbetrug in Zusammenhang mit dem Aufbau des Werkes im brandenburgischen Baruth nach der Wende verurteilte ein Gericht vor Jahren ein Familienmitglied zu einer Bewährungsstrafe.

Mit harten Bandagen kämpft das Unternehmen bei Bedarf auch um seinen wichtigsten Rohstoff: Wasser.

Jenes, das im südlichen Franken 240 Meter tief im Sandsteinkeuper des Altmühltals schlummert, gilt als wertvoll. Reines, sauberes Tiefenwasser, gut und gerne 10 000 Jahre alt. Auch öffentliche Wasserversorger schöpfen aus den riesigen, unterirdischen Vorkommen. Der Streit, wie sehr der Bedarf der Allgemeinheit Vorrang haben muss vor privatwirtschaftlichen Interessen, begann in den Neunzigerjahren und beschäftigte zeitweise auch das Verwaltungsgericht. Immer wieder genehmigte das zuständige Landratsamt der Schäff-Firma Altmühltaler die Förderung von 250 000 Kubikmetern pro Jahr.

Dabei liest sich der behördliche Bescheid des Jahres 2005, als wäre er der letzte seiner Art. Der Verdacht, dass der Tiefenwasserspeicher übernutzt und zu stark ausgebeutet werde, habe sich "erhärtet", heißt es unter Bezug auf entsprechende Expertisen des Wasserwirtschaftsamtes Ansbach. Von einer "fortschreitenden, nicht reversiblen, schädliche Veränderung" des "bislang unbeeinflussten, gut geschützten, fossilen Grundwasserkörpers" warnten die Experten. "Gerade noch vertretbar" sei es, dem Unternehmen die Entnahme der Viertelmillion Kubikmeter für fünf Jahre zu genehmigen. Für die Zeit danach solle sich die Firma besser andere Quellen suchen.

Jahrelang geschah nichts, dann ließ Altmühltaler in der Nähe ein paar Probebohrungen niederbringen, ergebnislos. Dennoch warfen die staatlichen Behörden ihre Bedenken erstaunlich schnell über Bord. Dem ging ein Gespräch an höchster bayerischer Stelle voraus, eingefädelt angeblich von den Schäffs selbst über gute politische Kontakte. Der damalige Umweltminister Marcel Huber persönlich leitete die Runde mit Behörden- und Firmenvertretern.

Pikanterweise wiederholte dort der Chef des Ansbacher Wasserwirtschaftsamtes die alten Bedenken gegen weitere Entnahmen zur Mineralwasserproduktion und verwies auf kontinuierlich sinkende Grundwasserpegel. Vergeblich. Altmühltaler darf bis 2025 weiterhin jeweils 250 000 Kubikmeter Tiefenwasser jährlich ausbeuten.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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