Allianz-Finanzvorstand Perlet:"Schrottpapiere? Wir sind da sehr sauber"

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Allianz-Finanzvorstand Perlet über das schlechte Image der Bank-Manager, die Folgen der Finanzkrise - und warum Cash immer noch King ist.

Marc Beise und Thomas Fromm

Seit elf Jahren kontrolliert Helmut Perlet, 61, die Finanzen des europaweit größten privaten Versicherers Allianz mit Sitz in München. Im ersten Interview seit der Finanzkrise lobt der Oberbayer das Krisenmanagement der Bundesregierung. Für die Kritik an den Managern hat er Verständnis: Es seien viele Fehler gemacht worden. Die Allianz stehe weiter gut da. Sie habe "ausreichend Kapital und ein kerngesundes Versicherungsgeschäft". Der Verkauf der Dresdner an die Commerzbank sei nicht gefährdet: "Alles läuft planmäßig."

Allianz-Finanzvorstand Helmut Perlet (Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Perlet, das Rettungspaket der Bundesregierung ist unter Dach und Fach. Zufrieden mit dem Ergebnis?

Perlet: Das Ergebnis ist grundsätzlich sehr positiv. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die Geschwindigkeit, mit der das gemacht wurde, ist beeindruckend. Ich finde es nur schade, dass wir jetzt eine Diskussion haben, die eine gewisse stigmatisierende Wirkung hat. Also die Frage, wer das Paket in Anspruch nimmt. Da wird der Eindruck erweckt, es wäre jetzt ein Problem, dort mitzumachen. Das kann nicht zum Gelingen des Ganzen beitragen.

SZ: Wie ist denn dieser Eindruck entstanden?

Perlet: Das ist nicht Schuld des Staates, sondern es liegt an verschiedenen Diskussionsbeiträgen, die landauf, landab geleistet werden.

SZ: Einer der Diskussionsbeiträge stammt von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der gesagt haben soll: "Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden."

Perlet: Das möchte ich nicht kommentieren. Ich sage nur so viel: Jedes Institut hat die Möglichkeit, das Maßnahmenpaket zu nutzen. Deswegen sollten sich alle hinsetzen und verantwortungsvoll prüfen, ob das für sie die beste Lösung ist.

SZ: Sie fänden es nicht ehrenrührig, Geld anzunehmen, wenn es sein muss?

Perlet: Nein, absolut nicht. Es geht doch nicht um die Eitelkeiten von Banken und Managern, es geht doch vor allem um die Einlagen von Kunden. Und in deren Interesse muss man die besten Entscheidungen treffen.

SZ: Wenn alle mitmachen müssten, wäre es für keinen peinlich?

Perlet: In den USA hat man in der Tat daraus eine Zwangsveranstaltung gemacht. Allerdings sind in Folge dessen nun einzelne Institute mit 20 Prozent Kernkapitalquote ausgestattet, die uns als Wettbewerber entgegentreten. Das wird schwierig. Während der Grundgedanke in Deutschland ist, nur Problemfälle zu refinanzieren, nutzen andere Länder die Gelegenheit, um die Konkurrenzfähigkeit ihrer Institute zu stärken.

SZ: Wäre es nicht schon aus diesem Grunde für die Allianz sinnvoll, am Programm teilzunehmen?

Perlet: Grundsätzlich gilt für Versicherer das Gleiche, was für Banken gilt. Auch wir müssen uns hinsetzen und sehen, zu welchem Ergebnis wir kommen. Ich möchte aber hinzufügen, dass wir als Allianz ausreichend Kapital und ein kerngesundes Versicherungsgeschäft haben. Die Versicherer scheinen weitaus besser durch die Krise zu kommen als die Banken. Nach allem, was man weiß, sind von diesen kritischen Wertpapieren nicht allzu viele in den Bilanzen der Versicherer vorhanden.

SZ: Die Milliarden-Krise des US-Versicherers AIG ist nicht der Anfang einer großen Krise im Versicherungssektor?

Perlet: Nein, auf keinen Fall. Auch die AIG hatte sich nicht im Versicherungsgeschäft, sondern in einem speziellen Geschäftsbereich mit strukturierten Finanzprodukten ihre Probleme hausgemacht. Das können Sie nicht verallgemeinern.

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SZ: Es gibt Gerüchte, auch die Allianz habe noch eine Menge solcher Schrottpapiere im Keller.

Perlet: Das kann ich mit aller Schärfe zurückweisen. Wir sind da sehr sauber.

SZ: Die Berliner Verordnung ist an einigen Stellen äußerst restriktiv. Beispiel: Übernimmt der Rettungsfonds Risikopapiere von Unternehmen, soll die Dividendenausschüttung an andere Gesellschafter als den Fonds gestoppt werden. Wie erkläre ich das den Aktionären? Provoziere ich damit nicht eine gigantische Aktionärsflucht?

Perlet: Da sehe ich in der Tat Nachbesserungsbedarf. Es muss ja in unserem Interesse sein, dass die deutschen Banken wettbewerbsfähig bleiben. Man sollte daher von einem Dividendenverbot absehen. Denn der Staat will sich ja irgendwann wieder mit Gewinn aus einer Bank zurückziehen. Nun ist aber die Dividende einer der Hauptgründe, warum Anleger Aktien kaufen und somit auch den Aktienkurs eines Unternehmens positiv beeinflussen. Davon profitiert dann auch der Steuerzahler.

SZ: Sie rechnen also damit, dass Investoren zuhauf aus deutschen Werten flüchten, wenn diese Regelung nicht zurückgezogen wird?

Perlet: Es ist das falsche Signal. Auch in Großbritannien hat man erkannt, dass eine Dividendenbeschränkung eine Fehlsteuerung darstellt, weil dann der Markt als ergänzende Finanzquelle wegfällt.

SZ: Haben deutsche Institute damit Wettbewerbsnachteile?

Perlet: Das schließe ich nicht aus.

SZ: Es ist wohl kein Zufall, dass mit der BayernLB ausgerechnet eine Landesbank die erste Bank war, die Interesse für das Rettungspaket bekundet hat.

Perlet: Das ist zumindest keine Überraschung. Und es wäre zu überlegen, ob man jetzt nicht eine grundsätzliche Diskussion über die Zukunft des Landesbankensektors und die Geschäftsmodelle dieser Banken führen sollte.

SZ: Das heißt, der Staat könnte bei den Landesbanken jetzt endlich Reformen durchdrücken, die sonst schwieriger zu bekommen wären?

Perlet: Natürlich. Das ist eine gute Gelegenheit, um wichtige Zukunftsfragen zu beantworten.

SZ: Wie viele Landesbanken bräuchten wir denn? Zurzeit haben wir sieben.

Perlet: Weniger.

SZ: Wieviel genau?

Perlet: Zwei würden genügen.

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SZ: Gehälter von Bankern, deren Institute unter den Rettungsschirm des Bundes fallen, sollen auf 500.000 Euro gedeckelt werden. Ist das realistisch?

Perlet: Ich kann die Diskussion, die zu dieser Entscheidung geführt hat, nachvollziehen. Ich halte sie aber im Ergebnis für falsch. Denn ich bezweifle, dass man mit einer festgelegten Gehaltssumme die besten Manager bekommt, die man braucht, um die Aufräumarbeiten zu machen.

SZ: Ein viel diskutiertes Thema sind die Bilanzierungsregeln. Viele Finanzkonzerne hätten ihre Probleme aus der Finanzmarktkrise nie bekommen, wenn sie nicht nach dem sogenannten "Fair Value Accounting" bilanziert hätten - also nicht jeden Tag ihre kritischen Wertpapiere aufs Neue hätten bewerten. Sollte man nicht gleich ganz zur guten alten Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch zrückgehen?

Perlet: Eine sklavische Anwendung des Fair-Value-Prinzips führt zu Fehlern und hat die Finanzkrise weiter beschleunigt. Das haben wir nun gesehen: In einem nicht funktionierenden Markt bestimmten die Preise von wenigen Notverkäufen die Bewertung von ganzen Wertpapierportfolien. Jetzt gibt es angemessene Möglichkeiten, solchen Ausnahmesituationen besser gerecht zu werden; das begrüße ich. Außerdem können Wertpapiere umklassifiziert werden: Was bisher im Handelsbestand war, aber gar nicht gehandelt werden konnte, muss nicht mehr auf unrealistische Tageswerte abgeschrieben werden, sondern kann mit dem erwarteten Rückzahlungsbetrag bei Fälligkeit bewertet werden.

SZ: Was heißt das?

Perlet: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Bei der Dresdner Bank sitzen wir seit 18 Monaten auf einigen Wertpapieren, für die es längst keinen funktionierenden Markt mehr gibt. Die müssen wir trotzdem bewerten, als ob wir morgen verkaufen würden. Das kann nicht richtig sein.

SZ: Sie wollen ja die ganze Dresdner Bank verkaufen, an die Commerzbank. Könnten Sie jetzt nicht die Gunst der Stunde nutzen und sich im Versicherungsgeschäft verstärken - zum Beispiel, indem Sie große Teile von AIG übernehmen?

Perlet: Natürlich schauen wir uns immer an, was auf den Markt kommt. Der Verkauf der Dresdner macht uns flexibler, was die Kapitalausstattung betrifft, gar keine Frage. Aber in diesen Zeiten ist es auch wichtig, sein eigenes Kapital zu schützen und nicht irgendwo auf große Jagd zu gehen. Cash is king.

SZ: Das klingt sehr konservativ. Aber wahr ist doch auch, dass Sie vorläufig nicht mehr so günstig an Zukäufe kommen wie zurzeit.

Perlet: Das ist richtig. Aber egal was wir machen - es muss sich rechnen und darf nicht zu Lasten unserer Kapitalausstattung gehen. Wir wissen nicht, wie die Welt in vier Wochen aussieht.

SZ: Bekommen Sie die Folgen der Finanzkrise bei der Allianz zu spüren?

Perlet: Ja, auch wir können uns den Folgen der Finanzkrise nicht voll entziehen. Wir spüren das zum Beispiel beim Umsatz im Lebensversicherungsgeschäft. Und wir sehen verstärkte Abschreibungen auf unsere Aktienbestände, das wird sich auf den Gewinn niederschlagen. Andererseits gilt aber auch: Wenn draußen Krise ist, suchen die Leute ein sicheres Schiff. Das kommt uns dann wiederum zugute.

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SZ: Für das kommenden Jahr kursieren bereits horrende Konjunkturszenarien. Müssen Allianz-Mitarbeiter Angst vor Kürzungen haben?

Perlet: Wir müssen uns auf eine Stagnation, vielleicht sogar eine Rezession einstellen. Was die Allianz betrifft: Nein, wir haben kein Sparprogramm geplant. Natürlich werden wir hier oder da ein paar Dinge machen müssen, aber im Großen und Ganzen haben wir unsere Hausaufgaben schon in den vergangenen Jahren gemacht. Wir sind solide und wetterfest aufgestellt.

SZ: Sie sind dabei, die Dresdner Bank an die Commerzbank zu verkaufen. Ein Großteil wird über Aktien geregelt. Läuft hier alles nach Plan - trotz der Finanzkrise?

Perlet: Alles läuft planmäßig. Da werden Sie keine Änderung sehen, der Verkauf der Dresdner findet statt.

SZ: Braucht die Dresdner Geld aus dem Rettungspaket?

Perlet: Wie gesagt - jeder muss sich die Hilfen zumindest anschauen.

SZ: Welche Lehren sollen wir denn nun aus der Finanzkrise ziehen, damit so etwas nicht wieder passiert?

Perlet: Wir brauchen eine internationale Vereinheitlichung der Aufsichtsregeln. Fußball ist auch nur interessant, weil die Regeln überall auf der Welt gleich sind. Wir müssen schrittweise zu internationalen Aufsichtsbehörden kommen. Es hat keinen Sinn mehr, solche Dinge national zu regeln.

SZ: Ist das denn realistisch?

Perlet: Für diese Forderung bin ich schon vor fünf Jahren ausgelacht worden. Es wird lange dauern, so viel steht fest. Deshalb ist es wichtig, dass die EU jetzt vorangeht: Wir brauchen die Gruppenaufsicht für grenzüberschreitend tätige Finanzdienstleister.

SZ: Das Image von Bankmanagern ist nie so schlecht gewesen wie heute. Gerechtfertigt?

Perlet: Ja, das Image ist beschädigt. Es gibt eine Finanzkrise von gigantischem Ausmaß, und es sind Fehler gemacht worden. Das muss man akzeptieren. Aber manchmal schießt die Kritik auch übers Ziel hinaus.

SZ: Viele Bankkunden sind von ihren Instituten maßlos enttäuscht. Wie nachhaltig ist der Vertrauensverlust?

Perlet: Groß, aber das Vertrauen wird wiederkommen. Eines muss auch mal gesagt werden: Der Privatanleger hat sich sehr besonnen verhalten und das war richtig. Zukünftig werden die Kunden ihre Anbieter und Produkte stärker nach Qualität und Sicherheit auswählen.

© SZ vom 23.10.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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