Aktienmarkt:Das große Index-Zocken

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Im September mischt die Deutsche Börse einige Aktienbarometer neu. Doch spekuliert wird ab jetzt - über Auf- und Absteiger sowie einige Newcomer. Im Dax selbst muss die Commerzbank um ihren Platz bangen, den ihr Wirecard streitig macht.

Von Simone Boehringer, München

Drei Monate sind eine lange Zeit - vor allem an den Märkten. Aber genau diese drei Monate lang berechnet die Deutsche Börse ab sofort einen Teil ihrer Börsenbarometer neu, im Hintergrund, bevor sie diese dann offiziell am 24. September umstellt. Betroffen sind: der Mittelwerteindex M-Dax, der an dem Stichtag 60 anstatt bisher 50 Mitglieder haben wird. Der S-Dax, der von 50 auf 70 Mitglieder aufgestockt wird und der Tec-Dax. Letzterer hat zwar weiterhin 30 Mitglieder, allerdings ist die Mitgliedschaft nicht mehr exklusiv, sondern kann zusätzlich erfolgen zum Dax-, M-Dax- oder auch S-Dax-Listing, was die Bedeutung des Tec-Dax für Profi-Investoren tendenziell schmälert.

Nun könnte man meinen, Ende September ist für Fondsmanager, Vermögensverwalter und insbesondere für Indextracker sehr weit entfernt, zu weit, um jetzt schon ihre oft an Börsenbarometern orientierten Anlagestrategien zu überdenken. Aber dem ist nicht so. Im Gegenteil: Die Vorbereitungen laufen, ,,aber keiner will sich in die Karten schauen lassen", heißt es bei Aktienhändlern in Frankfurt. Ein leitender Analyst einer großen Bank verweist auf die Frage nach Auf- und Absteigern im Zuge der Indexrochade sogar auf Geheimhaltungspflichten: ,,Seit der neuen Regulierung nach Mifid II können wir solche Analysen nur zahlenden Kunden geben."

Zu diesen zahlenden Kunden gehören vor allem Vermögensverwalter, Fondsgesellschaften und andere, die für Dritte professionell Geld verwalten. Nicht dazu gehören Privatanleger, die, wenn sie nicht privilegierte Kunden jener Finanzfirmen sind, durch die schärfere Regulierung tendenziell schwerer an Anlageinfos kommen.

Allerdings hat die Deutsche Börse die Grundlagen der Neuberechnung ihrer Indizes - die Börse nennt dies Schattenberechnung - im Netz veröffentlicht. Die SZ hat auf Basis dieser Listen eine Tabelle mit den potenziellen neuen Kandidaten in M-Dax und S-Dax zusammengestellt. Sie zeigt 13 Unternehmen, die auf Basis ihres momentanen Börsenwertes und des aktuellen Handelsvolumens ihrer Titel an der Börse neu in den MDax aufgenommen würden. Drei Firmen würden dafür herausfallen und in den S-Dax absteigen: Ceconomy, die Mutter von Media Markt und Saturn, der Gabelstaplerproduzent Jungheinrich und der Werbevermarkter Ströer. Dazu gesellen sich noch 20 Titel, von denen drei bisher nur im allgemeinen C-Dax vertreten sind, das ist der Index, der alle Werte im regulierten Prime Standard der Börse umfasst: der Mischkonzern Baywa, der Umweltdienstleister Befesa und der IT-Dienstleister Diebold Nixdorf. Nicht mehr im neuen auf 70 Werte aufgestockten S-Dax wären Fußballclub Borussia Dortmund, der Bahnspezialist Vossloh und Möbelhändler Steinhoff.

Kurios mutet die Zusammensetzung des Tec-Dax ab September an, in den die Firmen dann zusätzlich zu einem anderen Index gelistet sein können - denn: Mit Siemens, Infineon und SAP bekommt der Tech-Index drei Schwergewichte des Dax dazu, "die mit wenigen anderen die Marktkapitalisierung dieses Index beherrschen werden", meint Uwe Streich, Aktienstratege der Landesbank Baden-Württemberg.

Ein heißes Thema ist die Indexumstellung vor allem bei Hedgefonds, Aktienhändlern und Fondsmanagern. Denn sie sind es, die sich vorbereiten müssen - zum einen, um zu profitieren von der besseren Kursentwicklung, die potenzielle Indexaufsteiger oft in den Wochen vor einer Umstellung aufweisen. Zum anderen handeln Broker und Hedgefonds auch im Auftrag großer passiver Investoren, die Anbieter sogenannter Exchange Traded Funds (ETF), die Börsenbarometer für die Kunden eins zu eins abbilden. Sie dürfen gemäß ihrer eigenen Statuten meist erst 24 bis 48 Stunden vor einem Index-Wechsel ihre Portfolios anpassen. "Wir arbeiten hier eng mit Brokern zusammen, um plötzliche Marktbewegungen infolge der Umstellung zu vermeiden", erklärt ein Sprecher des größten ETF-Anbieters Blackrock, der allein im wichtigsten deutschen Aktienbarometer Dax von jedem Unternehmen zwischen drei und sieben Prozent der Anteile hält.

Apropos Dax: Hier plant die Deutsche Börse keine Änderungen an der Mitgliederzahl von 30. Allerdings pirscht sich derzeit relativ unbeachtet der Finanzdienstleister Wirecard aus Aschheim bei München an die erste Börsenliga heran. Platz 24 nach Börsenwert und Platz 28 nach Aktienhandelsumsatz konstatiert Indexspezialist Streich der Wirecard-Aktie. Zum Vergleich: Der schlechteste Dax-Wert nach den für den Index geltenden Kriterien ist aktuell die Commerzbank (Rang 32 nach Börsenwert). Nur das hohe Handelsinteresse am Coba-Titel (Rang 12) hält die unter anderem vom Bund, Blackrock und dem Finanzinvestor Cerberus gehaltene Bankaktie im Dax. Sollte Cerberus aufstocken, sänke der frei handelbare Streubesitz der Commerzbank weiter, was den Dax-Verbleib erschweren würde.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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