Aktien:Die Geheimsprache der Analysten

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Oft meinen die Profis etwas anderes, als Sparer zu verstehen glauben. Was sich auf den ersten Blick wie eine klare Empfehlung zum Abwarten liest, kann beispielsweise ein versteckter Verkaufstipp sein — und umgekehrt.

Von Heinz-Josef Simons

Die Analysen von Aktienexperten klingen häufig wie eine Geheimsprache - und das nicht nur wegen der vielen Anglizismen. Vor allem Kleinanleger sollten deshalb ein paar Dinge beachten, bevor sie den Analystentipps folgen.

Die Wirtschaftsmagazine sind voll davon: Tipps, in welche Aktien Anleger derzeit investieren sollten. Dabei führen die zitierten Experten die unterschiedlichsten Gründe an, warum diese eine Branche oder dieses eine Unternehmen gerade jetzt besonders interessant ist und warum man einen anderen Bereich besser meiden sollte.

Wer diese Tipps von Analysten regelmäßig verfolgt, zum Beispiel auch in Börsensendungen im Fernsehen, kann einem Irrglauben unterliegen: sich für umfassend und ausgewogen informiert zu halten.

Wertpapier-Analysen werden erarbeitet von Banken sowie Investment- und Broker-Häusern. Dort sitzen Spezialisten, die regelmäßig Firmenbilanzen durchforsten, mit Vorständen bisweilen auch persönlich sprechen sowie Umsatz- und Gewinnprognosen auf ihre Plausibilität prüfen.

Das Ergebnis des Analystenwerks sind oft konkrete Handlungsempfehlungen für Investoren: kaufen, halten, verkaufen oder auch übergewichten, neutral und untergewichten.

Doch Sprache kann bisweilen tückisch sein. Eine an sich klare Empfehlung wie "kaufen" bedeutet mitunter etwas ganz anderes, als der Anleger glaubt. Felix Adrian, leitender Investmentstratege bei der Fondsgesellschaft Cominvest, weist deshalb darauf hin: "Um die Analysten-Empfehlungen richtig zu deuten, müssen sich Anleger schon in der ganz speziellen Nomenklatur der Zunft auskennen."

Von Haus zu Haus anders

Dieter Rentsch vom Hamburger Vermögensverwalter Aquila Capital rät vor allem Kleinanlegern zur Vorsicht: "Sie sollten wissen und einordnen, von wem die jeweilige Empfehlung stammt." Damit spielt er auf folgenden Hintergrund an: Unterschieden werden das so genannte sell-side- und das buy-side-Research.

"Die einen sollen mit ihren Analysen helfen, Produkte des eigenen Arbeitgebers, der Banken und Brokerhäuser zu verkaufen", erläutert Rentsch. Die anderen hingegen erarbeiteten Analysen als Grundlagen für eigene Investmententscheidungen. Was letztlich heißt: Aktientipps von der sell-side werden gerne in die weite Welt hinausposaunt, die Analysen von der buy-side indes bleiben oft unter Verschluss und sind in erster Linie für den internen Gebrauch bestimmt.

Gut zu wissen für den Anleger, der einen Analystenrat zu einer bestimmten Aktie liest, wäre es, welche Abstufungen es beim jeweiligen Brokerhaus oder der Investmentbank gibt. Wird die K-Aktie mit "Kauf" bewertet, ist dies leider kein Gütesiegel, sofern dem Analysten als Top-Note der "starke Kauf" zur Verfügung steht. Und: Auch in der Analysten-Sprache ist alles relativ.

Auf den historischen Trend der Wertung einer Aktie kommt es an. Will heißen: "Wird das Papier nun auf- oder abgestuft", fragt Stratege Adrian zu Recht. Versieht etwa ein Analyst die Aktie von Siemens mit "halten", nachdem sie zuvor ein "Kauf" war, ist dies im Grunde eine verklausulierte Verkaufsempfehlung. Umgekehrt jedoch, wenn die Siemens-Aktie von "verkaufen" auf "halten" hochgestuft wird.

Mit Verkaufs-Hinweisen tun sich Analysten erfahrungsgemäß sowieso schwer. "Es gibt hier eine schiefe Verteilung mit mehr Kauf- als Verkaufsempfehlungen", hat Felix Adrian beobachtet. Mit der wichtigste Grund für diese Schieflage ist weniger die Qualität der untersuchten Aktien, als die Psychologie. "Der typische Aktienanleger will Gewinne machen und nicht so sehr Verluste vermeiden", glaubt Adrian.

Zudem fertigen Analysten ihre Expertisen in der Regel für Großanleger an. Bis eine Aktienempfehlung dann auch dem breiten Publikum vorgelegt wird, sind oft schon einige Tage vergangen. Folge: Der Kurs der betreffenden Aktie hat sich bereits in die vorhergesagte Richtung bewegt, der Privatanleger kommt also mit seinen eigenen Dispositionen vielfach zu spät.

Und es gibt noch einen weiteren Grund, warum Aktientipps manchmal verwirrend sein können. "Zu ein- und demselben Wert gibt es oft eine Vielzahl unterschiedlicher Einschätzungen - mitunter auch ganz entgegengesetzte", erläutert Adrian. Zudem besteht auch die Gefahr von Interessenkonflikten: "Wohl kein Broker und auch keine Bank wird eine Aktie zum Verkauf stellen, falls das betreffende Unternehmen ein guter Kunde ist", gibt Aquila-Stratege Rentsch zu bedenken.

© SZ vom 26.08.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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