Airbus in der Krise:Minus + Minus = Depression

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Die Bundesregierung will sich möglicherweise am Flugzeughersteller Airbus beteiligen. Wenn man ganz sicher das Chaos noch vergrößern möchte, dann wäre dies genau der richtige Schritt.

Marc Beise

Der großen Koalition unter Angela Merkel ergeht es ähnlich wie dem Großflugzeug Airbus A380. Beide verkörpern ein neues Modell. Beide sind mit großen Erwartungen und einer Menge Vorschusslorbeeren gestartet. Dabei sind beide zunächst in große Höhen getragen worden. Heute befinden sie sich jedoch im Sinkflug und sind zum Objekt des öffentlichen Gespötts geworden.

Zukunft ungewiss: Ein A380 auf Testflug (Foto: Foto: AP)

Damit stehen sie jeweils für viele in ihrem Umfeld: Die große Koalition, die angeblich die genau richtige Konstellation sein sollte, die Reformprobleme des Landes zu lösen, versagt ein ums andere Mal, auch erste Erfolgsmeldungen entpuppen sich später regelmäßig als Fehlinformation - siehe Gesundheitsreform. Um die Lage der deutschen Konzerne zu beschreiben, hilft eine Aufzählung von Krisen, Skandalen und Fehlleistungen: Volkswagen, DaimlerChrysler, Siemens, Infineon - und nun auch Airbus.

Die Fertigungsprobleme bei dem Superjet A 380, dessen Auslieferung sich um ein weiteres Jahr verzögert, kosten etliche Milliarden Euro. Die Entwicklung des Langstreckenflugzeugs A 350 muss völlig von vorn begonnen werden - wenn dies überhaupt noch geschieht. Die Großkunden sind verärgert und drohen, wieder zum Dauerkonkurrenten Boeing abzuwandern, die Aktie bricht ein, die Beschäftigten fürchten um ihren Job.

Negativschlagzeilen im Politik- wie Wirtschaftsteil

Ein Land, das nach schwierigen Jahren wieder Tritt gefasst zu haben schien, das 2006 deutlich über zwei Prozent Wachstum melden wird, leistet sich eine Negativschlagzeile nach der anderen - ob man nun den Politik- oder den Wirtschaftsteil der Zeitungen aufschlägt. Die Akteure beider Welten mögen sich damit beruhigen, dass es den anderen ja auch nicht besser geht. Nur leider ergibt anders als in der Mathematik Minus und Minus eben nicht Plus, sondern erzeugt eher Depression. Die sich locker steigern lässt, wenn beide Lager sich erst zusammentun. So wie es Politiker jetzt tatsächlich für den Airbus planen.

Der deutsche Konzernchef Christian Streiff ist an diesem Donnerstag bei der Bundesregierung einbestellt worden, die sich möglicherweise selbst an dem Flugzeughersteller beteiligen will. Wenn man ganz sicher das Chaos noch vergrößern möchte, dann wäre dies genau der richtige Schritt! Es ist kein Beispiel bekannt, wo sich staatlicher Einfluss für ein Unternehmen - zumal eines in der Krise - längerfristig als segensreich erwiesen hätte.

Auch die bisherigen Probleme beim Airbus sind im Ursprung politikbedingt. Natürlich kann die Bundesregierung nichts für falsch berechnete Kabelstränge und andere technische Kalamitäten. Wohl aber kann sie etwas für die chaotischen Führungs- und die komplizierten sonstigen Strukturen des Unternehmens, das seit seinen Anfängen in den siebziger Jahren unter besonderer Beobachtung der französischen, britischen, spanischen und deutschen Regierung stand.

Frage nach dem Sinn verboten

Deren Rechtfertigung war immer, dass der Versuch, die USA im Flugzeugbau in die Schranken zu weisen, nur politisch begleitet (und erkauft durch etliche Milliarden Euro an Steuergeldern) erfolgreich sein kann. Als aber die Unternehmung tatsächlich zum Erfolg wurde, blieben die komplizierten Strukturen unangetastet, ja wucherten erst recht. Kein Politiker fiel der Clique um den ehrgeizigen Manager Noël Forgeard in den Arm, der den Franzosen (und in ihrem Gefolge auch den Deutschen) wegen seiner guten Beziehungen zu Staatspräsident Jacques Chirac als sakrosankt galt. Stattdessen begeisterten sich Paris und Berlin für immer ausuferndere Pläne des Airbus-Chefs. Der A380 wurde von Anfang an fast hymnisch verehrt; die Frage war verboten, ob ein solchen Groß-Großflugzeug überhaupt sinnvoll ist.

Jetzt läge das einzige Heil in harten Schnitten und einer klaren Neuorganisation. Natürlich ist es irrsinnig und eben wieder nur den politischen Rücksichtnahmen geschuldet, dass die Flugzeuge in deutschen und französischen Standorten kreuz und quer zusammengebaut werden. Die mögliche neue Strategie des Unternehmens, für jedes Werk einen Typ vorzusehen, klingt plausibel. In Hamburg aber will man unbedingt den Supervogel behalten, obwohl man den kleinen A 320 bekommen könnte, der der Geldesel des Konzerns ist. Für die Sicherung der Arbeitsplätze wäre das vermutlich besser. Aber eine Kehrtwende der Hamburger würde entlarven, dass der Ausbau des Airbus-Geländes an der Elbe, der den Staat so teuer gekommen ist und für das so viele Umweltaspekte hintangestellt worden sind, für die Katz war.

Lieber dem Mittelstand helfen

Trotzdem fällt den Politikern weiterhin nur ein, Jobgarantien und noch mehr staatlichen Einfluss zu fordern. Lasst das Unternehmen seine Krise allein beheben, möchte man rufen - eine Forderung, die mehr Schlagkraft hätte, wenn nicht das Vertrauen in deutsche Managerkunst zuletzt so arg gelitten hätte.

Wer die Leistung deutscher Unternehmer würdigen will, sollte derzeit besser nicht in Führungsetagen der Großkonzerne blicken, sondern auf die vielen Perlen im Mittelstand, die in Deutschland Beschäftigung schaffen, Geld verdienen und sich auf dem Weltmarkt behaupten. Diesen Firmen zu helfen, durch Bürokratieabbau, Senkung der Lohnzusatzkosten und eine Steuerreform, wäre die eigentliche Aufgabe der Politik.

© SZ vom 5.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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