Airbus-Chef Thomas Enders im Interview:"Eine gute militärische Ausbildung hilft als Manager"

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Airbus-Chef Thomas Enders im Gespräch mit Deutschlandfunk und Süddeutscher Zeitung: Der Mann, sein Job, die Firma - und die Probleme beim "A380".

Der größte europäische Flugzeughersteller Airbus kämpft an vielen Fronten. Dem neuen A380 drohen weitere Verzögerungen. Der schwache Dollar schmälert den Gewinn. Der Konzern will 10.000 Arbeitsplätze oder mehr abbauen. Vorstandsvorsitzender Thomas Enders skizziert den Kurs des Unternehmens.

Airbus-Chef Thomas Enders wurde von seiner Militärzeit "positiv geprägt". (Foto: Foto: AFP)

Frage: Herr Enders, Sie verantworten den Bau von Flugzeugen, sind selbst aber kein Ingenieur, sondern Politikwissenschaftler und Volkswirt. Wenn Ihre Kinder Sie fragen: "Papa, was machst Du eigentlich den ganzen Tag, wieso bist Du so viel weg und was tust Du von morgens bis abends?", was antworten Sie?

Enders: Dass ich dafür sorge, dass Flugzeuge entwickelt, gebaut, verkauft und ausgeliefert werden. Mit den älteren Kindern kann man natürlich schon differenziertere Gespräche führen über das, was ein Airbus-Chef alles leistet. Damit nicht der Eindruck entsteht, der Papa schraubt die Flieger selber zusammen.

Frage: Im Wesentlichen sitzen Sie in Meetings, vermuten wir.

Enders: Ich fürchte, Sie haben recht.

Frage: Was reizt Sie dann am Job?

Enders: Obwohl ich keinen technischen Werdegang habe, hat mich schon vor gut 20 Jahren Hochtechnologie und vor allem Luft- und Raumfahrt fasziniert. Als es die Gelegenheit gab, in diese Branche zu wechseln, war das für mich eine gewisse berufliche Erfüllung.

Frage: Würden Sie mit derselben Begeisterung Autos verkaufen können oder eine Autofirma verantworten oder Motorsägen verkaufen oder Schrauben?

Enders: Autos sind natürlich Hochtechnologie-Produkte, und das ist auch sehr faszinierend. Aber ich fühle mich in der Luftfahrt am wohlsten, das ist mein Thema seit Jahrzehnten. Schrauben und Waschpulver - das hat wieder andere Reize.

Frage: Sie sind passionierter Fallschirmspringer, heute als Major der Reserve. Man nennt Sie mitunter "Major Tom". Sie selbst sprechen davon, Ihre Leute an die Front zu schicken, Brückenköpfe zu bilden und so weiter. Sind Sie ein Militarist?

Enders: Nein, natürlich nicht. Aber mich hat die militärische Zeit schon sehr positiv geprägt. Ich würde mal sagen, eine gute militärische Ausbildung ist auch eine gute Voraussetzung für gutes Management.

Frage: Sie sagen gerne, das Amerikanische reize Sie. Ist das auch das Mittel, um Airbus aus der Kleinstaaterei herauszuführen? Dieser Konzern ist sehr politisch geprägt und hat Standbeine in verschiedenen europäischen Staaten.

Enders: Ja, da haben Sie völlig recht. Wenn ich eine große Vision habe, dann ist es in der Tat die Internationalisierung von Airbus. Airbus ist sehr stark in Europa vertreten. Wir haben hier starke Wurzeln, die werden wir auch weiterhin haben, keine Frage, aber der Erfolg von Airbus wird nur dann weiter bestehen, wenn wir auch in den großen Märkten dieser Welt präsent sind, insbesondere in Asien. Und natürlich in Nordamerika, das ist ja speziell im militärischen Bereich der Kernmarkt.

Frage: In den USA punkten Sie gerade mit einem Regierungsauftrag für Tankflugzeuge für die US-Luftwaffe.

Enders: Ja. Mein Ziel ist, dass Airbus nicht nur als europäisches Unternehmen gesehen wird, sondern eines Tages auch als amerikanisches. Der Erfolg mit dem Tankerauftrag - ich hoffe natürlich, dass er vom US-Rechnungshof bestätigt wird in einigen Wochen - wäre ein großer Schritt. Wenn das kommt, werden wir erstmals in Amerika ein Produktionswerk aufbauen, in Alabama. Ein Werk, das die Tankflugzeuge auf der Basis unserer A330, aber dann auch Frachtflugzeuge und wer weiß was mehr in der Zukunft baut.

Frage: Gute Stimmung können Sie gebrauchen. Es ist ja in den vergangenen Jahren nicht alles so optimal gelaufen.

Enders: Das kann man so sagen.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Thomas Enders die Verzögerungen beim Riesenvogel Airbus A380 begründet.

Der Deutschlandfunk strahlt das Spitzengespräch an diesem Mittwoch von 19.15 bis 20 Uhr aus. Die Audio-Fassung ist abrufbar bei www.sz-audio.de/wirtschaft.

Frage: Nehmen wir den A380, das neue Großraumflugzeug. Immer wieder gab es Verzögerungen, auch jetzt wieder. Was ist los?

Enders: Das kann ich Ihnen hier und heute nicht beantworten. Ich habe letzte Woche gesagt, wir haben momentan eine grundsätzliche Überprüfung laufen. Das Ergebnis ist noch nicht da. Unser Plan, die Produktion hochzufahren, ist durchaus recht ambitioniert. Darauf habe ich immer hingewiesen. Wir wollen in diesem Jahr, nachdem wir im letzten Jahr den ersten Flieger in Singapur ausgeliefert haben, 13 Stück ausliefern, dann das verdoppeln und quasi noch mal verdoppeln. Dann kommt hinzu die Umstellung von der "Wave One" zu "Wave Two", also von Handfertigung zum industriellen Prozess. Dieser Kreuzungspunkt quasi hat mich veranlasst zu sagen, jetzt müssen wir schauen, ob wir dieses Hochfahren der Produktion tatsächlich so hinkriegen oder welche Gegenmaßnahmen wir ergreifen müssen, falls nicht.

Frage: Bei der Elektrik sind Sie ja ein gebranntes Kind. Die Ursprungsprobleme, die zu der ersten starken Verzögerung mit allen Konsequenzen, Verärgerung bei den Kunden und anderem, geführt haben, hingen ja auch mit Elektrik und der Verkabelung zusammen. Wie kann so etwas überhaupt passieren bei einem Projekt, das so durchgeplant ist?

Enders: Nehmen Sie es mir ab, ich könnte jetzt die restlichen 30 Minuten gut und gerne über Kabel und Verkabelungsprobleme sprechen. Lassen Sie es mich so beschreiben: Wir hatten die Komplexität dieses Flugzeuges eindeutig unterschätzt - in der Entwicklung, aber auch in der Produktion, in der Ausrüstung, auch insbesondere hier in Hamburg. Wir waren dann nicht in der Lage, die Sektionen, die in die Endfertigung in Toulouse geliefert werden, hier und an anderen Standorten so auszurüsten, dass wir sie in Toulouse tatsächlich effizient zusammenbauen konnten. Wir haben heute, wie wir hier sitzen, ungefähr 2000 Deutsche in Toulouse, die an diesem Flieger arbeiten - und vor allen Dingen nacharbeiten, um die Arbeit, die in Hamburg nicht zeitgemäß erledigt werden konnte, in Toulouse zu erledigen. Dass dies nicht die effizienteste Art ist zu arbeiten, das dies natürlich sehr kostspielig für das Unternehmen ist, das ist nachvollziehbar.

Frage: 13 Airbus 380 wollen Sie ausliefern in diesem Jahr. Sie sagten gerade, Sie könnten die Meldungen nicht bestätigen, die es am Wochenende gab, dass womöglich sich diese Zahl nicht erreichen lässt. Auf wie viele werden Sie kommen?

Enders: Wenn ich das wüsste, dann hätte ich meine Prüfung schon abgeschlossen. Das habe ich aber nicht. Ich habe letzte Woche auf einer Tour in Dubai darauf hingewiesen. Wir machen diese Überprüfung und wenn die fertig ist, werden wir sagen, was wir glauben leisten zu können. Denn das sind wir unseren Kunden schließlich schuldig, die entsprechende Kapazitäten in ihrer Planung haben. Das müssen wir ordentlich durchführen. Ich werde da jetzt keinen Schnellschuss machen, aus der Hüfte sagen, das sind soundsoviel und soundsoviel. Wir wissen, was davon abhängt - im Unternehmen und bei unseren Kunden.

Frage: Haben Sie sich mit dem Riesen-Vogel schlicht übernommen?

Enders: Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich gerne künftigen Historikergenerationen. Mein Fokus ist darauf, dieses Flugzeug zum Fliegen zu bringen, die Kunden mit den Flugzeugen zu versorgen, die wir ihnen versprochen haben. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Flieger langfristig sehr viel Erfolg haben wird. Ich weiß nicht, wer von Ihnen auf Linie schon mal das Vergnügen hatte mitzufliegen: Das ist schon eine neue Generation von Flugzeug. Und dann kommt hinzu: Das ist ein wirkliches Großraumflugzeug.

SZ: Ein weiteres Problem ist der Wechselkurs. Der Dollar wird immer schwächer, der Euro immer stärker. Flugzeuge werden, anders als viele andere Güter, in Dollar abgerechnet. Wie lange können Sie mit diesem niedrigen Dollarkurs leben?

Enders: Das macht uns in der Tat sehr große Probleme. Ich nenne eine Zahl: Zehn Cent Variation macht in unseren Bilanzen ungefähr eine Milliarde Profit oder Nicht-Profit aus. Das hat erhebliche Hebelwirkung. Das ist auch der Grund, weshalb wir heute, neben dem laufenden Restrukturierungsprogramm, das wir letztes Jahr beschlossen haben, das sogenannte "Power-8-Programm", auch über weitere strukturelle Maßnahmen nachdenken. Wir müssen mit den Kosten weiter gewaltig runter.

Frage: Was kommt noch?

Enders: Das ist in der Tat schwierig. Ich kann Ihnen aber jetzt schon verraten, die Lösung wird nicht unbedingt darin bestehen, dass wir noch einmal 5000 oder 10.000 Mitarbeiter abbauen werden. Das ist bereits Teil des Power-8-Programms in einer Phase, wo wir die Produktion nach wie vor hochfahren. Im Jahr 2010 wollen wir auf 50 Flieger im Monat kommen. Deswegen die Überlegung, über strukturelle Maßnahmen zu entscheiden. Aber ich will hier nicht vorgreifen, das ist ein Thema, das wir in wenigen Wochen mit unserem Board of Directors intensiv diskutieren wollen.

SZ: Die Zeiten werden nicht einfacher. Es werden weitere Flugzeugbauer entstehen, in China, vielleicht in Indien. Gleichzeitig nähert sich dieser Markt auch irgendwann der Sättigung. Wie viele neue Flugzeuge verträgt diese Erde noch?

Enders: Wir rechnen damit, dass in den nächsten 20 Jahren etwa 24.000 neue Flugzeuge mit mehr als 100 Sitzen benötigt werden. Ich verrate kein Geheimnis, dass die Masse dieser Flugzeuge, dieses Bedarfes, aus dem asiatisch-pazifischen Raum kommt. Aber es gibt auch erheblichen Bedarf in den USA, ältere Flugzeuge zu ersetzen. Der Mittlere Osten ist natürlich zunehmend eine Drehscheibe, in Dubai, in Abu Dhabi etc. Der Punkt ist, dass diese Flugzeuge deutlich umweltfreundlicher sein müssen.

Frage: Um Kosten zu sparen?

Enders: Die Kerosinkosten sind heute etwa 30 bis 40 Prozent des Kostenblocks großer Airlines. Und wir arbeiten sehr intensiv daran, diese große Anzahl von neuen Flugzeugen für diese Erde verträglich zu gestalten. Wir arbeiten mit sehr viel eigenem Geld daran, umweltfreundlichere Technologien einzuführen.

Frage: Welche der Airbus-Werke sind schon eingestellt auf die neue Zeit?

Enders: Wir sind hier ganz im frühen Stadium. Das sind Forschungsarbeiten. Die werden auch einige Jahre laufen. Es wäre falsch, sich zu früh auf bestimmte Konfigurationen festzulegen. Wir arbeiten übrigens auch an alternativen Kraftstoffen, auch Biokraftstoffen zweiter Generation, die aber heute noch nicht operativ einsetzbar sind.

Frage: Gleichwohl standen bei den deutschen Werken, die jetzt doch nicht verkauft werden, Investitionen an, auch um diese für die Zukunft fit zu machen.

Enders: Absolut. Wir investieren sehr stark in deutsche Werke. Unser Ziel ist aber nach wie vor nicht, alle diese Werke im Airbus-Verbund zu haben, sondern auszugliedern und möglichst mit Interessenten zusammenzubringen, die zum einen technologisches Know-how und zum anderen Geld mitbringen können.

Frage: Und jetzt protestieren die französischen Gewerkschaften, weil Sie die französischen Werke verkaufen.

Enders: Dort sind wir noch im Prüfungsprozess.

Frage: Also wäre es denkbar, dass auch dies unter dem Airbus-Dach bleibt?

Enders: Das ist denkbar. Es ist die Frage, wie viel Risiko sind wir bereit einzugehen? Ich darf's mal so sagen: Wir machen hier kein BenQ. Wir werden hier sehr, sehr sorgfältig prüfen, ob die Partner, die in Frage kommen, tatsächlich einen Mehrwert bringen, denn wir sind von diesen Werken in den nächsten Jahren essentiell weiterhin abhängig.

Fragen: Marc Beise (SZ) und Ursula Welter (DLF)

Der Deutschlandfunk strahlt das Spitzengespräch an diesem Mittwoch von 19.15 bis 20 Uhr aus. Die Audio-Fassung ist abrufbar bei www.sz-audio.de/wirtschaft.

© SZ vom 07.05.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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