Agrarausblick von OECD und Vereinten Nationen:Biosprit-Boom verstärkt Hunger

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Der hohe Ölpreis und der Trend zum Biosprit treiben die Lebensmittelpreise in die Höhe. Experten glauben, die Gentechnik könnte helfen, den Hunger zu stillen.

Daniela Kuhr

Die staatliche Förderung von Biokraftstoffen verstärkt den Hunger in der Welt. Zu diesem Ergebnis kommen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die UN-Welternährungsorganisation (FAO) in ihrem gemeinsamen Ausblick auf die Agrarmärkte. Die Experten gehen davon aus, dass die Preise für Nahrungsmittel in den nächsten zehn Jahren hoch bleiben, wenn auch nicht ganz so hoch wie jetzt.

Die Preise für Lebensmittel bleiben hoch, prognostizieren Experten. (Foto: Foto: AP)

Die hohen Preise würden vor allem arme und hungernde Menschen treffen, stellen die Experten von OECD und FAO fest. Am härtesten belaste es die städtische Bevölkerung in armen Ländern, da sie sich nicht selbst mit Nahrungsmitteln versorgen könnte. Kurzfristig könne humanitäre Hilfe die Situation lindern. Auf lange Sicht aber müssten die Länder die Produktivität der Betriebe und die Voraussetzungen für Wachstum verbessern.

Dabei sollte auch der Einsatz von genttechnisch veränderten Pflanzen in Betracht gezogen werden, heißt es in dem Bericht weiter. "Gentechnik kann dazu beitragen, Erträge zu steigern und sicherer zu machen gegen Witterungsschwankungen wie Dürre oder starke Regenfälle", sagte OECD-Agrardirektor Stefan Tangermann bei der Vorstellung des Agrarausblicks.

Er wünschte sich mehr Gelassenheit bei dem Thema. "Wir müssen die Aufgeregtheiten hinter uns lassen, denn Gentechnik als etwas zu betrachten, das nicht sein darf, wird zunehmend zum Luxus." Tangermann betonte, dass dies nur ein Weg von mehreren sei. "Natürlich muss man auch in der konventionellen Landwirtschaft weiter forschen, um die Erträge zu steigern."

Ölpreis treibt Kosten für Lebensmittel in die Höhe

Momentan haben die Preise für Nahrungsmittel nach Ansicht der Experten von OECD und FAO einen Höchststand erreicht. In den kommenden Jahren würden sie leicht zurückfallen, aber nicht mehr das Niveau der Vergangenheit erreichen. Reis und Zucker würden beispielsweise real, also inflationsbereinigt, in den kommenden zehn Jahren zehn Prozent mehr kosten als im Schnitt der vergangenen Dekade. Weizen werde um 20 Prozent teurer sein, Butter, Ölsaaten und Grobgetreide um 30 Prozent und Pflanzenöl sogar um 50 Prozent.

Vor allem drei Faktoren würden zu dem dauerhaft hohen Preisniveau beitragen, sagte Tangermann. Zum einen verteure der Ölpreis Erzeugung, Verarbeitung und Transporte. Zudem könnten sich Menschen in Schwellenländern mehr und bessere Nahrung leisten. Und schließlich wachse die Nachfrage nach Biotreibstoffen, weil die Politik sie durch Subventionen, Zölle und Beimischungsquoten fördere.

Ein Drittel der langfristigen Preissteigerung bei Getreide und pflanzlichen Ölen sei darauf zurückzuführen, dass Flächen für die Erzeugung von Biokraftstoffen verwendet würden statt für den Anbau von Nahrungsmitteln, sagte Tangermann. Wo der Boom bei den Biokraftstoffen auf Marktkräfte zurückgehe, sei nichts dagegen einzuwenden. Aber zumindest in Nordamerika und Europa sei er durch politische Maßnahmen ausgelöst worden.

"Die Regierungen sollten sich fragen, ob sie die Klimaschutzziele, die sie mit der Förderung von Biokraftstoffen verfolgen, überhaupt in wirtschaftlich vertretbarer Weise erreichen können", sagte Tangermann. "Wir haben daran Zweifel." Der Agrarausblick rät daher den Regierungen, ihre Biokraftstoff-Politik zu überdenken. Die Ökobilanz von Biodiesel und Bioethanol ist mittlerweile höchst umstritten.

"Märkte offenhalten"

Die Förderpolitik bei Biokraftstoffen trage auch dazu bei, dass sich die Verbraucher insgesamt auf stärker schwankende Preise einstellen müssten. Normalerweise gehe die Nachfrage automatisch zurück, sobald die Preise steigen, sodass es einen gewissen Ausgleich gebe, sagte Tangermann. "Da aber die Regierungen bei den Biokraftstoffen einen bestimmten Prozentsatz als Beimischung vorschreiben, kann die Nachfrage gar nicht sinken, egal wie hoch der Preis ist."

Die teureren Nahrungsmittel hätten allerdings nicht nur negative Folgen, stellt der Bericht fest. Profitieren würden vor allem kommerzielle Landwirte weltweit. In den Entwicklungsländern gebe es allerdings viele Bauern, die überhaupt nicht an die Märkte angebunden seien und daher die vorausgesagten Preissteigerungen nicht zu spüren bekämen.

Überlegungen auf EU-Ebene, die europäische Agrarpolitik stärker am Markt zu orientieren, begrüßte Tangermann. "Das Offenhalten von Märkten und das Vertrauen auf die Marktkräfte ist der beste Weg, um Angebot und Nachfrage weltweit in Einklang zu bringen."

© SZ vom 30.05.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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