Ärzte gegen Krankenkassen:Streit um mehr Geld

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Der Ton zwischen Ärzten und Krankenkassen verschärft sich: Die Mediziner deuten Streiks an, sollten die Kassen die geforderte Honorarerhöhung verweigern.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat im Honorarstreit mit den Krankenkassen die Wiederaufnahme von Gesprächen an Bedingungen geknüpft. Bis zur nächsten Verhandlungsrunde Ende August müsse die von der Politik gemachte Zusage erfüllt sein, den Honorartopf um "mindestens 2,5 Milliarden Euro" aufzustocken, machte KBV-Chef Andreas Köhler am Dienstag in Berlin deutlich. Andernfalls sei die KBV "leider gezwungen", dem Termin fernzubleiben.

Die deutschen Kassenärzte streiten für mehr Gehalt - und wollen dafür offenbar auch streiken. (Foto: Foto: dpa)

Keine Garantie gegen Ärztestreiks

Die KBV fordert 4,5 Milliarden Euro mehr Geld für die Ärzte. Vergangenen Donnerstag hatte sie ein Treffen mit den Krankenkassen platzen lassen, weil der Schlichter nur eine Erhöhung von 1,9 Milliarden Euro vorgeschlagen hatte. Diese Summe habe sich aber an der Gesamtvergütung von 2007 orientiert, sagte Köhler. Unter dem Strich würde damit für die Ärzte 2009 nur ein Plus von 1,4 Milliarden Euro herauskommen. "Das ist sehr weit weg von dem Mindestversprechen der Politik von 2,5 Milliarden Euro", sagte Köhler.

Auf die Frage, ob Ärztestreiks drohten, sagte Köhler: "In der Ärzteschaft brodelt es." Köhler unterstrich, dass die KBV aus rechtlichen Gründen nicht zu einem Streik aufrufen könne. Nachdem die Politik aber eineinhalb Jahre lang eine Steigerung von 2,5 Milliarden Euro versprochen habe, "können wir nicht dafür garantieren, dass wir die Ärzteschaft ruhig halten, und wir wollen das auch nicht".

Kassen behandeln Ärzte "wie Gegner"

Auch der Vorsitzende des Hartmannbundes, Kuno Winn, kündigte für den Fall eines endgültigen Scheiterns der Honorarverhandlungen Proteste an. Winn beklagte, die Kassen behandelten die Ärzte "wie Gegner". Gemeinsam mit anderen Ärzteverbänden werde man "eine bundesweite Welle an Protest- und Streikmaßnahmen" organisieren. Bereits in den nächsten Tagen würden Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens erörtert.

Sollten sich Kassen und Kassenärzte nicht einigen, würde das Bundesgesundheitsministerium eine Erhöhung festsetzen. "Wir wünschen uns das nicht", sagte Köhler. Neben der Forderung nach 2,5 Milliarden Euro mehr dringt die KBV auf eine Trennung der Honoraranteile für Haus- und Fachärzte. Dies sei "gesetzeskonform", sagte Köhler und widersprach damit der Auffassung der Krankenkassen.

Derzeit beträgt das Budget für die 145.000 Kassenärzte und Psychotherapeuten rund 23 Milliarden Euro. Die KBV hatte für 2009 eine Erhöhung um 4,5 Milliarden gefordert. Am Wochenende appellierte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) an beide Seiten, sich ohne Eingreifen der Bundesregierung zu einigen.

Ärztemangel als Folge der Honorarpolitik

Die Kassen hatten zuvor darauf hingewiesen, dass ihre Mitglieder die zusätzlichen Honorare in Form von Beitragserhöhungen bezahlen müssten, ohne dass die Patienten viel davon hätten. Schon jetzt hätten niedergelassene Ärzte nach Abzug der Praxiskosten im Durchschnitt brutto 120.000 Euro im Jahr.

Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, der NAV-Virchow-Bund, warf den Kassen unterdessen vor, der rasant fortschreitende Ärztemangel sei eine direkte Folge ihrer Honorarpolitik. Die Verweigerung längst unstrittiger Honorarforderungen der Ärzteschaft verschlechtere die Versorgung weiter, erklärte der Vorsitzende Klaus Bittmann. Es sei inzwischen nachgewiesen, dass ein Drittel der Leistungen im ambulanten Sektor nicht vergütet würden.

KBV droht mit Klage vor dem Verfassungsgericht

Die KBV droht außerdem mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, falls die Große Koalition eine Neuregelung zur hausärztlichen Versorgung durchsetzt. Zu befürchten sei eine Einschränkung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen, sagte Vorstand Carl-Heinz Müller.

Köhler bekräftigte Zweifel an den nach seiner Einschätzung grundgesetzwidrigen Plänen der Koalition, die Krankenkassen bis Mitte nächsten Jahres zum Abschluss von Hausarztverträgen zu verpflichten. Nach der vorgesehen Regelung würde eine Minderheit von 29 Prozent der an Hausarztverträgen beteiligten Mediziner bei der Vertragsgestaltung eine wettbewerbsschädliche Monopolstellung erhalten. "Diese Gruppe hat das "jus prima noctis" (Recht der ersten Nacht)", kritisierte Köhler, der die KBV damit ausgebootet sieht.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AP/jkr/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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