Ärger um Milliarden-Sparprogramm:Betriebsrat prangert Siemens-Chef Löscher an

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Noch mehr Ärger bei Siemens: Der Betriebsrat fühlt sich vom Sparprogramm des Konzernchefs völlig überrumpelt - ein handfester Streit zeichnet sich ab.

Markus Balser

Mitten in der Aufarbeitung der Korruptionsaffäre und nach schwachen Geschäftszahlen bekommt Siemens-Chef Peter Löscher nun auch noch Gegenwind von den Mitarbeitern. Die positive Anfangsstimmung nach Löschers Start vor knapp einem Jahr drohe zu kippen, heißt es aus dem Betriebsrat. Der Grund: Pläne des Managements für harte Einschnitte in zentralen Teilen des Unternehmens.

Peter Löscher: Bislang kamen der Siemens-Konzernchef und der Betriebsrat gut miteinander aus, doch das könnte sich jetzt ändern. (Foto: Foto: ddp)

Lange hatte Siemens darüber geschwiegen, wie der Konzern geplante Einsparungen von 1,2 Milliarden Euro umsetzen will. Vor zwei Wochen seien nun 20 führende Betriebsräte bei einem Treffen mit Topmanagern in der Zentrale am Wittelsbacher Platz über Eckpunkte des brisanten Papiers informiert worden, berichtet ein führender Betriebsrat. "Seither ist das Klima frostig."

Berater müssen gehen

Die Pläne mit dem Vermerk "streng vertraulich" sehen nach SZ-Informationen vor, dass Siemens die Ausgaben für externe Unternehmensberater von derzeit 600 Millionen Euro bis 2010 halbieren wird. Bei der hauseigenen IT - Computern, deren Wartung und Steuerung - will Löscher weitere 300 Millionen Euro sparen lassen. Allein in der Zentrale sollen dem Papier zufolge 20 Prozent der Kosten wegfallen. Das Machtzentrum soll künftig Kompetenzen an die Sektoren abtreten und sich stärker auf allgemeine Führungsaufgaben konzentrieren, heißt es in den Unterlagen weiter.

Zudem will Löscher das Dickicht von Konzerngesellschaften lichten. Ihre Zahl soll von 1800 auf unter 1000 reduziert werden. So sollten doppelte Kosten im Rechnungswesen, in der Buchhaltung und den Rechtsabteilungen vermieden werden. Ein Konzernsprecher bestätigte die Angaben wollte sich aber zum Umfang eines bevorstehenden Stellenabbaus nicht äußern. Dazu sei es zu früh.

Betriebsräten schwant indes, dass der Siemens-Belegschaft damit neue, harte Einschnitte bevorstehen. Führende Arbeitnehmervertreter glauben, dass dem Sparprogramm Tausende Jobs zum Opfer fallen werden. Denn noch immer ist offen, wie weitere 600 Millionen Euro gespart werden sollen.

Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann forderte am Freitag bereits öffentliche Unterstützung für die Belegschaft. "Mich wundert schon, dass die Politik die massiven Einschnitte bei Siemens in Deutschland in den vergangenen Jahren einfach hingenommen hat", sagt Gesamtbetriebsratschef Heckmann. Einschließlich Verkäufen habe sich der Konzern innerhalb von nur vier Jahren von 67.000 Mitarbeitern getrennt, so Heckmann. Viele dieser Beschäftigten, wie Mitarbeiter der insolventen ehemaligen Siemens-Handysparte BenQ, hätten inzwischen keinen Job mehr.

Lesen Sie weiter, wie der Betriebsrat die Informationspflicht des Konzerns prüfen lässt.

Seit Monaten schon durchforsten hunderte Mitarbeiter das gesamte Unternehmen auf der Suche nach Sparpotential. Zum Eklat kam es, als der Konzern Ende April Eckpunkte des Programms vorlegte, ohne den Stellenabbau zu präzisieren.

"Wir fühlen uns von der Konzernführung überrumpelt", klagt Gesamtbetriebsratschef Heckmann. Erst Stunden vor dem Treffen Ende April habe Siemens Informationen zur Verfügung gestellt. "Wir wurden erst mit Ordnern überschüttet und sollten sofort zustimmen", so Heckmann. Der Konzern hätte so einen Freibrief für tiefe Einschnitte bekommen. "Diesen Stil der neuen Führung werden wir nicht dulden", ärgert sich Heckmann. Unter Corporate Governance-Gesichtspunkten sei das Vorgehen äußerst problematisch. Compliance-Vorschriften dürften nicht nur in Korruptionsfragen gelten.

Anwalt eingeschaltet

Löscher, bislang auf Konsens mit den Beschäftigten bedacht, droht damit der erste handfeste Streit mit der eigenen Belegschaft. Die will nun von einem Arbeitsrichter klären lassen, ob der Konzern mit mangelhafter interner Information gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstößt. Der Gesamtbetriebsrat habe einen Frankfurter Anwalt damit beauftragt, die Einigungsstelle anzurufen, betätigt Heckmann.

In weiteren Krisenrunden wollen Arbeitnehmervertreter nun mit dem Management verhandeln. Die Umsetzung des vor Investoren bereits angekündigten Sparprogramms liegt nach Informationen aus dem Betriebsrat aber vorerst auf Eis. Siemens-Chef Löscher hatte das Sparprogramm zuletzt als entscheidenden Teil des Konzernumbaus bezeichnet. Wegen hoher Kosten bei der Aufarbeitung der Korruptionsaffäre und Problemen bei Großprojekten hatte Siemens im zweiten Quartal einen Gewinneinbruch verbucht.

© SZ vom 17./18.05.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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