Abwrackprämie:Die Party ist vorbei

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Die Bundesregierung entscheidet über die Abwrackprämie - und sollte bei dieser Milliarden-Subvention eine einfache Tatsache berücksichtigen: Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist.

Thorsten Denkler, Berlin

Am Anfang kurz die Zahlen: Weit über eine Million Anträge auf Abwrackprämie liegen bereits vor. Stündlich kommen Tausende dazu. Die erwarteten Kosten: Drei Milliarden, im schlimmsten Fall bis zu zehn Milliarden Euro.

Nur noch Schrott: Alte Autos auf der Halde. (Foto: Foto: ddp)

Gut, solche Summen schocken kaum noch angesichts der Hunderte Milliarden Euro, mit denen sich der Staat bei den Banken engagiert. Dennoch: Es bleiben gewaltige Summen. Mit ähnlich viel Geld könnten sämtliche Schulen und Kindergärten im Land grundsaniert werden; im Zweifel könnten alle Universitäten gleich mit auf den neusten Stand gebracht werden.

Die Deutschen aber investieren ihr Geld lieber in den Schrott von Morgen als in die Zukunft ihrer Kinder.

Und was hat es für Debatten gegeben um den Ausbau der Kindertagesbetreuung! Um jede Million Euro wurde gefeilscht, und Ursula von der Leyen wurde zur jeanne d'Arc der Kindertagesstätten. Geht es aber ums Auto, dem Darling der Deutschen, heißt es: Schleusen auf! Volle Fahrt voraus!

Sicher, die Abwrackprämie hat zunächst einmal den erhofften Nachfrageschub gebracht. Die Autokonzerne im Inland, aber auch im Ausland haben Dank deutscher Großzügigkeit etwas Luft bekommen, um vielleicht nicht mehr ganz so beschädigt aus der Wirtschaftskrise zu kommen. Sicher aber ist das nicht.

Das größte Problem der Abwrackprämie beginnt am Tag nach der Abwrackprämie. Dann haben alle schon zugegriffen, die irgendwie mit dem Gedanken gespielt haben, sich in den kommenden ein oder zwei Jahren einen Neuwagen zuzulegen. Nur: Wer soll in einem Jahr noch Autos kaufen? Das Phänomen nennt man "Mitnehm-Effekte". Viele Autofreunde haben sich vom Staat für etwas bezahlen lassen, was sie ohnehin getan hätten.

Die Kunden vor morgen sind die Kunden von heute. Die Abwrackprämie hat die natürliche Nachfrage der kommenden ein, zwei Jahre in einen Zeitraum weniger Monate komprimiert. Es müsste schon einen gewaltigen Konjunktursprung geben, damit im schwarzem Nachfrageloch - nach der Abwrackprämie - nicht doch der ein oder andere Autokonzern verschwindet. Mit einem schnellen Aufschwung ist leider nicht zu rechnen.

Das, was in der Fachwelt euphemistisch "Marktbereinigung" genannt wird, ist für die Autoindustrie mit der Abwrackprämie nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Dass die Milliarden in den Wind geschossen sind, wird spätestens dann klar, wenn die Neuaufträge abgearbeitet sind und die ersten Entlassungswellen über die Standorte jagen.

Es hat schon so etwas wie Gewöhnung eingesetzt: Die Abwrackprämie will plötzlich keiner mehr missen. Sogar Barack Obama in den USA denkt daran, das Ding made in Germany einzuführen. Ganz so, als wäre es staatliche Aufgabe, die Autowünsche der Bürger zu erfüllen. Dazu beigetragen hat schon die wackelige Grundkonstruktion der Prämie: Sie wurde zeitlich befristet und zugleich finanziell gedeckelt. Ursprünglich standen bis Ende Juni 1,5 Milliarden Euro bereit - das Geld aber ist weit vor Fristende aufgebraucht.

Wäre die Regierung konsequent, dann müsste sie sagen: Geld aus, Ziel erreicht, basta, das war's. Aufhören, wenn es am schönsten ist.

Dumm nur, dass ja Wahljahr ist. Da sitzt das Geld der Steuerzahler offenbar lockerer in den Taschen der Regierenden. Egal, wie die Bundesregierung die Abwrackprämie jetzt zu verlängern gedenkt: Am Ende wird sie höchstwahrscheinlich einfach nur ein sehr teures Wahlgeschenk gewesen sein. Gesellschaftlicher Nutzen: irgendwo bei null.

Aber die Kanzlerin und ihre Minister haben noch einmal richtig Vollgas gegeben.

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