Unabhängige Bafin:Währungsfonds fordert starke Aufsicht

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Die Bafin müsste unabhängiger arbeiten, fordern IWF-Experten. Sie fürchten wohl, dass deutsche Lebensversicherer das Finanzsystem gefährden.

Von Herbert Fromme, Köln

Die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington werden dafür bezahlt, sich Sorgen zu machen. Sie analysieren regelmäßig die Finanzsysteme der Mitgliedsländer, rechnen durch, wie Banken und Versicherer unter Extrembelastungen dastehen würden - und veröffentlichen Empfehlungen an Regierungen und Aufsichtsbehörden.

Aktuell machen sich die IWF-Fachleute Gedanken über die Lebensversicherung in Deutschland - und überraschende Empfehlungen. Ein Kernpunkt: Die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) in Bonn und Frankfurt solle unabhängiger werden vom Bundesfinanzministerium (BMF). "Die Bundesregierung sollte die extensiven Berichterstattungspflichten der Bafin gegenüber dem BMF prüfen, ebenso die Regeln für die Entlassung von Mitgliedern des Exekutivdirektoriums", schreiben die IWF-Experten. So soll sichergestellt werden, dass die Exekutivdirektoren auch künftig "robuste operative Unabhängigkeit" beweisen.

Offenbar hält der IWF allzu große Nähe zur Regierung für wenig hilfreich bei der Aufsichtstätigkeit.

Die Bundesregierung hat Einfluss auf die Bafin - zu viel, finden die Experten des Währungsfonds

Das ist harte Kost. Denn zurzeit wird die Bafin zwar von den Firmen bezahlt, die sie beaufsichtigt. Das sind Banken, Wertpapierhändler und Versicherer. Aber die Kontrolle hat die Bundesregierung, die auch die Mitglieder des Direktoriums ernennt - und ohne die Veröffentlichung von Gründen entlassen kann. Das passt der Washingtoner Weltfinanzbehörde offenbar nicht, auch wenn sie zugesteht, dass "in der Praxis die Bafin bei Aufsichtsentscheidungen nicht von der Regierung instruiert wird". In der Satzung wird ausdrücklich das Weisungsrecht des Finanzministeriums gegenüber der Behörde festgehalten. Das Ministerium hält die Unabhängigkeit nicht für eingeschränkt. "Es wird kein Änderungsbedarf gesehen", teilt es auf Anfrage mit.

Hinter der Empfehlung steckt tiefes Unbehagen beim Währungsfonds über die Zukunft der deutschen Lebensversicherer. Immerhin hat die Branche 851 Milliarden Euro für ihre Kunden angelegt, das hat eine große Bedeutung für das Weltfinanzsystem. In den Neunzigerjahren gaben die Gesellschaften ihren Kunden Zinsgarantien bis zu vier Prozent - für die gesamte Laufzeit der Verträge. Heute leiden sie unter diesen immer noch geltenden Zusagen, weil sie wegen der Niedrigzinsen weniger Erträge erzielen. Eine ganze Reihe von Gesellschaften stehen erheblich unter Druck.

Die IWF-Fachleute haben einen Stresstest durchgeführt, also simuliert, wie die Branche nach weiteren Zinssenkungen und einem scharfen Fall der Aktienkurse dastünde. Selbst dann hätte keine Gesellschaft negatives Kapital, aber 13 von 75 Lebensversicherern in der Untersuchung hätten weniger als 100 Prozent des Kapitals, das nach den neuen EU-Regeln Solvency II gebraucht wird. Das gilt auch dann, wenn diese Gesellschaften die großzügigen Übergangsfristen der EU nutzen.

Der IWF drängt die Bundesregierung, der Bafin mehr Vollmachten zu geben, um einen möglichen Crash zu verhindern. Eine Möglichkeit: Die Aufsicht solle das Recht bekommen, notleidende Versicherer zur Abgabe von Vertragsbeständen zu zwingen, entweder an einen anderen Versicherer oder an die Sicherungseinrichtung Protektor. Bislang kann die Bafin nur bei einer faktischen Pleite, einem "Sicherungsfall", die Übertragung an Protektor anordnen. Der IWF-Vorschlag bedeutet, dass die Behörde viel früher die Übertragung an eine gesunde Gesellschaft erzwingen könnte. Außerdem soll die Bafin nach Ansicht des Währungsfonds prüfen, ob nicht auch komplex zusammengesetzte Bestände leichter an andere Gesellschaften übertragen werden können. Zurzeit gelten dafür sehr hohe Hürden. So liegt die geplante Übertragung eines Lebensversicherungsbestandes der Basler an die Abwicklungsgesellschaft Frankfurter Leben jetzt schon neun Monate zur Genehmigung in Bonn.

Die IWF-Analysten machen sich Sorgen, ob größere Gesellschaften ausreichend auf Probleme vorbereitet sind. "Die Bafin sollte ihre Befugnisse dafür nutzen, von wichtigen Versicherern die Erstellung von Sanierungsplänen zu verlangen." Dabei solle die Aufsicht mit denen beginnen, die als besonders gefährdet gelten. Lücken im Aufsichtssystem sollten geschlossen werden, damit Unternehmen in Krisenzeiten die nötigen Informationen sofort bereitstellen und Notfallpläne vorhalten.

Auch an die nötige Außenwirkung denken die Spezialisten in Washington. "Die Behörden werden ermuntert, eine Kommunikationsstrategie gegenüber der Öffentlichkeit und den Kunden zu entwickeln, um Risiken zu reduzieren."

Offenbar befürchtet der Internationale Währungsfonds, dass im Krisenfall Kunden der Lebensversicherung kündigen, selbst wenn sie dabei Geld verlieren würden - und sich damit die Probleme noch verschärfen.

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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