Krise bei Schaeffler:"Ich bin keine Schicki-Micki-Dame"

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Vergangenen Sommer war man bei Schaeffler in Herzogenaurach noch sehr stolz auf die Chefin - jetzt geht in der Firma die Angst um.

Uwe Ritzer

Der Betriebsrat ist vorsichtiger als je zuvor. Es ist nicht lange her, dass speziell die Arbeitnehmervertreter aus den Reihen der IG Metall bei Schaeffler öffentlich ungeniert losholzten. Von "Menschenführung nach Gutsherrnart" war da die Rede, und man führte bittere Klage über "feudale Züge" des Managements, das von den Beschäftigten bedingungslose Unterordnung verlange. 2008 erwärmte sich das Klima.

Im Pelz zum Kundentermin? Schaeffler-Firmenchefin Elisabeth Schaeffler. (Foto: Foto: dpa)

Plötzlich sagten selbst hartgesottene Gewerkschafter, Schaeffler-Geschäftsführer Jürgen Geißinger sei neuerdings gesprächsbereit und zugänglich. Zwar sei das Familienunternehmen, was Umsatz, Gewinn und andere wirtschaftliche Kennzahlen angehe, von Transparenz noch sehr weit entfernt. Aber immerhin rede man miteinander. Und Norbert Lenhard sagt, bis in diese schwierigen Tage hinein sei der Gesprächsfaden nicht mehr abgerissen. Deshalb will der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates lieber nichts sagen.

Großer Schuldenberg

Hat Schaeffler sich mit der Übernahme von Continental übernommen? Soll der Staat helfen? Droht ein Milliardendesaster? "Nein", wehrt Lenhard ab, "ich kann und will das nicht kommentieren. Denn das meiste erfahren auch wir nur aus der Zeitung."

Wer hin und wieder in der zuletzt etwas zugänglicher gewordenen Firmenwelt der Familie Schaeffler unterwegs ist, erlebte in den vergangenen Monaten ein beispielloses Auf und Ab der Gefühle. Im vorigen Sommer noch war man in den Ingenieurbüros und an den Werkbänken stolz auf die Chefin und bewunderte sie für ihren beispiellosen Coup. Wie geschickt sich doch Maria-Elisabeth Schaeffler an die dreimal größere Continental AG angeschlichen und die hochnäsigen Dax-Manager in Hannover überrumpelt hatte, hieß es.

Doch dann kam die Finanz- und die Automobilkrise. Und schneller noch als der Auftragseingang schmolz das Selbstbewusstsein vieler Beschäftigter, und ihre Angst wuchs. Plötzlich sehen sie sich vor einem Schuldenberg in der für sie unvorstellbaren Höhe von 20 Milliarden Euro. Und die Chefin klopft bei Ministerien und Staatskanzleien an und bittet um milde Gaben.

In den Fabrikhallen und Büros wurde aus Ernüchterung plötzlich Frust. "Die haben es ganz einfach vergeigt", beschreibt einer von Lenhards Betriebsratskollegen hinter vorgehaltener Hand die vorherrschende Meinung im Betrieb. Nun heiße es: Augen zu, zusammenstehen und durch!

Um speziell am Schaeffler-Sitz in Herzogenaurach die Befindlichkeiten zu eruieren, empfiehlt sich ein Gespräch mit German Hacker. Seit knapp neun Monaten regiert der Sozialdemokrat das 28.000-Einwohner-Städtchen nordwestlich von Nürnberg. Auch er spürte gewissermaßen den Absturz. "Erinnern Sie sich an die Schlagzeilen und Berichte vom vergangenen Sommer", rät Hacker.

Zigfach wurde damals in in- und ausländischen Medien das Wirtschaftswunder von Herzogenaurach beschrieben. Dieser kleinen Stadt mit den drei großen Weltkonzernen Adidas, Puma und Schaeffler. "Eine Stadt im Glück", titelte auch die Süddeutsche Zeitung. Bürgermeister Hacker sagt, er habe damals in Gesprächen mit Journalisten oft seinen Vorgänger zitiert. "Wenn Schaeffler hustet, kriegt Herzogenaurach eine Lungenentzündung", habe dieser gerne treffend formuliert. "Jetzt ist es so weit", sagt Hacker. "Schaeffler hustet sehr massiv."

Wenn der Bürgermeister am heutigen Donnerstagabend mit dem Stadtrat den Haushalt für 2009 verabschiedet, sind Finanz-, Wirtschafts- und Schaeffler-Krise endgültig in Herzogenaurach angekommen. Und zwar mit einer dort vor wenigen Monaten noch für unmöglich gehaltenen Wucht. "Unsere Gewerbesteuereinnahmen sinken von 20 Millionen im vergangenen Jahr auf minus vier Millionen in diesem", rechnet Hacker vor. Mit anderen Worten: Die Kommune muss sogar vier Millionen Euro Steuer zurückzahlen. Das überfordert sogar das EDV-System im Rathaus; beim Posten Gewerbesteuer lässt sich kein Minus eingeben.

Stattdessen trug der Kämmerer als Einnahme eine 0 ein und verbuchte die vier Millionen Euro Defizit als Sonderausgaben. So regiert Schmalhans erstmals seit langem in Herzogenaurach, nicht nur, aber vor allem wegen Schaeffler. Er lässt die Rücklagen in der Stadtkasse von 28,5 Millionen auf 16,5 Millionen Euro abschmelzen und treibt die Schulden um sieben Millionen Euro hoch.

Wenn sich durch die Konjunkturprogramme von Bund und Land nicht noch Fördertöpfe auftun, muss Hacker nicht nur die Sanierung des energietechnisch maroden Rathauses auf Jahre hinaus verschieben. Auch geplante Stadtwohnungen werden vorerst nicht gebaut, und die Zuschüsse an die Vereine werden um zehn Prozent gekürzt, außer für die Jugendarbeit. "Unser Sparpaket umfasst zig kleine Maßnahmen", sagt der Bürgermeister. Und jede einzelne davon führt die gewaltigen Risiken vor Auge, welche Global Player in schlechten Zeiten darstellen können.

Die Hälfte der 16 000 Arbeitsplätze in Herzogenaurach stellt Schaeffler. Die Leiharbeiter hat der Wälzlagerkonzern schon länger nach Hause geschickt, und die Zeitkonten der eigenen Mitarbeiter wurden leergeräumt. Nun geht es ans Eingemachte. Kurzarbeit droht und längerfristig vielleicht sogar Schlimmeres. Bereits im November hatte Maria-Elisabeth Schaeffler vorsichtig angedeutet, womöglich werde man um Entlassungen dauerhaft nicht herumkommen. Besser ist die Automobilkonjunktur seither nicht geworden.

Im Pelz in Kitzbühel

In Herzogenaurach und im Wirtschaftsraum Nürnberg galt die 67-jährige Unternehmerin als unantastbar. Ehrenbürgerin, Vizepräsidentin der IHK, großzügige Mäzenatin für kirchliche und soziale Belange, eine elegante Dame, die immer höflich sei und Stil habe, heißt es über Maria-Elisabeth Schaeffler.

Und ausgerechnet sie muss nun öffentlich erklären, warum sie am Samstag bei einem Schickeria-Event in Kitzbühel aufgetreten ist. Im Pelzmantel, was ihr nun in etwa so nachhängt, wie dem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sein V-Zeichen im Gerichtssaal. Steuergelder für eine Frau im mondänen Pelzmantel? "Ich bin keine Schicki-Micki-Dame", verteidigt sich die Milliardärin in der Boulevardpresse. Sie arbeite schließlich 80 Stunden pro Woche. 12.000 Arbeitsplätze habe sie seit 2001 geschaffen, ein Drittel davon in Deutschland. Und nach Kitzbühel sei sie nur gefahren, weil es das Event eines Automobilkonzerns gewesen sei. Also quasi ein Kundentermin.

© SZ vom 29.01.2009/che - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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