Textilkunde:Das Prolo-Shirt

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Dieter Bohlen bei der Eröffnung des Camp-David-Headquarters - mit vergleichsweise dezentem Brustschmuck. (Foto: German Select/Getty Images)

Warum nur beladen sich Männer neuerdings mit falschen Orden, Flaggen, Ortsangaben und Wimpeln? Eine Antwort.

Von Max Scharnigg

Royal Polo MCMLIII California, Club Geographical Norway, High Grade Division, Saint Tropez Sailing Team, Legend of Sport 1953 Saint Barth. Nein, das ist kein Blindtext, auch kein Code, sondern nur das Wichtigste, was man so im Brust- und Schulterbereich eines Polo-Shirts für 34 Euro lesen kann. Die Fülle von Begriffen ist aufbereitet in unterschiedlichen Schriftgrößen und Farben, angereichert mit Stickereien eines Pferdes, mehreren aufgedruckten Wappen und Wimpeln, geflockten Fahnen, Banderolen und Lorbeerkränzen. Ein Shirt wie ein Unfall in der Applikations-Fabrik.

Dies ist nicht allzu bemerkenswert, wenn das überladene Polo nicht auf einmal das favorisierte Sommerhemd des Mannes in den sogenannten besten Jahren geworden wäre. Der freilich meist in Traditionssport-Klubs und Lorbeerkränzen nur etwa so viel zu suchen hat, wie ein altes Tretboot im Hafen von Monaco. Wie konnte das komische Prolo-Shirt nur so beliebt werden? Sinnlos bedruckte Klamotten waren doch eigentlich der Kindermode vorbehalten, schon Jugendliche versuchen sich auf angesagte Markenlogos, Bandnamen oder witzige Sprüche zu beschränken, danach herrschte doch eigentlich eine gewisse Einigkeit unter Erwachsenen, dass Klamotten die Klappe halten sollen oder eben für sich sprechen - und nicht mit Fantasie-Mitgliedschaften und Banderolen von falschen Nordpolexpeditionen, Pokalsiegen und Quatsch-Abzeichen in Goldstick protzen. Das alles trägt der deutsche Mann derzeit stolz in die Urlaubsflieger, vorbei an Frühstücksbuffets und auch, wenn er mal eben die Kathedrale im Ferienort abcheckt - mit aufgestelltem Kragen und bonbonfarbiger Bermuda.

Das Polo-Shirt war mal ein solides und ziemlich zeitloses Stück Mode, eingeführt vor etwa hundert Jahren auf den mondänen Tennisplätzen, wo es Kragen und Kurzärmligkeit kühn zusammen brachte, besonders seit sich ein gewisser René Lacoste der Sache angenommen hatte. Danach erst trugen es tatsächlich die Polospieler und noch später machten sich Fred Perry, Lacoste und dann auch Ralph Lauren an seine flächendeckende Verteilung. In vielen Farben war es schon immer zu haben, ja, und ein kleines Logo auf Herzhöhe gehörte zum Spiel - aber dabei blieb es. Ein simpler Klassiker in Piqué, immer etwas sauberer als ein T-Shirt und das einzige Kurzarmhemd, das in der klassischen Herrengarderobe erlaubt ist. Diese Erlaubnis muss angesichts der überplakatierten Polo-Hemden zurückgenommen werden, die maßgeblich von dem in Brandenburg ansässigen Label Camp David und ihrem Werbemaskottchen Dieter Bohlen in den Massenmarkt getragen wurden.

Bohlen ist quasi die Reinform des Urlaubsdeutschen

Bohlen war eine gute Wahl, dauergebräunt gackernd ist er quasi die Reinform des Urlaubsdeutschen. Die reich verzierten Camp-David-Shirts weisen ihre Träger wahlweise als Teilnehmer einer großen Regatta oder eines royalen Polo-Turniers aus und beherrschen das Textil-Tourette wie keiner der vielen Nachahmer: Stay Incorporation, International Costa Smeralda, Camp David, Lifestyle Flight, Limited Series, Sky Lounge, Premium Location (x2) , Sardinia, Nineteen Sixty Three, Aero Union, Crew Member steht da in vielen verschnörkelten Schriften. Jetset-Poesie! Es muss bei den Entwicklern dieser irren Konglomerate so eine Art Pathos-Baukasten geben, aus dem immer neue Kombinationen entstehen, unendlich viele, und die Urlaubsmänner werden deswegen wohl noch länger aussehen wie überdekorierte Leichtmatrosen, pardon, Crew Members.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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