Stil-Kolumne:Falscher Neunziger

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Lottie Moss und Bill Skarsgård tragen bekannte Nachnamen und sehen aus, als wäre draußen wieder 1995 - sie mit CK-Shirt und er mit Gelfrisur. Ist das ein gelungenes Revival oder sind es einfach nur: Nachmacher?

Lotti Moss wirbt für Calvin Klein. (Foto: N/A)

Vor ein paar Wochen kam das Jeanslabel CK Calvin Klein plötzlich mit einer Schwarz-Weiß-Kampagne um die Ecke, die die größten Zeiten des Labels wieder aufleben lässt: die Neunziger. Und alle fragen sich: Warum bloß? Ein junges blondes Mädchen trägt BHs mit großen Logo-Lettern unter Latzhosen und schaut dabei schläfrig. Das allein würde schon an die Kampagne erinnern, die in den Neunzigern das erste Unisex-Parfüm "One" von Calvin Klein an Mann und Frau brachte. Der vermeintliche Marketing-Geniestreich der Kampagnenmacher aber ist, dass das müde Mädchen an ein anderes Werbefoto erinnern soll, nämlich an das, auf dem sich Kate Moss in jungen Jahren nackt auf einem Shabby-Sofa räkelt.

Zu spät, zu spät!

Sie heißt tatsächlich Lottie Moss und ist die 16-jährige Halbschwester von Supermodel Kate. Den Klatschblättern hat sie schon gesagt, dass Kate sie zu einer eigenen Karriere inspiriert habe und sie vor allem davon träume, jeden einzelnen Schuh von Christian Louboutin zu besitzen. Jetzt ist es aber so, dass eigentlich niemand mehr von Louboutins träumt, von einer Modelkarriere auch nicht. An Minimalismus-Mode haben sich alle sattgesehen, an Britpop alle sattgehört, kurz, alle sehnen sich nach einem Ende dieses 90er-Jahre-Revivals, alle wollen längst wieder Hippie-Looks und Farben. Zu spät, zu spät, möchte man beim Betrachten der makellosen Bauchfrei-Lottie also rufen! Möglichst passgenau in die großen Fußstapfen der älteren Geschwister treten zu wollen, das geht oft nach hinten los: Ralf Schumacher war immer nur fast so schnell und Penelope Cruz' Schwester nur fast so schön. Lottie Moss wird immer nur fast so cool sein.

Von Julia Werner

Schauspieler Bill Skarsgård 2013 bei der WonderCon Anaheim. (Foto: Getty Images)

Die Neunzigerjahre waren Herrenhaartechnisch recht ergiebig. Die Zottelmähne von Kurt Cobain und die Fransen-Bobs der Britpopper fanden viele Nachkämmer, und dann gab es noch die brave Variation: Den Boyband-Mittelscheitel. Dafür sortierte man die eine Hälfte der Frisur nach links, die andere nach rechts und schuf sich damit idealerweise ein herzförmiges Stirnportal aus leicht gegelten Strähnen. Mit einem solcherart formatierten Skalp durfte man aufs Poster und an die Wand der Jugendzimmer, Hugh Grant trug das einst auch recht erfolgreich. Der junge Mann hier heißt Bill und wurde 1990 geboren. Sein Bruder ist der Schauspieler Alexander Skarsgård, den Hollywood gerade als Titelhelden für einen neuen Tarzan-Film verpflichtet hat.

Retro-Frisur und Minimal-Look

Der kleine Bill Skarsgård hat durchaus die Schneidigkeit seines Bruders, ist aber beruflich noch nicht ganz auf dessen Niveau. Mit seiner Rolle in der gelungenen Netflix-Serie "Hemlock Grove" erspielte er sich jetzt aber eine gewisse Bekanntheit - hilfreich war dabei unter anderem sein nostalgisches Haar. Es existieren etliche bewegte Sequenzen im Web, die nichts anderes zeigen als Bill Skarsgård beim sinnlichen Hantieren mit seiner Retro-Frisur. Wir erinnern uns: Eine der wichtigsten Gesten der Neunziger war das Durchpflügen der Haare mit der ganzen Hand, womit das Vertikulieren und Neuschichten der Mittelscheitel-Tolle erreicht wurde. Tennisspieler machten es nach jedem Aufschlag! Skarsgård hat das wieder perfektioniert, dazu trägt er stets einen Helmut-Lang-artigen Minimal-Look mit viel Schwarz und schmalen Schuhen. Wenn schon Revival, dann so.

Von Max Scharnigg

© SZ vom 02.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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