50 Jahre Lavalampe:Schleim des Bösen

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Der exzentrische Brite Edward Craven Walker erfand 1963 die raketenförmige Lampe. (Foto: Matt Cardy/Getty Images)

"Wer unsere Lampe kauft, braucht definitiv keine Drogen," sagte ihr Erfinder einst. Die Lavalampe wird 50 - was genau in den Dingern eigentlich blubbert, ist bis heute ein Rätsel. Eine Spurensuche.

Von Titus Arnu

Blutblasen in Aspik? Rote Quallen in der Tiefsee? Flüssiges Gestein im Weltraum? Wer eine Weile auf eine Lavalampe starrt, gerät irgendwann in einen psychedelischen Zustand, in dem er nur noch Farben und Formen wahrnimmt und die Zeit vergisst. "Wer unsere Lampe kauft, braucht definitiv keine Drogen," hat Edward Craven Walker, der vor 13 Jahren verstorbene Erfinder der Lavalampe mal gesagt.

Billige Lavalampen-Imitationen aus Fernost gibt es heute in jedem Ramschladen zu kaufen, aber das Original stammt aus Poole, einem Kaff an der Küste Südenglands. Im September 1963 startete der exzentrische Edward Craven Walker dort die Produktion der nicht minder exzentrischen Blubber-Lampe, das Kultobjekt wird in diesen Tagen 50 Jahre alt.

"Astro Lamp" nannte der Erfinder sein raketenförmiges Leuchtobjekt, seine Firma hieß ursprünglich "Crestworth" und wurde später in "Mathmos" umbenannt. Der zweite Firmenname stammt aus dem 1968 produzierten Film "Barbarella" - Mathmos ist in der skurrilen Science-Fiction-Saga ein See auf einem fremden Planeten, der mit blubberndem "Schleim des Bösen" gefüllt ist. Böse Zungen behaupten, der Firmenname passe ziemlich gut, denn die gruselig wabernde Lavalampe sei möglicherweise auch mit Schleim des Bösen oder einer ähnlich fiesen Flüssigkeit gefüllt.

Experimente und Unterwasser-FKK-Filme

Wahrscheinlich ist die spacige Ästhetik des wabernden Wohnzimmer-Accessoires nur aus seiner Zeit heraus zu erklären. Die Sechzigerjahre waren bekanntlich ein Jahrzehnt der Experimente und Grenzüberschreitungen. Selbst ernannte Psychonauten begaben sich mithilfe von bewusstseinserweiternden Drogen auf eine Forschungsreise in die eigene Psyche, amerikanische Astronauten landeten auf dem Mond, Jimi Hendrix lotete mit nie gehörten Gitarrenklängen die Grenzen der Rockmusik aus- und in Poole bastelte Edward Craven Walker an einer futuristischen Leuchte. Er experimentierte mit Orangensaftflaschen, Wasser, Öl und flüssigem Wachs, bis ihm ein Licht aufging und er die perfekte Mischung fand. Ob der Schleim des Bösen dabei eine Rolle spielte, ist nicht bekannt. Tatsächlich ist die Rezeptur bis heute streng geheim.

Walker muss seinen vier ehemaligen Ehefrauen und seinen vielen ehemaligen Mitarbeitern zufolge ein ziemlicher Kauz gewesen sein. Abgesehen von der Erfindung der Lavalampe produzierte er auch Unterwasser-FKK-Filme, fuhr privat ein Feuerwehrauto und besaß in Dorset Englands größten Naturisten-Campingplatz. Die Idee für die Lavalampe soll Craven Walker in einem Pub in Poole gehabt haben, als er, aus welchem Grund auch immer, wie hypnotisiert auf eine Eieruhr starrte.

Christine Baehr, die zweite der vier Ex-Ehefrauen des Firmengründers, erinnert sich an die Geburtsstunde der Lavalampe: "Damals war alles ein bisschen psychedelisch - die Carnaby Street, die Beatles und die Weltraumerkundung. Mein Mann fand die Idee irgendwie flippig." Das fanden andere auch, und die "Astro Lamp", wie sie ursprünglich hieß, tauchte bald in Science-Fiction-Fernsehserien, in Hollywoodfilmen wie "Superman", auf Plattencovern und in Designabteilungen von Kaufhäusern auf. David Bowie ließ sich in seinem Studio mit einer "Astro Mini" fotografieren, der 40 Zentimeter hohen Winz-Version. Auch Beatles-Drummer Ringo Starr hatte ein Exemplar zu Hause.

Inhalt: "Kitsch und Schmalz"

In den Siebzigern war das Blubberding weltweit bekannt, aber so wie Schlaghosen und buschige Achselhaare geriet es irgendwann aus der Mode. Nach einer Durststrecke in den Achtzigern erlebte die Lavalampe in den Neunzigern ein Comeback. Studenten fanden es auf einmal irre witzig, so eine Retro-Lampe im Zimmer stehen zu haben. Die heutige Inhaberin der Beleuchtungsfirma Mathmos, Cressida Granger, setzt auf eine Verbindung von Tradition und modernen Leuchtmitteln. Das erste LED-Produkt brachte Mathmos im Jahr 2000 auf den Markt: "Bubble", eine tragbare, wiederaufladbare Leuchte.

Bis heute produziert Mathmos die Lavalampen in der 1963 gegründeten Manufaktur in Poole, obwohl es billiger wäre, die Dinger in China fertigen zu lassen. Dass es in dem Familienbetrieb viel weniger Fluktuation gibt als in den Lavalampen selbst, spricht für sich. Alan Stanton zum Beispiel füllt seit mehr als 20 Jahren Glaskolben mit dem Wachs-Wasser-Gemisch auf, und er scheint deswegen nicht verbittert zu sein. Im Gegenteil, in einem Film der BBC führt er stolz vor, wie er die Lampen mit den rötlichen Grundflüssigkeiten betankt, freilich ohne das Rezept zu offenbaren.

Zum 50. Geburtstag hat Mathmos gerade eine Riesenlavalampe in der Royal Festival Hall in London installiert, mit 200 Litern Inhalt. Den rot-blau blubbernden Blasen sieht man nicht an, woraus sie bestehen. Wasser und Paraffin? Schleim des Bösen, vom Planeten Mathmos importiert? Man kann nicht sagen, dass Inhalte heutzutage egal sind, wie auch im Guardian nachzulesen war. Anlässlich des Lavalampen-Jubiläums diskutierten Leser der britischen Tageszeitung ernsthaft über die zwei Flüssigkeiten, durch die der Magma-Effekt zustande kommt. Ein Leser aus Croydon schlug vor: "Kitsch und Schmalz".

© SZ vom 21.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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