Fashion Week:Rot, laut, gut

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Mit dieser Mailänder Modewoche hat die Branche ein deutliches Lebenszeichen gegeben.

Von Dennis Braatz

Als Brunello Cucinelli in seinem Showroom am Tisch Platz nimmt und sich eine Handvoll Models nähert, um die neuesten Entwürfe zu präsentieren, winkt er ab. Über Mode will er dieses Mal nicht reden. Die aktuelle Weltlage ist wichtiger. "Das Gute an all dem Schlechten da draußen ist doch, dass wir unser Denken und Handeln endlich hinterfragen. Wir entdecken Werte wieder, die wir vergessen haben", sagt er. Als Grund nennt er die Schnelligkeit unserer Zeit. Dagegen steuert er inzwischen, indem er seinen Mitarbeiten ab einer bestimmten Uhrzeit das Internet abstellt.

Es sind wegweisende Worte, die Italiens Kaschmirkönig gleich zu Beginn der Mailänder Modewoche sagt. Wo man hinschaute, demonstrierten die Designer Zusammenhalt und Nähe, standen für Vielfalt und Feminismus ein und wurden teilweise sogar politisch. Das hat man sich für das Jahr 2017 gewünscht (wegen Trump, Erdoğan, Syrien, der Terrorangst in Europa und so weiter), aber nie richtig daran geglaubt. Mailand ist eine der kommerziellsten Modewochen überhaupt. Da zählt der Abverkauf der Ware schon mal mehr als die Haltung, die man mit ihr einnehmen könnte.

Eine Premiere: Die Frauen- und Männerkollektion wird gleichberechtigt zusammen gezeigt

Aber was Cucinelli mit Worten ausdrückt, packt Alessandro Michele für Gucci nur zwei Stunden später sogar in eine Show (siehe Foto oben). Auf der Einladung steht: "Was machen wir mit all der Zukunft?" Der Laufsteg windet sich um eine Pyramide, darauf dreht sich ein Wetterhahn in alle Himmelsrichtungen. Die Kollektion explodiert (mal wieder und noch mehr) vor historischen Referenzen: AC/DC, Freddie Mercury, britische Internatsschüler, der Film "Die Royal Tenenbaums", Hippies, ein bisschen Punk, viel Renaissance. Seinen Gratulanten sagt Michele, nicht jede Saison eine völlig neue Geschichte erfinden zu wollen, weil das vom Reflektieren abhalte. "Und in diesen Zeiten müssen wir mehr reflektieren." Eine Premiere gibt es trotzdem: Die Frauen- und Männerkollektion wird zusammen gezeigt. Michele macht keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Sie sind hier völlig gleichberechtigt. Die Models sind nicht makellos schön. Daran glaubt er auch nicht mehr. Er hat Jungs mit Heckspoilern und Frauen mit kahlrasierten Köpfen ausgesucht. Am Ende gibt es für seine Zukunftsvision Standing Ovations und in Mailand keinen Designer, der eine beeindruckendere Kollektion zeigt. Sehr wohl aber viele weitere leuchtende Mode-Momente.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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