Dem Geheimnis auf der Spur:Straße des Teufels

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Schilder, die zur Route 666 führen, gibt es nicht mehr. Als es sie noch gab, wurden sie meist gestohlen. (Foto: Stephen Osman/LA Times via Getty Images)

Die Route 666 führte durch drei US-Bundesstaaten und ein großes Reservat der Navajos. Um den Namen ranken sich düstere Geschichten.

Von Harald Hordych

Gallup in New Mexico, knapp 22 000 Einwohner, umgeben von riesigen rot leuchtenden Sandsteinformationen, besteht aus einer langen Hauptstraße, bei der man immer auf das Zentrum wartet, das nie kommt. Aber in den Seitenstraßen findet sich dann der Grund, warum Gallup trotzdem für viele Menschen ein wichtiger, ja ein zentraler Ort in ihrem Leben ist. Dort befinden sich die Kneipen, in denen die Navajo-Indianer regelmäßig einkehren. Sie bleiben dort unter sich. Weiße verirren sich dorthin nur, wenn sie Journalisten aus Deutschland sind, die keine Ahnung haben und dort mit einem ebenso wachsamen wie alkoholgetrübten Blick gemustert werden.

Diese dunklen Gasthäuser liegen nur ein paar Meilen vor der Grenze zum größten Navajo-Reservat der USA. Das ist wichtig, weil in den Reservaten kein Alkohol verkauft werden darf. Gallup ist die letzte Station vor der ernüchternden, staubtrockenen, ärmlichen Realität des Reservats, welche die High Country News so beschreibt: keine Jobs, keine Industrie, kein Ernte. Wer durch Gallup fährt, tut dies auf der legendären Route 66. Sie führt von Chicago quer durch Amerika und endet in Los Angeles an den Piers von Santa Monica.

Aber in Gallup begann bis vor wenigen Jahren auch eine Straße, die noch eine 6 mehr im Schilde führte und schnurrgerade nach Norden, durch das Reservat der Navajos verläuft, das sich auf einer riesigen Fläche auf drei Staaten verteilt. Der größte Teil liegt in Arizona. Aber die Route 666 verlief durch das Territorium von New Mexico von Gallup über Shiprock, bevor sie die Navajo Nation Reservation verließ und am Ende in Utah nach 194 Meilen in eine andere Straße mündete.

Nur 194 Meilen. Eigentlich ein Nichts von Straße. Aber so kurz die 666 auch war, so berüchtigt und geheimnisumwittert war sie. Und zwar von dem Augenblick an, in dem im Jahr 1926 "The American Association of State Transportation and Highway Officials" (AASHTO) den sechsten Abzweig von der Route 66 vorgeblich ohne böse Absicht, nur aus einer schlichten Abzähllogik heraus offiziell in Route 666 getauft hatte. In dem Moment war sie unwiderruflich geboren: Die Straße des Teufels, "The Devil's Highway".

Für die Navajo-Indianer ist die Straße verhext. Viele Autofahrer verunglücken tödlich auf ihr

Wie ist so was möglich? Wie konnte die simple Wiederholung von drei gleich Ziffern eine derart düster-magische Wirkung entfalten und eine Straße, die durch nichts als karges Wüstenland führt, zu einem Ort der Verdammnis machen? So sehr, dass die Navajos Jahrzehnte dafür kämpften, diese Zahl wieder loszuwerden, weil sie für sie verflucht war, den Touristen Angst einflößte und sie die Straße sogar dafür verantwortlich machten, die Entwicklung des Reservats zu blockieren.

Der Grund dafür ist offenbar in der Bibel zu finden, und zwar im letzten Buch des Neuen Testaments. In der Offenbarung des Johannes (Apokalypse), heißt es in Kapitel 13, Vers 18: "Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tiers; denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig." Die Zahl des Tiers, damit ist der Antichrist gemeint. Worauf Johannes anspielt, ist nach allgemeinem Verständnis jene Stadt, die zu Lebzeiten des Johannes als Zentrum der Christenverfolgung galt: Rom. Um einer Anklage wegen Hochverrats zu entgehen, so das Lexikon der religiösen Gegenstände und Gebräuche, verbarg Johannes den Namen des Herrschers von Rom hinter einer Zahl.

Johannes machte sich zunutze, dass Griechen, Römer und Juden den Buchstaben ihrer Alphabete Zahlen zugeordnet hatten. Aus bestimmten Buchstaben gebildete Wörter hatten nicht nur eine Bedeutung, sondern auch einen Zahlenwert. Die meisten Wissenschaftler sind heute der Ansicht, dass Kaiser Nero hinter der 666 steckt, weil in der hebräischen Übersetzung die zusammengezählten Zahlenwerte der Buchstaben diese Summe ergab. So ungewiss der tatsächliche Name des Biestes immer bleiben wird: Die Bedeutung als böse Zahl hat sie bis heute behalten.

In Trash-Filmen wie "Route 666", die von greller Gewalt und Humbug geprägt waren, wurde der Mythos der Straße des absolut Bösen weiter befeuert. Zweifelhafter Ruhm wurde ihr auch als Schauplatz in dem 1994 gedrehten skandalumwitterten Film "Natural Born Killers" von Oliver Stone zuteil, in dem ein sehr attraktives Gangster-Pärchen Menschen aus perversem Vergnügen erschießt. Kein Wunder, dass das Straßenschild mit den drei Sechsen zu einem der am häufigsten abgelichteten in den Vereinigten Staaten wurde. Ganz und gar nicht zur Freude der Navajos, die sich ohnehin benachteiligt genug fühlten. Denn zwei Dinge kamen bei der Route 666 auf verhängnisvolle Weise zusammen: Eine für Zahlenbesessene verhexte Zahl, die in der Populärkultur gefeiert und immer wieder zu neuem Leben erweckt wurde - und eine auffallende Häufigkeit von oft genug tödlichen Autounfällen, die auf ein sehr natürlich zu erklärendes Phänomen zurückzuführen war, aber den Mythos der teuflischen Straße weiter nährte: Auf ihrem Heimweg von den Bars in Gallup verloren betrunkene Navajos allzu oft die Kontrolle über ihr Fahrzeug.

2003 war es endlich soweit: Der Gouverneur von New Mexico erreichte, dass die Straße zunächst in seinem Bundesstaat mit der Nummer 491 versehen wurde. Bill Richardson wollte die Straße von ihrer "satanischen Dimension" befreien. Medizinmänner der Navajos reinigten den Highway mit spirituellen Ritualen und segneten die Schilder mit der neuen Nummer. Richardson war froh. Er sagte damals: "Zum einen wollte ich der Kultur der Navajos mit Respekt begegnen. Zum anderen ist es einer der gefährlichsten Highways dieses Landes. Da ist der Name des Teufels nicht hilfreich. Bad vibrations."

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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