Dem Geheimnis auf der Spur:Liebesgrüße aus London

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Porträt von Eleonora de' Medici: eines der wenigen Bilder des Malers, die überliefert sind. (Foto: Alamy/mauritius images)

Der Maler Costantino de' Servi stand in Diensten der Medici, verkuppelte Adelige - und spionierte Königshäuser aus.

Von Sofia Glasl

Ein guter Geheimagent muss unsichtbar sein. Oder zumindest so gut getarnt, dass er kaum auffällt. Das gelingt mal besser und mal schlechter. Im Falle von James Bond eher schlechter, denn der hat mittlerweile so viele Frauen verführt und so viele Agentenregeln gebrochen, dass ihn Gott und die Welt kennt und eine Reihe von Superschurken ihn zum Erzfeind erklärt hat.

Besser funktioniert hat die Methode von Costantino de' Servi. Unbekannt? Recht so, dann hat der gute Mann alles richtig gemacht. Denn von dem Italiener, der 1554 in Florenz geboren wurde, existieren kaum offizielle Unterlagen, keine Porträts. Aber es finden sich eben doch so viele belegte Informationen, dass kürzlich Davide Martino, Historiker am St. Johns College in Cambridge, in einem Aufsatz die Schlussfolgerung zog, de' Servi könnte ein Spion für niemand Geringeren als eine der mächtigsten Familien der europäischen Geschichte gewesen sein, die Medici. Diesen Zusammenhang rekonstruierte er aus den Briefen, die Costantino de' Servi von seinen Reisen regelmäßig an die großherzoglichen Sekretäre in Florenz sandte. Er folgte den Reisebewegungen de' Servis auf der Suche nach verschollenen Kunstwerken, stieß jedoch auf die Verbindung zu den Medici und die vielen Besuche an Europas Königshäusern.

Zahllose Briefe im Florentiner Staatsarchiv legen nahe, dass der Italiener nicht nur Künstler war

Dass Spionage im 16. Jahrhundert etwas anders aussah als heutige Geheimdienstaktivitäten, ist klar. Doch legen unzählige im Staatsarchiv in Florenz erhaltene Briefe nahe, dass Costantino de' Servi nicht nur der Maler, Bildhauer und Landschaftsarchitekt war, als der er in ganz Europa auftrat. Denn hätte er nur als Künstler für die Medici gearbeitet, die als Mäzene die Renaissance prägten, müssten mehr Werke von ihm erhalten sein: ein Porträt von Eleonora de' Medici in den Uffizien, eine Mariendarstellung im Cleveland Museum of Art und die Pläne für einen Garten in England - das ist etwas dürftig. Natürlich: Die Bilder und Statuen könnten auch zerstört worden sein. Daher hat sich bislang niemand so recht darüber gewundert, zumal de' Servi nicht zu den großen Meistern zählt.

Doch folgt man den unzähligen Reisen, die er bis zu seinem Lebensende 1622 unternahm, stellt man fest: Das waren keine reinen Geschäftsreisen als Künstler. Vielmehr waren es gezielte diplomatische Unternehmungen, die den Einfluss der Medici in Europa festigen sollten.

In eine gute florentiner Familie hineingeboren, sollte de' Servi das Tuchgewerbe erlernen, eine Künstlerlaufbahn war zunächst nicht vorgesehen. Ein Baron nahm ihn 1572 mit nach Sachsen, um Geschenke der Medici an den dortigen Herzog zu überbringen. Der erste Kontakt mit der Botentätigkeit für die Medici war hergestellt. Seine künstlerische Begabung brachte erste Aufträge ein. Spätere Briefe legen nahe, dass er mindestens einmal nach Wien reiste und als Haus- und Hofmaler des böhmischen Oberkanzlers Vratislav von Pernstein arbeitete, der im Geheimen Rat des Habsburgerkaisers Rudolf II. diente. De' Servi hatte also früh Zugang zum engen Kreis des europäischen Adels. Weitere Reisen nach Madrid, Rom, Innsbruck und Turin folgten, teilweise als Begleiter von Piero de' Medici, meist aber wegen angeblicher künstlerischer Auftragsarbeiten, aus denen oft nichts wurde.

Spätestens seit 1586 wurde er von den Medici auf der Gehaltsliste geführt, was den Schluss nahelegt, dass seine Briefe auch im Dienste der Geldgeber entstanden. Er bereiste Europa als Informant und versorgte die Medici mit politischen Nachrichten: Wer war im inneren Kreis der Herrscherhäuser? Wer warb um wessen Hand? Welche Allianzen kündigten sich an? Und de' Servi ließ keine Gelegenheit aus, direkt im Sinne seiner Auftraggeber auf andere Herrscher einzuwirken.

Er nutzte sein Wissen, um sich als unverzichtbarer Informant zu inszenieren

Als er 1609 an den englischen Hof beordert wurde, um für Thronfolger Henry den Richmond Palast aus- und umzubauen, griff er sogar in den Heiratsmarkt der Adligen ein. Prinz Henry wurde die Hand der florentinischen Prinzessin Caterina angetragen - auch eine Medici, jedoch nicht zu verwechseln mit der Caterina de Medici, die Mitte des 16. Jahrhunderts Königin von Frankreich wurde. Henry wollte zuerst ein Porträt der potenziellen Braut sehen. Dies wurde ihm vom florentinischen Botschafter verwehrt. De' Servi ließ aber beiläufig ein selbstgemaltes Porträt der Prinzessin so liegen, dass Henry es finden konnte und anschließend in die Heirat einwilligte. So berichtet er es in einem Brief in die Heimat - Costantino de' Servi, Amors Agent Provocateur oder ein gewiefter Match Maker im Dienste pan-europäischer Politik? Dass Henry kurz darauf an Typhus starb und de' Servis Bemühen sich nicht mehr auf die gesamteuropäischen Beziehungen auswirken konnte, ist ein tragischer Begleitumstand - Henrys Bruder Charles zettelte später mit Allmachtsfantasien den englischen Bürgerkrieg an und landete auf dem Schafott.

Der Historiker Davide Martino ist vorsichtig mit seiner Beurteilung, er will de' Servi nicht einen Spion nennen. Im heutigen Sinne hat sich der Künstler nicht in andere Höfe eingeschleust oder "gehackt" und Informationen herausgeschmuggelt. Martino ist sich aber sicher, dass Constantino de' Servi einer der ersten Kosmopoliten der Neuzeit war und ein geschickter Diplomat. Er nutzte sein Wissen, das er in den Ländern sammelte, die er bereiste - und inszenierte sich als unverzichtbarer Mittler und Informant.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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