David Steinitz:Der große Poirot

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David Steinitz ist Redakteur und Filmkritiker im Feuilleton. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Warum nicht mal einen Schnurrbart zu Weihnachten verschenken? Aber natürlich nicht irgendeinen, sondern den wunderbarsten Schnauzer der ganzen Filmgeschichte - den des belgischen Meisterdetektivs Hercule Poirot.

Klar, in dessen Kino-Abenteuern gibt es nicht halb so viele Tote wie bei "Game of Thrones", von nackten Frauen ganz zu schweigen. Aber die dramaturgische Totalentschleunigung dieser Krimi-Klassiker ist der ideale Filmstoff, um die ganze Familie inklusive des Filmkritikers friedlich durch die Feiertage zu bekommen. In dieser "Agatha-Christie-Edition", die auf DVD und Blu-ray erschienen ist (Studiocanal, ab 14,99 Euro), finden sich die drei schönsten Poirot-Verfilmungen, die den Glanz des alten Hollywood heraufbeschwören und zwei der besten Schauspieler aller Zeiten beim exzessiven Schnurrbart-Zwirbeln zeigen: Albert Finney und Peter Ustinov.

Der Ur-Poirot des Kinos ist natürlich Finney in "Mord im Orient-Express" von 1974. Für seine Rolle wurde der Brite für den Oscar nominiert. Sein Auftritt als dandyhafte Schnüffelnase stellt die Neuverfilmung aus diesem Jahr immer noch locker in den Schatten. Die Superstar-Besetzung - unter anderem Sean Connery, Ingrid Bergman, Lauren Bacall und Vanessa Redgrave -, verursachte damals solche Aufregung, dass sogar Prinz Charles unbedingt bei den Dreharbeiten vorbeischauen wollte. Dabei ist es ein Wunder, dass es diesen Film überhaupt gibt, denn Agatha Christie stand dem ganzen Hollywood-Zirkus sehr skeptisch gegenüber und musste lange und geduldig überredet werden, ihren Roman für eine Verfilmung zur Verfügung zu stellen. Vom Endergebnis war dann aber auch die alte englische Dame so begeistert, dass sie prompt die Rechte an drei weiteren Büchern freigab. In dieser Box befinden sich noch die Verfilmungen von "Tod auf dem Nil" und "Das Böse unter der Sonne". Darin spielt Peter Ustinov den Poirot, mit einem wirklich beeindruckenden Mix aus Märchenonkel und Charmeur, ein bisschen an der Grenze zum Lüstling. Allein wie er in "Tod auf dem Nil" tapfer im weißen dreiteiligen Anzug unter der ägyptischen Sonne schwitzt und sich mit dem Stofftaschentuch die Stirn abtupft, ist schon eine große Schau. Er hat die Rolle wohl am weitesten von der Buchvorlage weggeführt und sich zu eigen gemacht. Immer gern erzählte er die Geschichte, wie Agatha Christies Tochter Rosalind Hicks eines Tages den Set besuchte und entsetzt ausrief: "Das ist doch nicht Poirot!". Er erwiderte darauf nur fröhlich: "Jetzt schon, meine Liebe."

Für alle Christie-Fans, die es auch klassisch-elegant, aber lieber ohne Haare im Gesicht mögen, ist in der Sammlung übrigens auch noch der Miss-Marple-Klassiker "Mord im Spiegel" enthalten.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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