Bestseller und ihre Folgen:Und jetzt alle!

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Es gibt besondere Bücher, die einen Nerv treffen. Kurz darauf kommen dann die ersten Bestseller-Kopien raus. Egal ob Rezeptsammlungen oder Reiseführer - von der Trittbrettliteratur bleibt kaum ein Erfolgsthema verschont.

Von Anne Backhaus

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Das Buch, über das alle reden: "Das geheime Leben der Bäume" von Peter Wohlleben stürmte als Überraschungserfolg die Bestsellerliste.

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Also vielleicht gar nicht so erstaunlich...

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...wie ähnlich sich die...

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... aktuellen Baum-Titel...

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...allesamt sehen.

Eines Tages brachte es ein Peter an der Dorfschule zur bedenklichen Berühmtheit. "Nachmacher, Nachmacher!", schrien wir Kinder. Peter war eben auf dem Boden gelandet, hatte einen Salto vom Klettergerüst gemacht. Der sah toll aus, war aber nicht der erste Salto der Pause. Timo hatte sich den ausgedacht, da jubelten alle. Peter wollte auch Applaus. Seine sportliche Höchstleitung war in unseren Augen aber nun nicht mehr cool, sie war eine dreiste Kopie. Bestseller-Autor Peter Wohlleben muss sich so etwas sicher nicht anhören. Der schreibende Förster hat mit seinem Buch "Das geheime Leben der Bäume" (Ludwig, 2015) selbst einen Trend begründet - und liefert seitdem seine eigenen Folgebücher wie "Gebrauchsanweisung für den Wald" (Piper, 2017). Als Kopien kommen nach seinem Bestseller ganz andere Werke daher, zum Beispiel "Die geheime Sprache der Bäume" von Erwin Thoma. Da helfen auch der Aufkleber "Das Original" und die Erstveröffentlichung im Jahr 2012 kaum noch was. Irgendwer muss ja der Erste sein, und wer das nun war, ist nicht immer so einfach zu durchschauen wie auf dem Schulhof.

Wohlleben hat mit seinem Buch auf jeden Fall einen Nerv getroffen. Die Baum- und Geheimniswerke schießen derzeit, sorry, der Vergleich muss nun einfach sein, wie Pilze aus dem Waldboden. Auch im Schatten eines Erfolgs lässt es sich nämlich gut schreiben. Im Bücherherbst wimmelt es nur so von Natur-, Tier- und Pflanzenliteratur, und die Leser scheinen davon auch noch nicht genug zu haben. "Unser Leben wird von Mobilgeräten bestimmt, wir sind ständig unter Strom", sagt Kathrin Grün von der Frankfurter Buchmesse. "Kein Wunder also, dass Bücher Konjunktur haben, die uns zurück zu den Wurzeln führen und die archaische Themen wie Naturerleben, Wald und Bäume zelebrieren." Von der Buchmesse gibt es eine Kollektion zum Thema: "Dieses Baums Blatt" versammelt Werke zum "Naturerleben deutschsprachiger Autoren". Andreas Rötzer, Verleger von Matthes & Seitz mit eigener Naturkunde-Reihe, sieht im großen Interesse an Naturthemen einen Unterschied zu anderen Trends. "Es rührt an tiefere Wurzeln", sagt Rötzer. "Die Natur, wie wir sie uns bislang imaginierten, gibt es schon jetzt nicht mehr, was man verabschiedet, bedenkt man aber mit größerer Aufmerksamkeit."

Die Entwicklung von Trends läuft jedoch meistens so: Erst wird ein Buch zu einem Zeitgeist-Thema zum Bestseller, dann kommen zügig viele weitere Autoren mit sehr ähnlichen Titel nach. Laut Buchreport ist diese Methode der Verlage "sehr gängig", Zahlen zur Veranschaulichung gäbe es allerdings nicht. Macht ja nichts. Die Bestsellertitel und die ihrer Nachfolger sprechen da eigentlich für sich.

Küche

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Das Original: Eine Zeitvorgabe als Konzept für ein Kochbuch? Mit dieser Idee war Jamie Oliver nicht der Erste. Egal, denn als "Jamies 30 Minuten Menüs" 2010 erschien, fühlte es sich an, als sei der britische Starkoch der Erste gewesen. Nie zuvor hat ein Kochband derart einen Nerv getroffen - eine Rezeptsammlung aus England wird das erfolgreichste Sachbuch der Geschichte. Das Versprechen: drei Gänge in 30 Minuten, alles Planungssache. Auf dem Cover: Jamie Oliver in Trainingsjacke. Der Koch als Zuchtmeister. Die Zielgruppe: Alle Doppelverdiener der Leistungsgesellschaft, die in der Küche das schlechte Gewissen plagt, weil das Zeitbudget selbst am Sonntag wieder nur Nasi goreng aus der Truhe erlaubt. Dank Jamie Oliver dürfen sie wieder hoffen: Genuss für die ganze Familie ist möglich. Wenn wir nur hart genug am Genussmanagement arbeiten! Die Nachfolger: Ehrensache, dass Oliver sofort selbst einen Band nachlegte ("Jamies 15 Minuten Küche", Dorling Kindersley, 2012). Bis heute gibt es bei Schnellkochtiteln kein Halten: Ob nun die "30 Minuten Küche" (ZS, 2012), die "15-Minuten-Singleküche - Schneller als der Pizza-Service" (GU, 2016) oder "Die 50 gesündesten 10-Minuten-Rezepte" (Becker Joest Volk Verlag, 2016) Wer bietet weniger?

Organe

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Das Original: Blähungen. Unangenehm. Peinlich. Da spricht man nicht drüber. Doch, Achtung, Kalenderweisheit, jedes Tabu existiert, um von der richtigen Person gebrochen zu werden. So veröffentlichte Giulia Enders, jung, hübsch, gesund, charmant, schlagfertig und damit die richtige Person 2014 den Bestseller "Darm mit Charme. Alles über ein unterschätztes Organ" (Ullstein Verlag). Die Zielgruppe: Alle, die sich um ihre Gesundheit im Allgemeinen und gesunde Ernährung im Besonderen sorgen. Es nervt ja irgendwann, nur über Unverträglichkeiten, Reizdarm oder Blähbauch zu reden. Da ist es schön, ein paar Fun-Facts aus der Leibesmitte aufzuschnappen und bei Körper-Diskussionen einzustreuen. Die Nachfolger: Der Darm ist, Verzeihung, in aller Munde und auf dem Titel vieler Sachbücher. Alleine Michaela Axt-Gadermann hat diverse veröffentlicht: "Schlank mit Darm" (2014), "Schlau mit Darm" (2016) "Schön mit Darm" (2017, alle Südwest-Verlag). Diese Woche frisch auf dem Verdauungsbuchmarkt: Jan Rein "Das Pups-Tabu. Was wirklich gegen Blähungen hilft - und dem Darm guttut" (Heyne). Ob das Thema nun endlich gegessen ist? Möglich, nur so ein Bauchgefühl.

Provence

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Das Original: Von A nach B gezogen, Millionen verdient. So leicht kann's gehen: Peter Mayle, britischer Werbefachmann, übersiedelt in den Achtzigern von der zugigen Thatcher-Insel in die Provence. Notiert Begebenheiten mit schrulligen Südfranzosen, deren Koch- sowie Trinkgewohnheiten - und rührt mit viel Olivenöl und Lavendelstreu den charmanten Welt-Bestseller "Mein Jahr in der Provence" zusammen (1992, Knaur). Die Zielgruppe: Menschen, die Südfrankreich nicht für eine geografische Region, sondern ein Heilsversprechen halten. Kaum sind die Sommerferien passé, hängen sie lesend am Infusionsschlauch der Provence-Fibeln, die eine Grundversorgung mit Grillenzirpen, Ziegenkäse-Rezepten und Tratsch von irgendeinem reizenden Wochenmarkt sicherstellen. Die Nachfolger: Mayle schreibt die besten Kopien selbst, "Trüffelträume" oder "Encore Provence". Endlos die Liste der Nachahmer, etwa Jill Laurimore, "Frühstück in der Provence" (Blanvalet, 2002), Simonetta Greggio, "Die Sterne der Provence" (Limes, 2007) oder Elizabeth Bard, "Meine zauberhafte Eisdiele in der Provence" (Fischer, 2017). Allen gemeinsam: ein Löffel zuviel Honig. Trotzdem bon appétit!

Angst

Das Original: Jede Generation definiert ihre eigenen Ängste, aber es gibt einen Klassiker: "Grundformen der Angst" erschien erstmals 1961, inzwischen hat der schmale Band des Psychoanalytikers Fritz Riemann die 43. Auflage (Reinhardt) erreicht, eine knappe Million Exemplare wurden verkauft. Riemanns Unterscheidung zwischen schizoiden, depressiven, zwanghaften und hysterischen Persönlichkeiten hat Schule gemacht. Die Zielgruppe: Alle, die etwas über ihr Unbehagen, ihre Unsicherheit, ihre inneren Nöte erfahren wollen und sich von der Lektüre konkrete Hilfe oder eine Anleitung zur Selbsttherapie versprechen. Also sehr viele. Die Nachfolger: Das Angst-Thema ist wie ein Expresszug, auf den viele Verlage aufspringen wollen. "Panikattacken und andere Angststörungen loswerden" von Klaus Bernhardt (Artiston, 2017) versteht sich als praktische Handlungsanweisung. "Ich bin mal eben wieder tot - wie ich lernte, mit der Angst zu leben" von Ex-Jupiter Jones-Sänger Nicholas Müller (Knaur, 2017) hat Bekenntnischarakter. "Was deine Angst dir sagen will" von Andreas Winter (Mankau, 2016) ist für Leser, die sich vor Spinnen, Flugzeugen oder dem eigenen Partner fürchten.

Pariser Chic

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Das Original: Ungezwungen, nix von der Stange, authentisch? So kleidet sich die Pariserin, die angebliche Königin in Sachen Mode. Wie das geht, erklärte Ex-Model und Designerin Inès de la Fressange 2011 mit ihrem Buch "Pariser Chic. Der Style Guide" (Knesebeck, gemeinsam mit Sophie Gachet). Die Zielgruppe: Weil sich ein Stück Paris auch in Plauen, Peine und Pirna gut macht, ist das Buch auf Deutsch bereits in der 10. Auflage erschienen und hat sich 50 000 Mal verkauft. Darin erfährt man nicht nur, wie man sich richtig kleidet, sondern auch, wie man sich schminkt, den Schrank sortiert und wo man in Paris shoppt, isst, schläft. Die Nachfolger: Madame Fressange hat selbst für ein Nachfolgewerk gesorgt: "Was ziehe ich heute an?" (Knesebeck, 2017). Aber auch von anderen Französinnen durfte man in den vergangenen Jahren viel lernen: "Warum französische Frauen jünger aussehen" (Piper, 2014), "How To Be Parisian wherever you are" (btb, 2015) oder "Grand Paris: Savoir-vivre für Insider und solche, die es werden wollen" (Busse Seewald, 2017). Nicht mal in Sachen Erziehung bekommen es die Deutschen richtig hin, deswegen gibt es natürlich längst auch das Buch "Warum französische Kinder keine Nervensägen sind" (Goldmann, 2015).

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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