Analyse:Immer voll Stoff!

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Das Internet hat das Tempo der Mode verändert: Es gibt zu viele Schauen und Kollektionen - und um Aufmerksamkeit zu erregen, werden sie immer lauter inszeniert. Einer ganzen Branche droht der Burn-out.

Von Dennis Braatz

Es klingt schon sehr nach Endzeitstimmung, was sich die bekanntesten Mode-Experten in letzter Zeit so an Schlagzeilen ausgedacht haben. Vogue-Kritikerin Sarah Mower schrieb zum Beispiel: "Die Mode am Abgrund". Trendforscherin Li Edelkoort verkündete: "Die Mode, wie wir sie kennen, ist tot." Vor zwei Wochen, ausgelöst durch Raf Simons Abgang als Designer bei Dior, titelte dann noch die Superkritikerin Suzy Menkes: "Warum die Mode gerade zusammenbricht." Alle drei beklagen das gleiche Phänomen: Das Modesystem hat sich durch das Internet übersättigt. Es gibt zu viele Schauen, Kollektionen und Events, die immer noch lärmender inszeniert werden müssen, um in den digitalen Kanälen Gehör zu kriegen (siehe Text unten). Die Zeit, die einem Designer für eine gute Kollektion bleibt, wird weniger. Der Druck höher. Womöglich steigt er irgendwann aus, wie Simons, oder wird gar krank, wie sein Vorgänger Galliano, oder wie Marc Jacobs bei Louis Vuitton.

Aber der Modebranche wurde schon oft das Ende prophezeit. Als in den Fünfzigern Prêt-à-porter aufkam, Luxusmode von der Stange, und der Haute Couture, also der Mode nach Maß, Konkurrenz machte, schrien die Kritiker genauso laut. Das Haus Balenciaga bezeichnete die Neuerung als "unwürdig" und verweigerte sich ihr. Die Couture wurde zwar kleiner, bis heute ist sie aber nie verschwunden. Balenciaga musste irgendwann schließen und wurde später wiederbelebt - als reine Prêt-à-porter-Marke. Die Auswirkungen der aktuellen Krise mögen drastischer sein, doch niemand kann sich der neuen Welt komplett verweigern. Selbst Größen wie Oscar de la Renta und Tom Ford, die Blogger und Smartphones vor zwei Jahren von ihren Schauen verbannten, haben das zu spüren bekommen. Ford räumte zuletzt ein: "Wir haben gegen Instagram gekämpft - und verloren." Seine neue Kollektion hat er nicht auf dem Laufsteg, sondern in einem Video im Netz gezeigt. Die Sache mit dem Internet wird nicht einfach so wieder vorbeigehen. Menschen werden aber auch nicht aufhören, Mode zu kaufen. Vier Szenarien, wie die Branche auf diese Veränderungen reagieren kann.

USA - Atmosphere - Mercedes Benz Fashion Week - New York View of the empty catwalk covered in plastic sheeting and show tent during Spring 2010 Fashion Week in New York, USA, 16 September 2009. - photographed: September 16, 2009 (Foto: David Brabyn/Corbis)
© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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