Zweite Liga:Komisch kompakt

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Allein zwischen Freiburgern - und dennoch erfolgreich: Guido Burgstaller (im roten Trikot) erzielt das 1:0 für Nürnberg. (Foto: Zink/imago)

Der 1. FC Nürnberg bezwingt den bisherigen Tabellenführer Freiburg 2:1 und setzt sich damit in der Spitzengruppe fest. Der Club verblüfft mit einer neuen Robustheit.

Von Markus Schäflein, Nürnberg

Nach dem Spiel hatte Freiburgs Trainer Christian Streich einigen Gesprächsbedarf. Seine Mannschaft hatte das Zweitliga-Spitzenspiel beim 1. FC Nürnberg 1:2 und damit auch die Tabellenführung verloren, also eilte Streich auf Nürnbergs Torhüter Raphael Schäfer zu und begann eine kleine Wutrede. "Er meinte, ich hätte von der ersten bis zur letzten Minute nur Zeitspiel gemacht", berichtete Schäfer, "und dass das eine Frechheit sei - das Übliche, wenn man zu Recht verliert und einen Schuldigen sucht." Freiburgs Mittelfeldspieler Maximilian Philipp sah es hingegen ähnlich wie sein Trainer: "Das sagt doch alles darüber, wie sie den Sieg erarbeitet haben: 15 Minuten rum, und die spielen auf Zeit - wo sind wir denn hier?"

Antwort: Im Frankenstadion, bei einem 1. FC Nürnberg, der nicht mehr zu vergleichen ist mit dem 1. FC Nürnberg vom Saisonbeginn. Die Freiburger hatten in der Hinrunde 39 Treffer erzielt, die Nürnberger 33 - doch mit einem Chaosspektakel wie beim 6:3 der Freiburger im Hinspiel war nicht zu rechnen, denn der Club hat weder personell noch konzeptionell noch viel mit der Mannschaft zu tun, die diesen schlimmen Saisonstart hinlegte. Er verdankt den Erfolg der vergangenen Wochen mit nun acht Partien ohne Niederlage und vier Siegen hintereinander vor allem der neu gewonnenen Kompaktheit. "Wir wussten das, aber wir haben nicht die kräftigsten Spieler und hatten anfangs Probleme mit den langen Bällen", sagte Philipp.

"Wenn man das Hinspiel noch im Kopf hat, sieht man, dass wir in den vergangenen Wochen nicht allzu viel falsch gemacht haben", meinte Club-Trainer René Weiler. Seit der Trennung von Sportvorstand Martin Bader, die bei jenem Spiel in Freiburg ihren Anfang nahm, wurden einige Gräben im Verein zugeschüttet. Weiler darf ohne Kompetenzgerangel arbeiten - und mit Erfolg. "Die Mannschaft versteht jetzt, wie man diesen Zweitliga-Fußball annehmen muss", sagte Schäfer. Also wurde es ein Spitzenspiel mit wenigen Torchancen, stattdessen voller Zweikämpfe, Kopfballduelle und kleiner Fouls. Mit der ersten guten Möglichkeit ging der Club in Führung: Alessandro Schöpf scheiterte noch an der Fußabwehr von Freiburgs Torwart Alexander Schwolow, doch Torjäger Guido Burgstaller traf beim zweiten Versuch (14.).

Streich fing danach schon an zu zetern; er lieferte sich ein minutenlanges Streitgespräch mit dem vierten Offiziellen. Seine Mannschaft tat sich ungewohnt schwer, ihr Kombinationsspiel aufzuziehen. Die beste Möglichkeit zum Ausgleich hatten die Freiburger in der 39. Minute, nachdem Schäfer einen Schuss von Karim Guede zur Seite gefaustet hatte; Nils Petersens Schuss ging am entfernten Pfosten vorbei. Fast hätte Nürnberg kurz vor der Pause den zweiten Treffer nachgelegt: Schöpf eroberte den Ball und setzte Burgstaller in Szene, der aber knapp vorbei schoss (42.).

In der zweiten Hälfte drückte Freiburg immer vehementer - und kam durch Immanuel Höhn nach einem Eckball zum verdienten Ausgleich (64.). "Da war das Spiel eigentlich wieder offen", sagte Weiler, "und dann hatten wir Glück." Glück, dass nur eine Minute später Jonas Föhrenbach den Ball nach einer Hereingabe von Laszlo Sepsi ins eigene Tor beförderte. "Das war wichtig, damit wir so weiterspielen konnten wie vorher", sagte Schäfer - also: auf Torverhinderung bedacht. Die größte Chance auf einen zweiten Treffer für Freiburg hatte Philipp (77.), auf der Gegenseite verpasste Burgstaller die Entscheidung (86.), dann war Schluss.

"Wir sind gefühlt 90 Minuten angerannt und verlieren", klagt Freiburgs Trainer Streich

Es verwunderte kaum, dass Streich von einem "komischen Spiel" sprach: "Wir legen denen das 1:0 auf, laufen an und laufen an, dann machen wir das Tor - und dann machen wir noch mal eins ( auf der anderen Seite, d. Red.)." Aber nicht nur wegen der Torfolge war Streich irritiert: "Wir sind gefühlt 90 Minuten angerannt - auswärts in Nürnberg, was alleine schon ein bisschen komisch ist - und verlieren."

Die gegnerischen Anmerkungen zur Taktik waren beim Club selbstredend allen egal. Als Tabellendritter und nach der besten Serie, die der 1. FCN seit 2011 hingelegt hat, dürfen sich die Nürnberger nun zu den Aufstiegskandidaten zählen. "Wir hatten gesagt, wir müssen das Spiel gewinnen, egal wie", berichtete Dave Bulthuis, als Innenverteidiger einer der Garanten der neuen Stabilität. "Jetzt sind wir oben dabei, und wenn es so weiter geht, können wir alles gewinnen."

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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